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Unter erschwerten Bedingungen beraten / Passiver Widerstand in Beratungssituation
- Klient*innen werden durch eine entsprechend autorisierte Behörde (bspw. KESB) zur Zusammenarbeit mit Professionellen der Sozialen Arbeit verpflichtet
- Klient*innen verfügen über kaum erkennbare Motivation für die Zusammenarbeit mit Professionellen der Sozialen Arbeit. Eine Zusammenarbeit kommt insbesondere dadurch zustande, dass Betroffene einschneidende Sanktionen (bspw. Gefährdungsmeldung, Verlust von bestimmten Rechten, Privilegien etc.) vermeiden wollen und einen grossen Leidensdruck verspüren
- Klient*innen sind zunächst nicht in der Lage, einen Mehrwert in einer Zusammenarbeit mit den Professionellen der Sozialen Arbeit zu erkennen
- Klient*innen zeigen sich wenig offen und bereit für eine Zusammenarbeit. Dies kann sich sehr unterschiedlich äussern: offen-aggressive Formen (Widerspruch, Wut, Beschimpfungen, Drohungen etc.) sowie passive Formen (Termine und/oder Vereinbarungen nicht einhalten, bagatellisieren, vordergründiges Zustimmen bzw. sozial angepasstes Verhalten etc.)
Kontext
Die Situation, ein Erstgespräch, findet beim Sozialdienst einer Psychiatrischen Klinik im Büro der PSA statt.
Die Klientin, 20 Jahre alt, wurde von der PSA zum Gespräch eingeladen, da sich in der interdisziplinären Fallbesprechung zeigte, dass es von psychosozialer Seite her sinnvoll wäre, die Wohn-, und Arbeitssituation zu besprechen. Die Klientin verfügt über keine Berufsausbildung, hat vor dem Klinikeintritt eine IV-gestützte Lehre abgebrochen und äussert, da noch zuhause bei ihren Eltern lebend, den Wunsch aus- und mit ihrem Freund zusammenzuziehen.
Erweiterung Kontext: Klientin hat von mehreren Seiten her Druck: Sie hat Druck von der IV, sie sollte sich dort melden weil bei der SVA-Stelle nicht mehr bekannt ist, wo sie sich aufhält. Druck durch die Wohnsituation zu Hause, die sie verlassen möchte. Druck von der Institution (Psychiatrische Klinik) durch die behandelnde Therapeutin, die es als wichtig erachtet, dass die Wohn- und Arbeitssituation angeschaut wird und Lösungen angegangen werden.
Erste Sequenz: Kontaktaufnahme
Die Klientin erscheint im Sozialdienst der Klinik, meldet sich aber obwohl die Tür der PSA offen steht, nicht an, sondern setzt sich im Gang auf einen Stuhl und wartet. So geht die PSA nach ein paar Minuten im Gang nachschauen, sieht die Klientin, fragt nach ihrem Namen und bittet sie ins Büro. Die PSA entschuldigt sich für die kleine Verspätung und erklärt, dass es für sie ungewohnt sei, dass sich jemand ohne anzumelden auf den Stuhl setze, deshalb sei sie auch erst etwas später auf die Idee gekommen im Flur nachzuschauen. Die Klientin meint daraufhin, dass sie etwas zu früh gekommen sei, nicht stören wollte und sich deshalb hingesetzt habe.
