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Positive Erfahrung ermöglichen / Rollendiffusion zwischen sozialpädagogischer Unterstützung und Klassenassistenz
- Die Situation kann zum Motivationsaufbau für zu erreichende Ziele im professionellen Kontakt genutzt werden.
- Die Situation kann den Boden für anstehende Veränderungen bieten.
- Die PSA ermöglicht der Klientel Vertrauen in professionelle Beziehungen und/oder in eigene Fähigkeiten zu fassen, indem auf einer oder beiden Ebenen für kleine positive Erfahrungen gesorgt wird.
- Es bietet sich die Möglichkeit Fähigkeiten der Klient*innen zu nutzen.
- Die Situation ist geeignet eine Gegenerfahrung zu alten, negativen Prägungen und Beziehungserfahrungen zu ermöglichen
- Klient kann die Unterstützung der PSA noch nicht annehmen und glaubt nicht daran, selbst etwas an der Situation ändern zu können
- PSA bewegt sich im Spannungsfeld Beobachten und Intervenieren, um negativen Erfahrungen des Klienten vorzubeugen
- Der Klient zeigt festgefahrene Verhaltensweisen/Handlungsmuster in Konfliktsituationen
- PSA bewegt sich im Spannungsfeld zwischen «geforderter Hilfe» und «Unterstützung anbieten»
Kontext
Die PSA arbeitet seit 1 Jahr an einer
Sekundarschule in einer Regelklasse des Niveau A (3.Klasse) als sozialpädagogische Unterstützung. Die Klasse umfasst 14 Schüler und Schülerinnen (SuS). Alle Lernende bekommen spezielle Förderung, die Fachlehrer fühlen sich oft überfordert mit den Auffälligkeiten der Lernenden, denn jede*r bringt den eigenen gefüllten «Rucksack» schon mit. Aus diesem Grund hat der Kanton diese Stelle bewilligt, mit dem Hintergrund, dass die PSA zu 50% in dieser Klasse wirkt. Aufgabe der PSA ist es, die Lernenden zu begleiten in ihren alltäglichen Abläufen wie Arbeitsmaterialien organisieren, Hausaufgaben und Lernkontrollen koordinieren, Konflikten vorbeugen, Sozialkompetenz fördern, Problematiken aufgreifen und als Bindeglied zwischen Lernenden und Lehrenden agieren. Die PSA befindet sich zu jeder Zeit zwischen den SuS im Klassenzimmer und hat eher eine beobachtende und beschwichtigende Rolle. Keinesfalls einen Lehrauftrag oder Fachverantwortung. PSA sieht es als ihre Aufgabe, zu erkennen, wann die Lernenden Schwierigkeiten haben, sich selbst zu regulieren und ist dann unterstützend und lösungsorientiert zur Stelle. So ist es möglich, dass begleitete Spaziergänge oder Einzelgespräche zwischen PSA und Lernenden vorkommen. Auch in fachlichen Fragen zum Unterricht unterstützt die PSA oder leitet sogar selbst einzelne Sequenzen. Die PSA begleitet die gesamte Klasse täglich in allen Fächern von 7.40 Uhr bis 12.00 Uhr und an 2 Nachmittagen von 13.45 bis 15.15 Uhr bzw. über den Mittag beim Hauswirtschaftsunterricht ab 12.00 Uhr.
Die Lehrperson hat am wenigsten Mühe mit der Diversität der Klasse und sieht das Gesamtgefüge als händelbar. Sie wird jedoch oft laut und teilweise auch beleidigend.
Die Lehrperson wird in 1,5 Jahren pensioniert und möchte ihre Methoden nicht mehr ändern. Sie selbst hat der PSA gesagt, sie will nichts mehr investieren, ist aber um jede Hilfe in der Klasse froh.
Ausgangslage
Der Schüler xy zeigt auffälliges Verhalten, ist 15 Jahre alt und hat einen Migrationshintergrund.
Er hat eine ältere Schwester und eine engagierte Mama, welche ihn auf seinem Weg begleitet und an seiner Seite steht, die Eltern sind getrenntlebend.
Der Schüler hat bereits Fachwissen unter Beweis gestellt und hat eine besondere Stärke im mathematischen Kontext. Er kennt diese Stärke, weiss aber auch seine Schwächen. Diese möchte er jedoch nicht hören.
Sein Verhalten im Unterricht ist oftmals schwierig zu handhaben, wenn er in der grossen Gruppe ist. Er äussert sich regelmässig lautstark und selten themenbezogen. So ist es nicht selten, dass beleidigende und herablassende Worte durch das Klassenzimmer fliegen. Vulgäre Sprache ist bei ihm sehr deutlich. Es kommt auch vor, dass durch sein Verhalten ausgelöste Kettenreaktionen innerhalb der Klasse dazu führen, dass kein Unterricht stattfinden kann. Die anschliessenden Diskussionen lassen die Situation oft eskalieren.
Die PSA ist physisch oft beim Schüler und versucht ihn durch sanfte Inputs wie Anwesenheit, leisen Zuspruch oder Platznehmen neben dem Schüler in seiner Redeführung zu leiten. Die PSA agiert angemessen ohne Fach- oder Klassenlehrperson bloss zu stellen.
Der Schüler ist laut, gibt zu allem einen Kommentar ab, meist abweichend und unpassend zum Unterrichtsinhalt. Er beleidigt Mitschüler, wenn diese sich äussern.
Die PSA führte schon separate Gespräche mit dem Schüler und kennt einige Beweggründe seines Verhaltens. Er glaubt, die Lehrerin hat ihn auf dem «Kieker» und er fühlt sich vom Unterricht gelangweilt.
Die unten folgende Situation spielt sich wiederkehrend ab – trotz Unterbrechung und Aufforderung, sich an der frischen Luft zu beruhigen, verändert sich das Verhalten und die Dynamik im Klassenzimmer nicht. Es überträgt sich auch auf die anschliessenden Stunden, da die Lehrperson an diesem Tag alle Fächer in ihrer Klasse unterrichtet. Die PSA geht mit der Lehrperson ins Gespräch und versucht diese Unterrichtssequenz zu reflektieren. Zurück bleibt jedoch ein ohnmächtiges Gefühl.
Situationsbeschreibung
Die Lehrperson verteil einen Arbeitsauftrag in Papierform. Die PSA sieht dem Schüler an, wie demotiviert er ist. Offensichtlich entspricht die Aufgabe nicht seinen Ansprüchen und seinem Interesse. Seine Sitzhaltung verändert sich merklich, er dreht sich auf dem Stuhl hin und her und sucht Blickkontakt zu anderen Mitschülern. Sobald sich Augenpaare treffen, kommt vom Schüler sofort ein herablassender Kommentar zum Auftrag. «Das ist langweilig», «was soll die Scheisse», «wozu brauche ich das überhaupt» «ich verstehe sowieso nichts» «das Thema ist so behindert.
Der Schüler ist abgelenkt und führt den Auftrag nicht aus. Die PSA geht zum Schüler und versucht ihn durch Zuspruch und Nachfragen der Problematik zum Arbeiten zu bewegen.
Der Schüler versucht es witzig zu meinen und ist doch sehr wertend, auch diskriminierend und beleidigend. Seine Worte kommen in Form von Zwischenrufen und animieren den Rest der schnell ablenkbaren Klasse ebenfalls zu Kommentaren oder einem Echo. Dann wird er persönlich und seine Beleidigungen und Bewertungen sind direkt an einzelne Schüler gerichtet. Die emotionale Welle in der Klasse ist schwer auszuhalten. Die Klassenlehrperson erhebt die Stimme, weist ihn zurecht.
Der Schüler senkt den Kopf, nuschelt in sich hinein «was ist denn?», «was habe ich jetzt gemacht?» «die anderen waren ja auch laut» «wieso schreien sie mich so an?» erfüllt den Auftrag jedoch nicht. Stattdessen bemalt er seine Hefte und Bücher, bekritzelt den Schultisch, kratzt mit der Schere am Holz des Stuhles und zerschneidet seinen Radiergummi. Er beginnt mit dem Stuhl zu kippeln und schmeisst die Radiergummikrümel durch die Klasse. Es kommen wieder Äusserungen, die nichts mit dem Arbeitsauftrag zu tun haben. Die Lehrperson atmet tief, scheint entnervt und ermahnt ihn abermals zur Ruhe. Es gibt einen verbalen Schlagabtausch zwischen Schüler und Lehrperson, die Stimmen werden lauter und die Situation scheint zu eskalieren. Die PSA fühlt sich betroffen und fremdschämend. Die Lehrerin schreit! Für kurze Zeit ist der Schüler eingeschüchtert und ruhig. Es geht jedoch nur kurze Zeit und es folgen wieder unangemessene Kommentare des Schülers.
Die Lehrperson schickt ihn raus, damit er eine Runde an der frischen Luft über den Schulhof laufen kann.
4.1 Erste Sequenz
Die Lehrperson verteil einen Arbeitsauftrag in Papierform. Die PSA sieht dem Schüler an, wie demotiviert er ist. Offensichtlich entspricht die Aufgabe nicht seinen Ansprüchen und seinem Interesse. Seine Sitzhaltung verändert sich merklich, er dreht sich auf dem Stuhl hin und her und sucht Blickkontakt zu anderen Mitschülern. Sobald sich Augenpaare treffen, kommt vom Schüler sofort ein herablassender Kommentar zum Auftrag. «Das ist langweilig», «was soll die Scheisse», «wozu brauche ich das überhaupt» «ich verstehe sowieso nichts» «das Thema ist so behindert.
Reflection in Action
Emotion Klient:
Gelangweilt da unterfordert, gestresst, hibbelig und nervös, weil das eigene Muster bekannt ist und zu viel körperliche Energie vorhanden ist, keine Lust und demotiviert aber gleichzeitig auch offen, hoffnungsvoll das doch noch ein spannender Auftrag kommen könnte
Emotion Professionelle:
Beklemmendes Gefühl der Ohnmacht da die Situation zum Wiederholten Mal auftritt, Demotivation weil PSA den Auftrag eher langweilig findet, Hilfslosigkeit und Empathie, weil PSA das Dilemma der Langenweile des Klienten in Bezug auf Auftrag sehr gut nachvollziehen kann, Angst vor Fremdschämen bei Eskalation da PSA die Verhaltensmuster der Lehrerin sowie des Klienten kennt.
Emotion Lehrerin:
Leichte Anspannung, was für ein Schultag sie wohl heute erwarten wird, Demotivation, da die Luft raus ist und auf die nahende Pensionierung gewartet wird.
Emotion Klasse:
Unangenehm/ hilflos, weil die Situation so schwer einschätzbar ist. Fremdschämend, da das Verhalten sehr grenzüberschreitend war, lustig und gleichzeitig nervend (Ungleichgewicht), wie neben einer Zeitbombe sitzend, aufregend und kein Fokus möglich, da ständig fragend: “Was passiert wohl jetzt?”
Kognition Professionelle/r:
Rotation der Gedanken im Kopf «Wie könnte ich reagieren», Überlegen wie kann ich intervenieren, auch in Bezug auf Spagat zwischen Lehrperson und Schüler, Ich kann den Schüler verstehen, schon wieder das Gleiche, kommt es wohl gut raus, wenn die Lehrperson schon wieder so einen langweiligen Auftrag erteilt?
4.2 Zweite Sequenz
Der Schüler ist abgelenkt und führt den Auftrag nicht aus. Die PSA geht zum Schüler und versucht ihn durch Zuspruch und Nachfragen der Problematik zum Arbeiten zu bewegen.
Der Schüler versucht es witzig zu meinen und ist doch sehr wertend, auch diskriminierend und beleidigend. Seine Worte kommen in Form von Zwischenrufen und animieren den Rest der schnell ablenkbaren Klasse ebenfalls zu Kommentaren oder einem Echo. Dann wird er persönlich und seine Beleidigungen und Bewertungen sind direkt an einzelne Schüler gerichtet. Die emotionale Welle in der Klasse ist schwer auszuhalten. Die Klassenlehrperson erhebt die Stimme, weist ihn zurecht.
Reflection in Action
Emotion Klient:
Leichte Wut, weil enttäuscht über gleichen Auftrag wie schon vor Kurzem, Unsicherheit mit mir selber da der Auftrag einfach nicht passt, gleichzeitig fehlt der Mut es der Lehrperson zu sagen, Unverschämtheit habe eh nichts zu verlieren, weil das Gefühl von “Stempel” schon da, genervt weil die Klasse nicht so stark reagiert hat wie gewünscht, lustig weil ich weiss das meine Aktion eine Reaktion der ganzen Klasse mit sich zieht, Schadenfreude der “Party Crasher” zu sein.
Emotion Professionelle:
Hilflosigkeit da sehr viel Verständnis für die Situation und keine Ahnung wie der Lehrperson gegenübertreten.
Emotion Lehrerin:
abgelöscht, verlässt sich auf die PSA
Emotion Klasse:
Lustig, «Hoffentlich weisst sie mich nicht zurecht, macht sie eh nicht», Sicherheit
Kognition Professionelle/r:
Hoffentlich eskaliert es nicht, Gedankenkreise und Fragen (Soll ich intervenieren? Was kann ich machen? Wie kann ich intervenieren?), Verständnis für Schüler ist gross da gewisse Gemeinsamkeiten zu Thematiken des eigenen Sohnes aufkommen.
4.3 dritte Sequenz
Der Schüler senkt den Kopf, nuschelt in sich hinein «was ist denn?», «was habe ich jetzt gemacht?», «die anderen waren ja auch laut» «wieso schreien sie mich so an?» erfüllt den Auftrag jedoch nicht. Stattdessen bemalt er seine Hefte und Bücher, bekritzelt den Schultisch, kratzt mit der Schere am Holz des Stuhles und zerschneidet seinen Radiergummi. Er beginnt mit dem Stuhl zu kippeln und schmeisst die Radiergummikrümel durch die Klasse. Es kommen wieder Äusserungen, die nichts mit dem Arbeitsauftrag zu tun haben.
Reflection in Action
Emotion Klient:
Unsicherheit, weil ich meine Meinung ausdrücke, weiss aber, dass ich nicht sollte. Unruhe und genervt, weil es sich aussen stärker anfühlt als es Innen wirklich ist und schon wieder ich zurechtgewiesen werde, gleichgültig weil ich mich abgeschrieben fühle
Emotion Professionelle:
Selbstzweifel, weil ich mich hinterfrage, ob ich solchen Situationen gewachsen bin, Gefühl der Deplatzierung, weil ich emotional auf der Seite des Klienten bin uns das Gefühl habe ich sollte mehr bei der Lehrperson sein, Schamgefühl weil zwischen zwei Stühlen.
Emotion Lehrerin:
—
Emotion Klasse:
Ambivalent, weil einerseits witzig, weil die Art und Weise eher frech und andererseits doch wahrheitsgemäss ist. Zurückhaltung, weil ich selbst würde mich nicht getrauen
Kognition Professionelle/r:
Viele Fragestellungen: Wieso macht er das? Einbezug der systemischen Kreise in die gedankliche Fallanalyse / Reflexion / Rolle, dann entsteht die grosse Ohnmacht
4.4 vierte Sequenz
Die Lehrperson atmet tief, scheint entnervt und ermahnt ihn abermals zur Ruhe. Es gibt einen verbalen Schlagabtausch zwischen Schüler und Lehrperson, die Stimmen werden lauter und die Situation scheint zu eskalieren. Die PSA fühlt sich betroffen und fremdschämend. Die Lehrerin schreit! Für kurze Zeit ist der Schüler eingeschüchtert und ruhig. Es geht jedoch nur kurze Zeit und es folgen wieder unangemessene Kommentare des Schülers.