Reflection in Action
- Emotion Klient/in:
Ungeduld, weil ich warten musste – die PSA arbeitet ja, ich will sie nicht stören. Widerwille, dass ich hier herkommen muss. Ich weiss nicht so recht, wieso ich hierher kommen muss, das wird wieder wie immer ablaufen. Fühle mich fremd und unangenehm. Leichter Schauer im Rücken. Wäre am liebsten gar nicht hineingegangen. - Emotion Professionelle/r:
Unsicherheit. Aber auch Neugier. Geschichte der Klientin ist bekannt, aber Person nicht. - Kognition Professionelle/r:
Beim Vorbeilaufen der Klientin: Ist sie jetzt das? Muss dann mal nachschauen. Fragend, was ist los? Wo bleibt sie? PSA fragt sich, was sie tun soll. Im Allgemeinen kommen die Leute ja rein. Was macht PSA, wenn sie wirklich die erwartete Klientin ist. Wie soll sie begrüssen? Was soll sie sagen? Durch Nachschauen wird Situation geklärt. Erleichterung, dass sie da ist. Irritierende Anfangssituation
Zweite Sequenz: Klären des Gesprächablaufs
Die PSA bittet die Klientin Platz zu nehmen und leitet das Gespräch ein, indem sie sich und ihre Funktion vorstellt und erklärt, warum sie zum Gespräch eingeladen habe. Sie fragt die Klientin, ob sie einverstanden sei, gemeinsam ihre Berufs- und Wohnsituation anzuschauen. Als diese einwilligt, sagt die PSA, dass sie zunächst, um sich ein Bild machen zu können, etwas über die Ausbildung und die Wohnsituation erfahren möchte. So könne die K. wählen, ob sie frei etwas dazu erzählen möchte, oder ob es ihr lieber sei, wenn die PSA wie in einem Interview Fragen stelle. Die Klientin entscheidet sich für die Fragen.
Reflection in Action
- Emotion Klient/in:
Ich will gar nichts. Ich will gar nicht hören, was sie sagt. Widerwille. Fühle mich ungeduldig, bedrängt. Zugleich aber auch lethargisch, lasse das an mir herablaufen. Habe keinen Bezug zu dem, was sie sagt. Ich bin gar nicht hier, bin emotional abwesend. Sie soll die Fragen stellen, dann geh ich bald wieder. - Emotion Professionelle/r:
Klientin, die an PSA vorbei guckt, irritiert. Verunsicherung. Passiv aggressives Empfinden. Verhalten der Klientin stresst und nervt. - Kognition Professionelle/r:
Bewusstsein, dass es eine schwierige Situation ist, PSA möchte es gut machen. Aggressives Empfinden stellt PSA in Frage, sie will Patientin ja ins Boot holen. Problem, dass Aktivismus entwickelt wird. Wie kommt PSA an Klientin ran? Zeitdruck: PSA hat begrenzt Zeit zur Verfügung und möchte diese gut nutzen.
Dritte Sequenz: Ansprechen der aktuellen und erwünschten Wohnsituation
Somit erkundigt sich die PSA nach der Familien- und Wohnsituation wie auch nach der Schul- und Ausbildungszeit. Die Klientin gibt stets freundlich, knappe und sachliche Auskünfte. Sie hält dabei keinen Blickkontakt, schaut immer die gegenüberliegende Wand an. In dieser Weise erzählt sie, dass sie zuhause bei den Eltern wohne, dort aber ausziehen möchte, da die Mutter lärmempfindlich und das Haus ringhörig sei. Beim Nachfragen stellt sich heraus, dass die Klientin oft hören müsse, dass sie zu laut sei und deswegen auch ihren Freund nicht mit nachhause nehmen könne.
Weiter ergänzt die Klientin, dass ihr Freund für sie das Wichtigste im Leben sei, sie möchte ihn am liebsten den ganzen Tag bei sich haben und deshalb auch mit ihm zusammen ziehen.
Auf die Frage hin, wie sich denn die Klientin einen Tag im gemeinsamen Leben mit ihrem Freund vorstelle, antwortet die Klientin, dass ihr Freund tagsüber in die Lehre gehe, sie den gemeinsamen Haushalt mache und am Abend auf ihn warte, für ihn da sei und ihn umsorge. Die PSA versucht konkretere Auskunft über den vorgestellten Tagesablauf zu erhalten, was nicht gelingt, da die Klientin stets diffus mit ‚ich weiss nicht genau’ oder ‚irgendwie‘ antwortet.
Reflection in Action
- Emotion Klient/in:
Ich habe keine Lust darüber zu reden. Ich gebe kurze Auskunft. Ich muss halt Antworten, fühle mich genötigt. - Emotion Professionelle/r:
Klientin nervt, man muss ihr alles aus der Nase ziehen, muss alles einzeln abfragen. Die Führung des ganzen Gesprächs lastet auf PSA, das ist anstrengend, macht müde.
- Kognition Professionelle/r:
Was soll PSA machen, um Klientin zu öffnen? Wie kann PSA sie zum Reden bringen?