Die Lehrperson schickt ihn raus, damit er eine Runde an der frischen Luft über den Schulhof laufen kann.
Reflection in Action
Emotion Klient:
Wut, Enttäuschung gegenüber der Lehrerin, weil das Gefühl überwiegt, dass sie immer nur das schlechte sieht. Was ich gut kann, sieht sie nicht. Erleichterung und Erlösung beim Verlassen des Zimmers, weil nun aus der Situation befreit, verletzt und angegriffen, weil Lehrerin beleidigend wurde. genervt, traurig und wütend, weil sich allein gelassen fühlt.
Emotion Professionelle:
Scham Traurigkeit und Zerrissenheit, weil ich gerne unterstützen möchte und nicht weiss wie, schockiert weil Lehrerin verbal so entgleist, Überforderung weil das Gefühl entsteht, dass Lehrerin gerne Zuspruch für ihr Handeln hätte und ich ihn nicht geben kann und will, Fremdschämend weil ich es gern anders gemacht hätte.
Emotion Lehrerin:
Energielosigkeit, Erschöpfung und keine Nerven mehr infolge der anstrengenden Klasse, Gleichgültigkeit weil emotional vor allem dem Klienten aber auch der Klasse gegenüber schon abgestumpft.
Emotion Klasse:
grosse Spannung, was kommt als nächstes? peinlich, weil froh, bin ich es nicht, genervt vom Störfaktor, habe aber auch keine Lust zu arbeiten,
Kognition Professionelle/r:
Situation am liebsten «wegradieren», Deplatzierung weil ich mich wie ein Fremdköper zwischen den zwei Fronten fühle, Was mache ich jetzt, bleibe ich in der Klasse oder gehe ich zum Schüler? Was ist meine Position in der Situation? Bitte lass es schnell vorbei sein. Ich fühle mich ein wenig wie eine Verräterin gegenüber der Lehrerin.
5.1 Erklärungswissen
Warum äussert der Klient seine wahren Bedürfnisse nicht?
Wieso sucht der Schüler die Aufmerksamkeit der Mitschüler?
Rangdynamik-Modell (Schindler, 2016): Dieses Modell von R. Schindler beruht auf einem psychodynamischen Grundgedanken. Es geht um die Dynamik in Gruppen. Diese Dynamik kann täglich ändern. Alle auf Kurs nur einer schert aus. Warum sollen wir A machen, wenn B doch viel sinnvoller ist? Wieso rechts fahren, wenn links auch geht? Weshalb lachen, wenn es doch zum Weinen ist. Gruppen sind seltsame Gebilde. Sie sind mehr als nur eine Ansammlung von Persönlichkeiten.
Das Rangdynamikmodell ist ein Positionsmodell, nach welchem die Positionen in Gruppen durch dynamische Prozesse vergeben werden. Es geht also nicht um Rollen, die jemand einnimmt. Auch die Persönlichkeit des Individuums spielt oft nur eine untergeordnete Rolle.
Das Modell erklärt die Interaktion von Gruppenmitgliedern ab drei Personen in verschiedensten Umfeldern. Dabei geht es um die oft auch unbewusste Verteilung der Positionen der Macht, des Einflusses und der Führung. Die Alpha-Position übernimmt die Führung und bestimmt somit die Richtung. Die Gamma-Position, welche oft durch die Mehrheit repräsentiert wird, teilt die vorgegebene Richtung und identifiziert sich mit den vorgegebenen Zielen. Die Omega-Position stellt das Gegenteil der Alpha-Position dar. Durch die kritische Hinterfragung der Zielerreichung in Bezug auf mögliche Risiken- und Gefahren steht es oft als Gegenpol zur Alphaposition. Die Omega-Position kann auch positiv für die Gruppe sein. Diese Position zeigt Ungleichgewicht, Missstände und kritische Gedanken auf. Und ein Omega kann auch zu Alpha werden, wenn die Gruppenmitglieder dies zulassen. Daher wird diese Position oft als Störfaktor oder Sündenbock empfunden. Die Beta-Position nimmt eine neutrale Rolle bzw. er dient dem Alpha als Experte…ein und muss nicht zwingend vorhanden sein. Mit emotionaler Zurückhaltung werden hier sporadisch sachliche Hinweise gegeben. Durch die Interaktion dieser Positionen in der Gruppe entsteht eine Gruppendynamik. Gemeinsames Ziel könnte eine angenehme Unterrichtsstunde, respektvoller Umgang oder eine messbare Leistung sein.
Die Klassenlehrperson ist gemäss ihrer Funktion in der Alpha-Position und die Klasse in der Gamma-Position. Während der Schüler durch seine Bemerkungen und Widerstände in der Auftragserfüllung in der Gruppendynamik die Omega-Position einzunehmen scheint, was die Eskalation der Situation erklären kann. Die Omega-Position kann auch positiv für die Gruppe sein. Diese Position zeigt Ungleichgewicht, Missstände und kritische Gedanken auf. Der Schüler findet den Unterricht nicht angemessen. Möglicherweise schlummern in ihm gute Ideen für einen gelingenden Unterricht. Es fällt ihm schwer die Omega-Position zu halten, da er ohne Zuspruch der Klasse da und allein steht. Das Machtverhältnis in der Schule ist hierarchisch, die Klassenlehrperson nimmt als Erwachsene per se eine nicht anzutastende Alpha Position ein. Der Schüler zeigt mit seinen Aussagen, dass er die Verantwortung der Klasse übernimmt, was seine Omega Position bestärkt und zudem die Klassenlehrperson dazu bringt, mit Schreien ihre Position als Alpha zu verteidigen – denn es wäre undenkbar, wenn ein Schüler zur leitenden Kraft in einem Unterricht würde. (“Ich säg wenigstens öpis!”).
Omega ist eine Art „Problemwolf“ (Klient), der ins Rudel (Klasse) integriert sein kann, aber auch manchmal weggebissen wird. Wir können verstehen, dass jedes Gewicht ein Gegengewicht braucht – so ist es auch mit dem Alpha und Omega. Die Positionen Schindlers können somit unabhängig von der formellen Macht bestehen, die jemand hat – dann hat ein Leiter zwar den Titel (Lehrerin),
geführt wird die Gruppe aber von jemanden, der die informelle Macht besitzt (Schüler). Es ist die Person, in deren Richtung alle Blicke schweifen, wenn es um Entscheidungen geht oder deren Meinung die anderen folgen. Eigentlich zwei Alpha-Positionen. Die Bewusstheit über Alpha- und Omega-Positionen könnte da positiv auf das Zusammenspiel wirken: Wenn beispielsweise die Lehrerin sich mit dem Ziel “Produktive Schulstunde/spannender Unterricht” verbindet und der Schüler mit dem Ziel “Klassenkamerad*innen motivieren/selbstständiges Arbeiten/gute Dynamik” entstehen hier Spannungen, die reflektiert einen Nutzen darstellen können. Gleichheit ist ein Mythos. Es ist aber in gut entwickelten selbst organisierten Klassen wahrscheinlicher, dass die Positionen öfter wechseln und sie bewusst reflektiert werden – vor allem, wenn dies von der Führung aktiv unterstützt wird. Omega (Schüler) ist der Gegenspieler, der Alpha werden kann – oder von diesem gezähmt in seiner Position gehalten wird. Manchmal wird Omega auch zum Sündenbock oder auch Bauernopfer, wenn er aus der Klasse gedrängt wird. Omega verkörpert auch die Antithese, die die Klasse verfolgt (Gerechtigkeit, Akzeptant, ernst genommen werden…Augenhöhe…spannender Unterricht) Wenn dieses beispielsweise harmonisch zusammenarbeitet, könnte Omega den Streit suchen.
Das Omega ist Gegenspieler und tritt auf als Kontrapunkt zur These der Gruppe. Es ist Kritiker, Nörgler, Querdenker, manchmal Querschläger bezogen auf das “G” also das Ziel. Das Omega erkennt früh, was in der Gruppe fehlt oder nicht funktioniert – was die Klasse nicht immer goutiert. Da es einen eigenen Standpunkt einnimmt und vertritt — also macht-voll ist, kann es auch Alpha werden. Kluge Alphas integrieren es und räumen ihm beispielsweise eine Sonderrolle ein. (wäre eine mögliche Lösung) Der Lehrperson fällt es schwer sich von ihren eingefahrenen Mustern zu trennen. Sie nimmt die Position als resigniertes Alpha ein und schafft es nicht die Einwände, Forderungen und Deutungen von Omega (Schüler) anzunehmen und zu integrieren. Somit verfehlt sie das gemeinsame Ziel der Klasse (Beta). Deshalb ist die Dynamik gestört/gekränkt. Die Lehrerin nimmt die Kritik vom Schüler (Omega) als persönlicher Angriff wahr und stuft ihn in die Position von Beta ein (Rangverhalten). Anstatt die Kritik von Omega ernst zu nehmen und diese für ihre persönliche Weiterentwicklung zu nutzen, verteidigt sie vehement ihre Position. Somit verliert/verfehlt Alpha die positive Führung und das gemeinsame Ziel der Klasse (Beta).
4-Ohren- Modell (Schulz von Thun,1981)
Auf der Beziehungsseite gebe ich zu erkennen, wie ich zum anderen, stehe und was ich von ihm halte. Diese Beziehungshinweise werden durch Formulierung, Tonfall, Mimik und Gestik vermittelt. Diese ist beidseitig gereizt. (R.i.A) Der Sender transportiert diese Hinweise implizit oder explizit. Der Empfänger fühlt sich durch die auf dem Beziehungsohr eingehenden Informationen wertgeschätzt oder abgelehnt, missachtet oder geachtet, respektiert oder gedemütigt. Bei manchen Menschen ist das auf die Beziehungsseite gerichtete Ohr überempfindlich, so dass sie in viele beziehungsneutrale Nachrichten und Handlungen eine Stellungnahme zu ihrer Person hineininterpretieren oder eine solche überbewerten. Sie beziehen alles auf sich, nehmen alles persönlich und fühlen sich leicht angegriffen und beleidigt. Ist jemand wütend, fühlen sie sich beschuldigt, wenn jemand lacht, fühlen sie sich ausgelacht: sie liegen auf der „Beziehungslauer“.
Teufelskreis (Schulz von Thun, 1981)
Sobald zwei Menschen in Kontakt treten, reagieren sie aufeinander. Es kommt zu einem Hin und Her von Äußerung und Antwort, von Aktion und Reaktion – es entsteht eine Beziehungsdynamik. Diese Dynamik kann positive oder negative Effekte zur Folge haben. Wenn zwei Personen ihre Beziehung als unproduktiv und schwierig empfinden, aber keinen Ausweg aus den Schwierigkeiten finden, kann das Teufelskreis-Modell helfen, die negative Dynamik zu erkennen, Hintergründe zu verstehen, sowie Fallstricke zu erfassen und (manchmal) zu beheben.
Warum äussert der Klient seine wahren Bedürfnisse nicht? Wie lässt sich die Resignation, Demotivation der Lehrperson erklären?
Erlernte Hilfslosigkeit nach Seligmann aus dem Jahr 1967 (Brandenburg, 2014, S. 1 – 14): In den Jahren 1965 – 1969 führten der Psychologe Martin Seligmann und sein Team Experimente an Hunden durch. Drei Hundegruppen wurden in einen Käfig gesteckt. Die erste Hundegruppe erhielt einen Stromschlag, konnte diesen jedoch durch die Betätigung eines Knopfes unterbrechen. Die zweite Hundegruppe erhielt den gleichen Stromschlag, war diesem jedoch ohne Ausweismöglichkeiten ausgeliefert. Die dritte Gruppe erhielt keinen Stromschlag. Am nächsten Tag wurden alle drei Hundegruppe nacheinander in eine Doppelbox gesteckt, in welchem auf der einen Seite ein Stromstoss zugefügt wurde. Vor dem Stromstoss erblinkte jeweils eine Warnlampe. Die Hunde konnten sich in Sicherheit bringen, in dem sie durch eine kleine Erhöhung auf die anderen Box Seite sprangen. Diejenigen Hunde, welche am Vortag durch den Knopf die Stromstösse stoppen konnten, brachten sich in kürzester Zeit in Sicherheit, erkannten den Zusammenhang zwischen der Lampe und den Stromstössen schnell und brachten sich mit der Zeit sogar in vorsorgliche Sicherheit. Die dritte Gruppe von Hunden, welche am Vortag keinen Stromstoss erhalten hatte, reagierte gleich wie die erste Gruppe. Diejenigen Hunde, die am Vortag gelernt hatten, dass sie nichts tun konnten, um die Schmerzen zu unterbinden, blieben winselnd und apathisch im Käfig liegen und die wenigen, die es schafften überzuspringen, erkannten die Zusammenhänge nicht. Diese Erfahrung, die Situation nicht durch eigenes Handeln kontrollieren zu können, nennt Seligmann die selbst erlernte Hilflosigkeit. Er ging davon aus, dass diese Erfahrungen mit der Zeit verinnerlicht werden und auf andere Situationen übertragen werden. Dadurch sinkt die Motivation zu handeln und das Lernen wird blockiert. Die damit verbundenen Gefühle sind sehr individuell und unterschiedlich, sie reichen von Tränen bis zu Wutausbrüchen. Während die einen eher apathisch sind, werten Andere die Wichtigkeit des Faches ab, um sich selbst schützen zu können. Betroffene sind der festen Überzeugung, auf sie wirkende schwierige oder unangenehme Situationen nicht mehr abwenden zu können, obwohl dies rein objektiv betrachtet, möglich wäre. Schwierigkeiten werden dann oft als dauerhaft und unveränderlich gesehen. Dies wird dann als Erklärungsansatz für die Unveränderlichkeit einer Situation gebraucht. Durch das Gefühl, einer Situation hilflos ausgeliefert zu sein, entsteht die Erwartung, auch zukünftigen ähnlichen Situationen wieder ausgeliefert zu sein und diese nicht kontrollieren zu können. Der Kontrollverlust wird dabei external attribuiert, so dass die Betroffenen als erstes wieder lernen müssen, dass sie selbst die Kontrolle über ihre Umwelt haben und Probleme selbständig bewältigt werden können, und diesen nicht nur ausgeliefert sind. Der Klient reagiert auf die wiederholte langweilige und sinnlose erhaltene Aufgabe direkt mit herablassenden Sprüchen und ist deutlich genervt. Er wird laut und auffällig. Mit seinen Kommentaren wie «es ist langweilig, was soll die Scheisse?» versucht er zumindest zu Beginn seiner deutlichen Hilflosigkeit Gehör zu verschaffen. Er schafft es jedoch nicht, seinen Wunsch nach spannenderen und vielfältigen Aufgaben gegenüber der Lehrerin oder PSA zu artikulieren und bleibt somit in der Hilfslosigkeit, welche von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich ausgedrückt wird. Der Klient zeigt seinen Unmut mittels dem Auffällig werden und sich weigern, die Aufgabe zu lösen. Seine Unverschämtheit legitimiert er mit dem «bereits erhaltenen Stempel seitens Lehrperson», was ein Hinweis für die beschriebene externale Attribution darstellt. Dies erklärt auch die Gleichgültigkeit, infolge des Gefühls bei der Lehrerin abgeschrieben zu sein. Wut, Enttäuschung gegenüber der Lehrperson machen sich breit. Das Gefühl überwiegt, dass sie immer nur das Schlechte sieht und was gut gemacht wird, gar nicht mehr wahrgenommen wird. Der Klient fühlt sich allein gelassen. Seine Motivation sinkt und das Lernen wird blockiert. Die Lehrerin scheint durch die täglichen Schwierigkeiten mit dem Schüler und der eigenen ausgehenden Kräfte, welche durch die eigene grosse Demotivation und Lustlosigkeit beschrieben wurden, ebenfalls nicht mehr an einer Verbesserung der Situation zu glauben und minimiert dadurch ihre Interventionen auf ein Minimum. Beide glauben nichts mehr an der Situation ändern zu können, obwohl dies objektiv möglich wäre. Die Schwierigkeiten werden als dauerhaft und Legitimation für die Unveränderlichkeit auch in Bezug auf zukünftige Situationen gebraucht. Durch die externale Attribution müssen beide zuerst wieder lernen, dass sie der Situationen nicht einfach ausgeliefert sind, sondern diese selbständig bewältigen können.