PSA registriert aber auch, dass Klientin sozial isoliert ist. Sie hat nur diesen Freund, der ist das Wichtigste in ihrem Leben. Wichtig sind auch die Eltern aber das Verhältnis zu ihnen ist nicht besonders gut.
Vierte Sequenz: Empathisches Durchbrechen einer passiven Erzählung
Auf die Ausbildungssituation angesprochen, erzählt die Klientin monoton, wie wenn sie einen Lebenslauf ablesen würde, dass sie ihre Primarschulzeit in einem Schulheim verbracht habe, dann nach einem kurzen Versuch in der öffentlichen Schule habe sie die Sekundarschule in einer Privatschule absolviert. Diese habe sie nur geschafft, weil sie dort ihren Freund kennen gelernt habe und mit ihm die ganze Schul- und Freizeit zusammen gewesen sei. Nach der obligatorischen Schulzeit sei die Klientin, da sie keine Lehrstelle gefunden habe, in eine private Kunstakademie gegangen. Diese habe sie aus finanziellen Gründen nach einem Jahr abbrechen müssen und sei dann zuhause nur rumgehangen bis sie via Therapeutin bei der IV angemeldet worden sei. Bei der IV habe sie Berufsberatung und Arbeitstraining erhalten und eine Lehre als Polygrafin angefangen. Welche sie nach einem halben Jahr wieder abgebrochen habe.
Als sich die PSA nach den Gründen für die vielen Schulwechsel und Privatschulbesuchen erkundigt, erfährt sie, dass die Klientin schlecht in Mathematik sei und immer Stress mit dem Schulstoff und mit den Schulkollegen gehabt habe. Bei der Lehre sei das gleich gewesen. Auf die Frage hin, ob ihr der Beruf Polygrafin denn gefalle, antwortet die Klientin, dass sie dies nicht wisse. Als die PSA weiter erfahren möchte, wie sie auf diesen Beruf gekommen sei, meint die Klientin, dass sie bei der IV-Berufsberatung einen Test gemacht habe und danach aufgrund ihrer ausgewerteten Fähigkeiten ein Arbeitstraining als Polygrafin machen konnte. Dort sei man mit ihr sehr zufrieden gewesen und habe ihr eine Lehrstelle angeboten. Daraufhin erkundigt sich die PSA, ob die Klientin auch gefragt worden sei, ob ihr der Beruf zusage und sie die Ausbildung machen möchte. Die Klientin erwidert trist wirkend, dass dies schon der Fall gewesen sei. Sie habe aber nicht darauf antworten können und so wurde ihr die Lehrstelle von den Eltern und von der IV organisiert, sie habe gehorcht und damit angefangen und dann wieder abgebrochen. Nun wolle die IV, dass sie mit der Lehre weiter mache, aber sie könne das nicht mehr.
Daraufhin ruft die PSA (empört) aus: Dass dies so auch nicht gehe und dass sie Verständnis für die Klientin habe! Sie können ja nicht einen Beruf lernen, wenn sie nicht wissen, ob dieser ihr überhaupt gefalle!
Reflection in Action
- Emotion Klient/in:
Gleichgültigkeit. Ohnmachtsgefühle. Traurigkeit, weil mich sowieso niemand fragt, was ich will. Nach der Reaktion der PSA: Erstaunen, Hoffnung, dass sich doch etwas ändern könnte.
- Emotion Professionelle/r:
Empörung - Kognition Professionelle/r:
PSA nimmt das Gleichgültige wahr. PSA nimmt beim Erzählen der Klientin wahr, dass hier ist der wichtige Punkt liegt.
PSA überlegt, ob sie hier wirklich ihre Empörung zum Ausdruck bringen kann. PSA entscheidet sich dafür und bringt diese Empörung auch extra deutlich zum Ausdruck.