Warum äussert der Klient seine wahren Bedürfnisse nicht? Warum bleibt der Schüler in seiner Arbeitshaltung so ambivalent?
AD(H)S (Mackowiak/Schramm, 2016, S. 13- 22): Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, kurz ADHS, wird oft als psychische Störung beschrieben. Wenn keine Hyperaktivität auftritt, wird von ADS gesprochen. Betroffene haben Schwierigkeiten mit ihrer Aufmerksamkeit, sind hyperaktiv und haben oft Mühe, ihr Verhalten zu kontrollieren. Durch ihr Aufmerksamkeitsdefizit lassen sich die Betroffenen leicht ablenken, auch wenn sie sich sehr bemühen, sich zu konzentrieren. Sie sind immer wieder in Gedanken verloren und schweifen schnell ab. Bereits kleine Sachen können sie aus der Bahn werfen. Sie sind oft vergesslich. Die Hyperaktivität führt zusätzlich zu Schwierigkeiten konzentriert zu bleiben und ruhig da zu sitzen. Schaffen sie es ruhig zu bleiben und zuzuhören, während alle sprechen, kann sie dies auslagen. Sie haben das Gefühl, dass ihr Gehirn schnell nicht mehr in der Lage ist, mit allen Eingaben, die verarbeitet werden müssen, umzugehen. Anschliessend fühlen sie sich oft darüber verärgert, dass sie es nicht schaffen, dem Gespräch zu folgen. Um mit der Hyperaktivität zurechtzukommen, beschäftigen sie gerne ihre Hände. Die Unterlassung, Dinge zu sagen, die ihnen spontan in den Sinn kommen, oder andere zu unterbrechen gelingt trotz ihrer Bemühungen selten. Dieses impulsive Verhalten wird von anderen oft als nervig empfunden. Später wird das hitzköpfige Verhalten oft bereut, das Ausbrechen aus diesem Verhaltensmuster ist kaum möglich. Es scheint als könnten sie aus ihren Fehlern nicht lernen. Die Lehrpersonen sind oft frustriert und Schulkameraden werden ungeduldig, geben auf oder distanzieren sich. (vgl. Brügger Nadine, 2018): Die Schweizer Psychiaterin und Familientherapeutin Ursula Davatz beschäftigt sich seit vielen Jahrzehnten schwergewichtig mit dem Thema AD(H)S. Es handelt sich dabei gemäss ihrer Auffassung um keine Krankheit oder Störung, sondern um einen Neurotyp bzw. um eine Normvariante. Neurotypisch ist eine Wort Neubildung, die benutzt wird, um Menschen zu charakterisieren, deren neurologische Entwicklung und Status mit dem übereinstimmen, was die meisten Menschen als normal bezüglich der sprachlichen Fähigkeiten und Sozialkompetenzen betrachten. Dieser Begriff wurde ursprünglich in der Autismus Forschung gebraucht und wird in der Wissenschaft teils sehr kontrovers diskutiert, da es niemanden gibt, der wirklich und wahrhaft neurotypisch sei. Denn es gebe keinen Standard für das menschliche Gehirn. Trotz dem fehlenden Standard zeigen Studien neurophysiologische Unterschiede beispielsweise zwischen Menschen mit und ohne einer Autismus-Spektrums-Störungsdiagnose oder mit oder ohne AD(H)S. Die höhere Sensibilität und Verletzlichkeit dieser Kinder begünstige in der Jugendzeit oder als Erwachsene an einer psychischen Folgeerkrankung zu erleiden, welche durch Erfahrung wiederholter Ablehnung und ihr Anders Sein verstärkt werde. Forschungsresultate aus der Genetik zeigen, dass genetische Faktoren ebenfalls für diesen Neurotyp verantwortlich sind. Fast immer haben also auch die Eltern ADS oder ADHS. Früher wurde davon ausgegangen, dass sich das Verhalten auswachsen würde. Dies stimmt jedoch nicht. Wenn es gut geht, lernen die betroffenen Personen, besser damit umzugehen. Wenn nicht, entwickelt sich eine psychiatrische Krankheit. Bei 75 Prozent der Betroffenen im Erwachsenenalter wird eine psychische Krankheit, wie Zwangsstörungen, schwere Depressionen, Essstörungen, Psychosen, und andere Persönlichkeitsstörungen wie bipolare Störungen und Schizophrenie diagnostiziert. Wenn das Umfeld dieser Kinder jedoch früh verändert wird, sodass die betroffenen Kinder persönlichkeitsgerecht erzogen werden, können sie sich zu interessanten Persönlichkeiten entwickeln. Dabei lohne es sich, diese Kinder genauer zu beobachten, ihnen zuzuhören, sie ernst zu nehmen und herauszufinden, aus welchen Gründen sie sich so benehmen und immer wieder gegen die Regeln verstossen. Man kann sie nicht zum Gehorsam zwingen, man kann sie aber sehr wohl zur Kooperation ermutigen, wenn man sie selbstsicher führt. Werden sie jedoch zu eng, zu rigide, zu brachial erzogen, können sie ihre Kreativität nicht umsetzen und werden spätestens in der Pubertät keine Grenzen mehr akzeptieren. Totales Laisser-faire sei ihnen allerdings auch nicht dienlich. Regelmässigkeiten, klare und sinnvolle Strukturen und eine gleichwürdige, respektvolle Begegnung auf Augenhöhe sind hingegen hilfreich und wirksam. Die Schule sollte davon Abstand nehmen, alle gleichschalten zu wollen. Die heutzutage vorherrschende Normierungstendenz seien aus ihrer Sicht schädlich für diese Kinder. Die Lehrerpersonen sollten viel freier werden in der Gestaltung des Unterrichts und sich zum Ziel setzen, aus jedem Kind das Beste zu machen, denn ADS- und ADHS-Kinder verfügen über grosse Potenziale, die zurzeit grösstenteils verkümmern. Der Klient weist trotz fehlender offizieller Diagnose viele Merkmale eines ADHS auf. Begonnen bei seinem bereits auffälligen Verhalten direkt nach Erhalt des Aufgabenblattes. Er verändert seine Sitzhaltung und beginnt gleich mit dem Stuhl hin und her zu schaukeln, ist gleich abgelenkt und sucht immer wieder den Augenkontakt zu seinen Mitschülern. Eine Hyperaktivität wird da bereits erstmals ersichtlich. Er gibt seinen Gedanken und Gefühlen freien Lauf und spricht diese laut aus, was ein Zeichen für sein impulsives Verhalten darstellt. Die Schwierigkeiten während des Unterrichtes ruhig dazusitzen und konzentriert zu bleiben verstärken den Verdacht dieser Korrelation. Lediglich der Arbeitsauftrag bringt ihn aus der Bahn. Die Hyperaktivität wird durch das beschriebene «hibbelige», der Energieüberschuss und die Nervosität bestätigt. Er sucht in der Klasse immer wieder die Aufmerksamkeit und bei fehlender Resonanz fühlt er sich genervt. Es kommen immer wieder Äusserungen, die nichts mit dem Auftrag zu tun haben. Er beginnt mit seinen Händen das Heft zu bemalen, den Tisch zu bekritzeln, den Radiergummi zu zerschneiden und schliesslich durch das Klassenzimmer zu werfen. Dieses Verhalten ist bei ADHS-Betroffenen oft erkennbar. Der Klient fühlt sich offensichtlich allseitig hilflos ausgeliefert. Die eigenen Muster sind teils bekannt und werden so benennt. Es gelingt ihm jedoch nicht etwas daran zu ändern. Der Klient beschreibt eine starke innere Unruhe und Unmut über seine Situation und Gefühle. Das von der Klasse beschriebene Ungleichgewicht bei der Wahrnehmung des Klienten im Sinne von lustig und gleichzeitig nervend, passt zum Empfinden zahlreicher Menschen in der Begegnung mit der Thematik. Es fühle sich an, wie neben einer Zeitbombe zu sitzen, ein Fokus sei nicht möglich, da sich ständig die Frage gestellt werde, was wohl als nächstes passieren könnte. Die Situation wird allseits als anstrengend empfunden und die Klassenlehrerin sowie später die Klasse distanzieren sich vom Klienten. Das Verlassen des Klassenzimmers wird als Erleichterung und Erlösung beschrieben. Er ist wütig und enttäuscht von der Lehrerin und fühlt sich allein gelassen, auch in Bezug auf die Regulierung seiner Gefühle. In der Situation gelingt weder der Lehrperson noch der PSA eine persönlichkeitsgerechte Interaktion. Durch das fehlende genaue beobachten, zuhören, ernst nehmen gelingt es nicht herauszufinden, aus welchen ursprünglichen Gründen sich der Klient immer wieder so benimmt und auf Konfrontation geht. Die Ermutigung zur Kooperation seitens PSA gelingt trotz ihrer anfänglichen Bemühungen nicht, da die Situation ihrerseits nicht selbstsicher genug geführt wird. In der Pubertät erweist sich die Akzeptanz von Grenzen seitens ADHS-Betroffenen, durch eine strenge und fehlender Kreativität ermöglichenden Erziehung, als besonders schwierig. Die Gestaltung des Unterrichtes der Lehrperson sieht zudem keinen freien Gestaltungsraum, um dem Bedürfnis nach einem spannenden und vielseitig anderen Auftrag seitens Klienten gerecht zu werden, vor. Die gleichwürdige und respektvolle Begegnung auf Augenhöhe ist in der Zusammenarbeit nicht (mehr) gegeben, obwohl diese für die Deeskalation der beschriebenen Situation sehr hilfreich und wirksam wäre.
Wieso fühlt sich die PSA so zerrissen, blockiert und unsicher und kommt nicht in ein eindeutiges Handeln?
Konflikteskalation/ -lösung (Glasl, 2007, S. 313-347):
Glasl unterscheidet bei Konflikten zwischen «heissen» und «kalten» Konflikten. Dabei ist das Merkmal eines «heissen» Konflikts, dass die Parteien eine Begeisterung für eine Sache aufweisen und als Ziel haben, die gegenüberstehende Partei davon zu überzeugen. Somit ist es ein noch aktiver Konflikt. Der «kalte» Konflikt ist passiver. Die Parteien haben es aufgegeben, ihr Gegenüber zu überzeugen, dies kann zu Kontaktvermeidung führen oder zum Ziel, der Gegenpartei aktiv zu schaden. Für eskalierende Konflikte hat Glasl ein neun Stufenmodell erstellt, anhand dessen kann Mensch den Fortschritt eines Konfliktes und verschiedene Möglichkeiten der Intervention ablesen. Die neun Stufen werden in drei Ebenen eingeteilt, diese sagen aus, wie der Konflikt für beide Parteien ausgehen kann. Auf der ersten Ebene werden die Betroffenen mit einem «win-win» rechnen können und der Konflikt kann meist auch noch durch Selbsthilfe gelöst werden. In der zweiten Ebene wird der Konflikt mit einem «win-lose» ausgehen und es ist ein Blick und eine Hilfestellung einer Drittperson nötig. Die dritte Ebene wird als «lose-lose» enden und auch hier ist eine Hilfestellung und oftmals auch einen Entscheid einer Drittperson (oft auch Professionelle) nötig. Es werden sechs verschiedene seelische Faktoren als Ansatzpunkt zur Intervention vorgestellt: Perzeptionen, Denk- und Vorstellungsleben, Gefühlsleben, Willensleben, äusseres Verhalten, die Folgen des Verhaltens.
Perzeptionen, Denk- und Vorstellungsleben:
Die Konfliktparteien entwickeln im Verlaufe ein verzerrtes Bild und eigene Vorstellungen des Geschehens. Ihre Ansichten werden immer egozentrischer und sie kapseln sich immer mehr ab. Sie halten an Fehlinformationen fest und bekommen somit eine andere Wahrnehmung des Geschehens. Zur Intervention wird eine Drittperson beigezogen, die hilft die Auswirkungen ihrer verzerrten Wahrnehmung zu erkennen und wieder abzugleichen und zu kontrollieren.
Gefühlsleben:
Die Parteien haben beispielsweise feindselige oder diskriminierende Gefühle gegeneinander entwickelt. Sie möchten meist das Gegenüber nicht mehr überzeugen, sondern ihnen schaden. Es wird viel interpretiert und auf Fehlinformationen vertraut. Bei der Intervention ist das Ziel, sich den Gefühlen bewusst zu werden, diese äussern zu können, sich gegenseitig zu korrigieren, die Einstellung zum Gegenüber zu verändern, etc. Die Intervention kann sich als schwierig darstellen, da es zur Überforderung kommen kann. Dies beruht auf der Einschätzung der Drittperson.
Willensleben:
Die Parteien sollen sicher ihrer Absichten bewusstwerden, diese hinterfragen und allenfalls neu definieren. Wichtig ist auch, Versuche der Versöhnung des Gegenübers ernst zu nehmen. Sowie sich als versöhnungssuchende Partei nicht unterkriegen zu lassen und sich nicht als schwach zu sehen.
Äusseres Verhalten und dessen Folgen:
Das Verhalten soll wieder selbst kontrolliert werden und wieder mehr mit den eigentlichen Absichten abgeglichen werden. Auch sollen sich die Parteien den Folgen ihres Verhaltens bewusstwerden und somit alternative Folgen beeinflussen können. Dies geschieht meist durch Hilfe von aussen. Die PSA steht einerseits in einem inneren Konflikt der Zuständigkeit. Sie ist sich unsicher dessen, ob und im Wohle wessen sie reagieren oder intervenieren soll. Andererseits gibt es in dieser Situation noch weitere Konflikte. Die Lehrerin steht in einem Konflikt zu dem Klienten und die PSA steht in einem unausgesprochenen Konflikt mit der Lehrperson. In dem Konflikt zwischen der Lehrperson und dem Klienten hat die PSA eigentlich die Rolle der Drittperson, nimmt diese aber nicht ein. Nach der Beschreibung der Situation steht der Konflikt, in dem Stufenmodell von Glasl, in der Ebene zwei, wo eine Drittperson zur Intervention/Eskalation benötigt wird. Der PSA fällt es schwer diese Rolle zu erkennen, anzunehmen und in dieser zu agieren. Es zeigt, dass sich die PSA ihres Willens nicht klar ist und dass ihr aktives wie passives Verhalten Auswirkungen hat. Der unausgesprochene Konflikt zwischen LP und PSA befindet sich auf Stufe eins. Es betrifft das Willensleben. Die beiden Parteien sind sich nicht einig in ihren Absichten und Zielen.