Fünfte Sequenz: Offenes, freiwilliges Mitteilen
Die Klientin schaut erstaunt die PSA an und sagt nach einem Moment, dass sie eigentlich schon wisse, was sie machen wolle, nur sei dies nicht ein normaler Beruf. Deshalb habe sie vorhin auch die PSA etwas angeschwindelt. Es sei natürlich nicht ihre Vorstellung, dass sie, wenn sie mit ihrem Freund zusammen ziehe, diesen nur den ganzen Tag (klischeehaft) bediene und umsorge. Sie möchte tagsüber gerne kreativ tätig sein, etwas herstellen, was den Leuten Freude macht und am Abend dann mit ihrem Freund zusammen an einem gemeinsamen Projekt arbeiten, eine Art Computerspiel entwickeln.
So erzählt die Klientin immer mehr auch über ihre Familie und Wohnsituation und meint, dass für sie ein wichtiger Grund fürs Ausziehen sei, dass ihre Mutter ihr immer sage, was sie tun solle. Bis anhin habe sie immer gehorcht, wollte brav sein und ihrer Mutter einen Gefallen machen. Aus diesem Grund und wegen der Lärmempfindlichkeit ihrer Mutter fühle sie sich zuhause beobachtet und eingesperrt. Sie wolle nicht immer das tun, was ihre Mutter und andere von ihr erwarten sondern ein eigenständiges Leben führen. Dazu habe sie aber keinen Beruf, kein Geld und Angst vor sozialen Kontakten.
Dementsprechend berichtete die Klientin von sich aus noch einiges mehr.
Reflection in Action
- Emotion Klient/in:
Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein - Emotion Professionelle/r:
Erleicherung, dass nun etwas ins Rollen kommt. - Kognition Professionelle/r:
Bestätigung, dass PSA einen guten Gesprächspfad gewählt hat.
Sechste Sequenz: Positive Rückmeldung und Verabschiedung
Am Ende des Gesprächs meint die PSA, dass sich die Klientin einige gute Ideen und Überlegungen zu ihrem zukünftigen Leben gemacht habe, welche als Ansatz für das weitere Vorgehen an ihrer Berufs- und Wohnsituation sehr wertvoll seien. Dies fände sie toll. Die PSA bedankt sich bei der Klientin für das gute Gespräch und für ihre Offenheit. Auf Wunsch erhält die Klientin einen weiteren Termin bei der PSA und erwähnt beim Verabschieden, dass sie nun froh darüber sei, dass das Gespräch so gut gelaufen sei. Sie habe nämlich Angst vor der PSA gehabt und gedacht, dass diese ihr auch nur wieder sagen würde, was sie tun müsse.
Reflection in Action
- Emotion Klient/in:
Vertrauen, Erleichterung, Hoffnung, dass hier jemand ist, der mich stärkt; bis jetzt haben immer alle gesagt, was ich machen muss. Jetzt ist jemand hier, der mir hoffentlich hilft, mich auf meinen Weg, den ich gehen möchte, zu unterstützen. Klient fühlt sich aufgehoben, verstanden. - Emotion Professionelle/r:
Freut sich über gute Wendung und über die Rückmeldung der Klientin. - Kognition Professionelle/r:
Möglichst alles offen halten. Die Vorstellungen nicht bewerten und über Umsetzbarkeit diskutieren, nicht auf Unrealistisches oder Unrealisierbarkeit hinweisen, sondern Bewertung hinten an stellen
5.1 Erklärungswissen – Warum handeln die Personen in der Situation so?
5.2 Interventionswissen – Wie kann ich als professionelle Fachperson handeln?
5.3 Erfahrungswissen – Woran erinnere ich mich, was kenne ich aus ähnlichen Situationen?
5.4 Organisations- und Kontextwissen – Welche Rahmenbedingungen beeinflussen mein Handeln?
5.5 Fähigkeiten – Was muss ich als professionelle Fachperson können?
5.6 Organisationale, infrastrukturelle, zeitliche, materielle Voraussetzungen – Womit kann ich handeln?
5.7 Wertewissen – Woraufhin richte ich mein Handeln aus? Welches sind die zentralen Werte in dieser Situation, die ich als handelnde Fachperson berücksichtigen will?