Beziehung (Juul/Jensen, 2019):
Der Mensch ist ein Beziehungswesen. Durch eine gelungene Beziehung ist es möglich, den Menschen zu sehen und zu verstehen. Zudem stellt sie die Grundlage für Lernen und Zusammenarbeit dar. Zu einer guten Beziehung gehören, nach Juul und Jensen (Juul/Jensen, 2019, S. 171-186), Gleichwürdigkeit, Anerkennung, Empathie und Mitgefühl. Die Beziehung wird zudem nicht mit zwei Beteiligten (Erwachsene und Kind), sondern mit drei Beteiligten gesehen: der Erwachsene, die Beziehung und das Kind. Gleichwürdigkeit bedeutet, alle Menschen mit gleichem Respekt zu behandeln, als Subjekt und vollwertig anzusehen. Mit Anerkennung ist die Bereitschaft und Offenheit, die Wirklichkeit des Kindes zu verstehen und akzeptieren gemeint. Gefühle der Kinder zu sehen, zu akzeptieren und anzunehmen (nicht abwerten). Empathie und Mitgefühl ist ein Wechselspiel. Wir haben von Geburt an die Fähigkeit zur Empathie und zu Mitgefühl. Die Schwierigkeit besteht darin, die eigenen Grenzen zu kennen und diese nicht überschreiten und dennoch auch einfühlsam und interessiert zu sein und die Wahrnehmungen ernst zu nehmen. Die Beziehungen mit Kindern und Jugendlichen werden unteranderem stark vom Vorleben geprägt. Dies bezieht sich auf banale Dinge, wie den Abfall richtig zu entsorgen, aber auch auf komplexere Dinge wie die eigenen Grenzen kennen und diese zu kommunizieren. Zu jeder Beziehung gehören Konflikte. Bei Konflikten geht es im Grunde oftmals nicht darum jemandem zu sagen, was wer falsch macht oder nicht kann, sondern es geht meistens darum, (unbefriedigte) Bedürfnisse/Wünsche mitzuteilen. Wenn eine Partei diese aussprechen kann, wird einerseits vorgelebt und andererseits kann es zu Klarheit beider Parteien führen. Der Aufbau und die Erhaltung von Beziehungen in Klassen gestaltet sich meist durch Einzelgespräche. Diese müssen zeitlich nicht lange sein, trotzdem ermöglicht es mit den Menschen zu interagieren und Konflikte zeitnah und gemeinsam zu besprechen.
Die PSA hat in dieser Situation zwei bis drei wichtige Beziehungen. Die Beziehung zum Klienten, die zur Lehrerin und die zur Klasse. Ausschlaggebend wirkt die Beziehung zum Klienten, gerade im Bezug zu unserem Titel: positive Erfahrungen ermöglichen. In der konkreten Situation sind die Empathie und das Mitgefühl der PSA dem Klienten gegenüber klar zu sehen. In der ersten Sequenz sieht die PSA dem Klienten an, dass er demotiviert ist. Sie kennt ihn und seine Körpersprache und weiss daraus zu schliessen, dass die Aufgaben nicht seinen Ansprüchen entsprechen. Sie kann dem Klienten auch mehrmals nachfühlen und kann seinen Standpunkt verstehen.
Die PSA behandelt ihn gleichwürdig und mit Anerkennung, geht auf ihn zu und versucht ihn zu unterstützen durch Zuspruch und Nachfragen zur Hilfestellung. Trotzdem ist die Beziehung nicht ideal. Die PSA kann in der Situation ihrer Führungskompetenz nicht nachkommen. Während dem Schlagaustausch zwischen dem Schüler und der Lehrerin greift die PSA nicht ein. Sie hat eine beobachtende Haltung. Es gelingt ihr auch nicht ihre eigenen Grenzen und Bedürfnisse in der Situation zu äussern, welche jedoch eine vorbildliche Funktion haben würden.
Hochueli Freund, Stotz, 2021
Wichtige Kennzeichen der Sozialen Arbeit sind besondere Konstitutionsbedingungen und strukturelle Widersprüchlichkeiten. Diese werden als Strukturprobleme professionellen Handels bezeichnet.
Es kommt in der Sozialen Arbeit immer wieder zu Paradoxien, d.h. Schwierigkeiten und Dilemmata im Arbeitsablauf, welche nicht aufhebbar sind. Die Strukturmerkmale können variieren in Systematisierung und Bezeichnung. Folgende sind die Häufigsten (vgl. Hochueli Freund, Stotz, 2021: 48-50).
Diffuse Allzuständigkeit für komplexe Probleme
Von der Eingrenzung der Zuständigkeit über den Fokus der Problembehandlung bis hin zur geringen gesellschaftlichen Anerkennung
In der Regel wird einem Berufsfeld oder einer Profession eine klare Zuständigkeit zugeteilt. Dem Arzt beispielsweise, die Gesundheit des Menschen. Er kann eine einigermassen klare Aussage über die Krankheit treffen und zielgerichtet behandeln. Im Arbeitsfeld der Sozialen beschäftigen wir uns mit der Problematik in sozialen Lebenssituationen und der individuellen Alltagswelt, welche potenziell sehr komplex und oft diffus ist. Problemstellungen sind so oft nur schwer und nie eindeutig einzugrenzen. Für sämtliche Aspekte der Problemlagen der Klientel haben Professionelle der Sozialen Arbeit eine umfassende Zuständigkeit (Wohnung, Ehe, Arbeit, Erziehung, Bildung) So ist die Zuständigkeit der Sozialen Arbeit nicht klar bestimmt und wird als diffuse Allzuständigkeit für komplexe Probleme gekennzeichnet.
«Soziale Arbeit wird dann tätig, wenn andere Professionen nicht mehr oder noch nicht tätig werden können.» (vgl. Hochuli Freund, Stotz 2021: 49)
Auf der Mikroebene führt die Allzuständigkeit zu Schwierigkeiten, um den Gegenstand der Sozialen Arbeit zu definieren und in alltäglichen Interventionen die Zuständigkeit einzugrenzen.
Ein wesentliches Strukturmerkmal der Intervention selbst, so Hochueli Freund und Strotz, ist das Aushandeln der Grenzen der Intervention mit der Klientel (vgl.Hochueli Freund, Strotz 2021: 50).
Professionelle der Sozialen Arbeit müssen in der Lage sein, mit «ungewissen» Situationen (was genau der Fall ist und wo der Unterstützungsfokus liegt, sowie die Fragen wo die eigene Zuständigkeit liegt) grundsätzlichen umgehen zu können. Wesentlich für die Soziale Arbeit ist die fehlende Monopolisierung geringe Spezialisierung, systematisch unklare und wenig eingrenzbare Zuständigkeit sowie die Bewältigung von Ungewissheit. Aus diesem Strukturmerkmal (diffuse Allzuständigkeit) folgt, dass die Frage der eigenen Zuständigkeit geklärt, in jedem Fall die Thematik eingeschätzt und ausgehandelt werden muss und die Grenzen der Intervention zusammen mit dem Klient*in oder dem Klient*insystem ebenfalls gemeinsam definiert werden müssen. Professionelle Unterstützung wird oft zusammen mit anderen Fachkräften realisiert (vgl. Hochueli Freund, Strotz 2021: 51).
Doppelte Loyalitätspflicht
Professionelle der Sozialen Arbeit befinden sich in verschiedenen Spannungsfeldern wie Widersprüchliche Hilflosigkeit und dem Doppel- Trippelmandat.
Professionelle agieren auf der einen Seite im Bereich Bildung, Beratung und Begleitung und andererseits -meist gleichzeitig-im administrativ-rechtspflegerischen Bereich sozialer Kontrolle bzw. sozialpolitischer Intervention. Jedoch folgt das bürokratische Handeln einer anderen Logik und Rationalität als professionelle Beratung und Begleitung.