- Keine Bewertung und Vorverurteilung der Pläne und Ideen der K (humanistisches Menschenbild)
- Konzentration auf Ressourcen und nicht auf Defizite
- Zusammenarbeit gründet auf Vertrauen, Achtung (Ernst nehmen), Verständnis (Berufsethik)
- Würdigung und Wertschätzung der bisherige Leistungen der K
- Professionelle der Sozialen Arbeit wissen um den speziellen Rahmen des Pflicht-/Zwangskontextes und sind methodisch fähig, Klient*innen mit einer unvoreingenommenen, wertschätzenden und ressourcenorientierten Haltung zu begegnen, eine Auftragsklärung vorzunehmen sowie Räume für Selbstbestimmung und Autonomie innerhalb des Zwangskontextes aufzuzeigen
- PSA sind in der Lage, der Klientel in verständlicher Sprache, inhaltlich klar (Sachebene) und auf der Beziehungsebene zugewandt die Konsequenzen bei Nichteinhalten der autoritativ definierten Rahmenbedingungen aufzuzeigen
- Professionelle der Sozialen Arbeit sorgen dafür, dass die Klient*innen darüber informiert sind, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit der Pflicht-/Zwangskontext nicht mehr erforderlich ist. In Zusammenarbeit mit der Klientel vereinbaren sie wiederkehrende Anlässe zur Überprüfung, inwiefern diese Voraussetzungen erfüllt sind und der Pflicht-/Zwangskontext seine Sinnhaftigkeit verloren hat
- Die Klientel erhält unter Berücksichtigung des Pflicht-/Zwangskontextes soviel Mitgestaltungsmöglichkeiten wie möglich und kann seine/ihre Wünsche und Bedürfnisse in die Prozessgestaltung einbringen
- Professionelle der Sozialen Arbeit sind methodisch fähig, den Prozess so zu gestalten, dass sich der Handlungsspielraum der Klientel erweitert und Selbstwirksamkeit, Autonomie und Selbstständigkeit gefördert werden
- Professionelle der Sozialen Arbeit verbünden sich mit den Ressourcen der Klientel, stärken diese bewusst und respektieren Autonomie und Selbstbestimmungsmöglichkeit der Klientel innerhalb des Pflicht-/Zwangskontextes
- Professionelle der Sozialen Arbeit verstehen Widerstand bzw. offen-aggressive und passive Formen des Widerstands als eine Form von Kooperation und Beziehungsangebot und nutzen diese aktiv für die Prozessgestaltung
PSA teilt und verbalisiert das emotionale Erleben von K
In den ersten drei Sequenzen dominiert der klinische Kontext das Beratungsgespräch. Die Klientin wird vorwiegend mit anamnetischen Fragen konfrontiert, die ihr auch aus dem Kontext der IV-Abklärungen vertraut gewesen sein dürften. Hieraus dürfte sich auch ihre stark zurückhaltende bis ablehndene Haltung der PSA gegenüber erklären. Erst als PSA sich im interrogativen Kreisen so allmählich den Kerninteressen (Beziehung, Berufswunsch) nähert, wird K für die PSA emotional erlebar. Dadurch bekommt PSA einen unerwarteten Ansatzpuntk, als sie sich im überraschten Ausruft am Ende der vierten Sequenz zur Verbündeten von K macht. K öffnet sich abrupt und PSA fokussiert von da an das emotionale Erlebewn von K.
Zwischen PSA und K entsteht eine positive therapeutische Allianz
Erste Anzeichen, die für die positive therapeutische Allianz von grosser Wichtigkeit sind, entstehen erst, nachdem sich K und PSA auf der emotionalen Ebene begegnen. K erlebt PSA bei ihrem Ausruf am Ende der vierten Sequenz als authentisch und fasst Vertrauen zu ihr. Erst auf dieser Basis kann eine Allianz entstehen. Wenn in der Schlüsselsituation, im engeren Sinne verstanden, noch keine Allianz im Sinne von Beratungszielen entsteht, so dürfte mindestens anzunehmen sein, dass aufgrund des entstandenen, ersten Vertrauens in einem der Folgegespräche die Allianz wird entstehen können. Auch das K von sich aus um einen nächsten Beratungstermin bittet, verstärkt diese Annahme.
PSA fokussiert sich auf die Ressourcen von K
Die Beratung von K im Zwangskontext der Institution und der daraus resultierenden emotionale Verschlossenheit von K, ist eine schwere Ausgangslage für eine ressourcenorientierte Arbeit, die von K entsprechend angenommen werden kann. Hinzu kommt der erschwerende Umstand einer Erstberatung. Die PSA verfügt zwar über intrainstitutionelles Grundwissen über K, muss aber aufgrund der ablehendenen Haltung von K wie im Dunkeln tappen und sich schrittweise an sie herantasten.
Die Ressourcenorientierung der PSA tritt am deutlichsten im Dank für das gute und offene Gespräch in der sechsten Sequenz zu Tage. Insbesondere die Bezeichnung “offenes Gespräch” düfte K implizit deutlich machen, dass die PSA es sehr geschätzt hat, dass K ihr gegenüber Vertrauen gefasst hat. Vertrauen in die beratende Person ist eine fundamentale, wenn nicht gar die wichtigste Ressource für eine hilfreiche Beratung. Denn aus diesem Vertrauen gewinnt K zunehmend auch wieder Vertrauen in ihre eigene Wahrnehmung und Persönlichkeit.
Im Beratungsverlauf nimmt die Veränderungsmotivation von K zu
Die Veränderungsmotivaton von K nimmt durch das verbalisierte, vertehende Einfühlen von PSA am Ende von Kapitel vier stetig zu. Ihre Selbstexploration beginnt, die durch das empathische Mitgehen von der PSA weiter verstärkt wird. Aus der Tatsache, dass K am Ende der Beratung selbständig um einen erneuten Termin bittet, darf geschlossen werden, dass dies in diektem Zusammenhang mit einer zunehmenden Veränderungsmotation von K zu tun hat.
PSA drückt K gegenüber ihre unvoreingenommene Wertschätzung aus
Eine grundsätzlich wertschätzende Haltung kommt bereits in der zweiten Sequenz zum Ausdruck, als die PSA die K die Wahl über das Vorgehen überlässt. Denn genau dies dürfte in der Vergangenheit von K relativ selten oder gar nicht der Fall gewesen sein (Berufswahl). In Sequenz fünf erscheint die Selbsexploration der Klientin am stärksten und es ist anzunehmen, dass sie darin von der PSA weder unterbrochen noch in ihren Ausführugen bewertet worden ist. Ansonsten wäre die Selbstexploration vermutlich abgebrochen. Wenn es in der Beratung grundsätzlich gelingt, einen wertfreien und wertschätzenden Raum zu schaffen, dann entsteht dadurch die Grundlage für Veränderung.
In Kapitel sechs verbalisiert PSA ihre Wertschätzung am deutlichsten. Sie würdigt die guten Ideen und Überlegungen von K für ihre berufliche wie private Zukunft. Dies aus dem Mund einer Professionellen zu hören, dürfte für K eine starke Wirkung erzeugt haben, da sie selbst berichtete, wie ihr im bisherigen Verlauf bevormundend ein Beruf aufgedrängt wurde. Vermutlich wurde sie in ihren Zukunftswünschen noch nie wirklich ernstgenommen.
Statt den Fragekatalog der Institution durchzugehen – was den Vorgaben der Klinik entspricht – wäre es in diesem Fall hilfreicher gewesen, von Beginn weg mehr offene Fragen stellen. Die PSA hat, wie in der zweiten Sequenz beschrieben, der Klientin die Möglichkeit geboten, frei von sich zu erzählen, was diese jedoch ablehnte. Die Art der Fragestellung (offen oder geschlossen) ist für den Verlauf eines Gesprächs ein wichtiges Gestaltungselement. Offene Fragen können nicht einfach durch “Ja” oder “Nein” beantwortet werden und haben einen geringeren Suggestivcharakter, als geschlossene Fragen.
- Grawe, Klaus Psychologische Therapie. Hogrefe, Göttingen 1998; 2., korrigierte Auflage 2000.
- Klug W, & Zobrist, P., Motivierte Klienten trozt Zwangskontext. 2013.
- Roth, G. (2015). Wie das Gehirn die Seele formt. Frankfurter Allgemeine vom 11. August 2015.
- Schnell, T. Moderne Kognitive Verhaltenstherapie bei schweren psychischen Störungen; Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
- Storch, M. & Tschacher, W., Embodied Communication, 2014.