Es ergibt sich daraus ein handlungslogisches Dilemma, denn Sozialarbeitende sind zwei unterschiedlichen Handlungslogiken gleichzeitig unterworfen. Professionelle Sozialarbeitende sind sowohl der Gesellschaft als Auftraggeber und anwaltschaftlich der Klientel in ihrer Lebenswelt verpflichtet. Diese Loyalitätsbindung wird als widersprüchlich angesehen und gilt als konstitutives Strukturmerkmal der Sozialen Arbeit (vgl. Hochueli Freund, Stotz 2021:51-52).
Sozialarbeitende müssen demnach im Spannungsfeld der unterschiedlichen Erwartungen arbeiten und kreativ damit umgehen können, den eigenen Handlung Spielraum ausloten und Handlungsmöglichkeiten ausprobieren.
Inanspruchnahme von Hilfe könne nur auf Freiwilligkeit des Klienten basieren so Hochueli Freund und Strotz (vgl.Hochueli Freund, Strotz 2021: 53).
Als immanente Paradoxie des professionellen Handels, kann man die unaufhebbare Doppelfunktion von Hilfe und Kontrolle der organisierten Hilfe der Sozialen Arbeit sehen.
Geringe Standardisierbarkeit
Die Wirkung sozialarbeiterischer Intervention bleibt ergebnisoffen. Die unterschiedlichen Formen ‘Tätigkeit’ und ‘Handeln’ sind nur beschränkt plan- und steuerbare Prozesse der Sozialen Arbeit so Hochueli Freund und Strotz.
«Charakteristisch für diese Tätigkeitsform ist, dass der Mensch die Folgen des Handelns weder bestimmen noch kontrollieren kann.» (Hochueli Freund, Strotz 2021: 55)
Meist sind die Problemlagen der Klientel komplexe Schwierigkeiten in der Bewältigung unterschiedlicher Lebenssituationen. Sozialarbeitende sind zu einem ganzheitlichen Zugang verpflichtet und können nur vor den Hintergründen von Lebenslage, Biografie und Familien der Klientel verstehen.
So können allfällige Interventionen sinnvollerweise nur auf Basis einer Diagnose konzipiert werden. Sozialarbeitende haben jedoch keinerlei «Rezeptwissen» zur Verfügung. Daher bildet die Basis der Konzeption für fallbezogenen professionelle Unterstützung, die Notwendigkeit von wissensbasierendem Fallverstehen (vgl. Hochueli Freund, Strotz 2021:56).
Koproduktion
Koproduktion erfordert die Kooperation der Klientel. Kooperation ist eine Tätigkeit die zwischen mindestens zwei Personen abgestimmt, auf ein Ergebnis gerichtet ist.
Das Ziel kann nur gemeinsam erreicht werden und bedingt die Freiwilligkeit. Dienstleistungen kommen ohne Zutun der Klientel nicht zustande (vgl. Hochueli Freund, Strotz 2021:57).
Involviertheit der Professionellen als ganze Person
Hochueli Freund und Strotz umschreiben dies wie folgt: “…,dass personenbezogene soziale Dienstleistungen auf die ganze, untrennbare Person eines Klienten bezogen sind. Zugleich ist auch die Sozialpädagogin als ganze Person in diese Arbeitsbeziehung involviert.” Diese Beteiligung des Professionellen als ganze Person verweist noch einmal von einer anderen Seite her–darauf, dass professionelles Handeln in der Sozialen Arbeit nicht auf die Anwendung von Methoden reduziert werden kann. Vielmehr stellt der Professionelle die Einheit von Theorie und Praxis in seiner Person, in seinem Handeln und in der Interaktion mit Klienten her (vgl. u.a. Gildemeister/Robert 1997:27) und (vgl. Hochueli Freund/Strotz 2021: 60).
Der strategische und reflexive Einsatz der eignen beruflichen Persönlichkeit von professionellen der Sozialen Arbeit wird von Spiegel als ‘Werkzeug’ bezeichnet (vgl. Hochueli Freund, Strotz 2021: 61). Die eigene Persönlichkeit dient dabei als ‘Hilfsmittel’. Als Person wird in Kontakt zu der Klientel getreten, das institutionelle Angebot verkörpert und eine professionelle Beziehung gestaltet. Die Beziehungsgestaltung ist neben fachlichem Wissen, geprägt durch die eigene Persönlichkeit. Hochueli Freund und Strotz beschreiben: Sozialarbeiter müssen in der Lage sein, eine reflexive Distanz zur eigenen Biografie herzustellen (vgl. Hochueli Freund, Strotz 2021: 61).
Professionelles Handeln kann nicht auf die Anwendung von Methoden reduziert werden. Praxis und Theorie finden sich vielmehr in einer Person. Die Persönlichkeit wird zum wesentlichen Hilfsmittel. Es ist daher unabdingbar, dass Professionelle der Sozialen Arbeit sich mit ihren Emotionen und der eigenen Biografie reflexiv auseinandersetzen. Um dies zu gewährleisten, sollten Gefässe für die Selbstreflexion (Supervision) zur Verfügung stehen.
Relationierung:
Die PSA beobachtet die Situation, welche sie zu kennen scheint. In ihrer nicht eindeutigen Rolle als Klassenassistenz steht sie zwischen den Bedürfnissen des Klienten und dem Anliegen der Lehrperson. Der PSA ist zu diesem Zeitpunkt der Hintergrund des Bedürfnisses nicht klar, und sie kann in so kurzer Zeit die Zusammenhänge von den allenfalls komplexen Schwierigkeiten des Klienten in seiner Lebenswelt (Familie, Lehrperson, soziales Umfeld) nicht erfassen. Dazu bedarf es einer genaueren Bedürfnisanalyse und Zeit, welche durch die sehr schnelle Reaktion der Lehrerin nicht gegeben ist.
Ungewiss ist, welchen genauen Auftrag die PSA in dieser Situation hat. Das Strukturmerkmal Sozialer Arbeit, Diffuse Allzuständigkeit bestätigt dieses Dilemma. Die PSA begegnet dieser Ungewissheit beziehungsweise der unscharfen Auftragslage mit Ruhe und nimmt eine beobachtende Rolle ein. Während die PSA versucht zu analysieren und mit Fragen an den Klienten die Situation zu überschauen, geht die Lehrperson bereits in Konfrontation. Dies erschwert der PSA zusätzlich den Zugang zum Klienten. Während einer Konfliktsituation ist der Beziehungsaufbau nicht möglich.
Die PSA möchte dem Klienten Unterstützung bieten und ist sich der Verpflichtung dem Bildungsauftrag der Schule gegenüber bewusst. Die Zerrissenheit zeigt sich in der Loyalitätspflicht zwischen Klienten und Lehrperson. Um den Klienten zum Arbeiten zu bewegen, bedarf es seiner Freiwilligkeit zur Kooperation, welche in dieser Situation auf Grund von wiederholten, langweiligen Aufträgen nicht gegeben ist. Der Klient macht deutlich, dass er zu Diskussionen bereit ist und in die Verhandlung gehen möchte. Seitens der Lehrperson ist diese Bereitschaft jedoch nicht zu spüren. Die PSA befindet sich in einem eindeutigen Loyalitätskonflikt in der Triade Klient, Lehrperson und Involviertheit der eigenen Person. Durch das Verständnis für die Langeweile des Klienten, ergreift die PSA Partei und es entsteht ein Ungleichgewicht. Dies verstärkt den Konflikt zusätzlich und lässt keinen loyalen Blick auf die Situation zu.
Wie lässt sich die Resignation, Demotivation der Lehrperson erklären?
Selbstwirksamkeit nach Bandura aus dem Jahr 1977 (Pädagogische Hochschule Zürich, 2020): Diese Erkenntnis aus der kognitiven Psychologie geht davon aus, dass Menschen in der Regel nur dann eine Handlung beginnen, wenn die persönliche Überzeugung besteht, diese auch tatsächlich erfolgreich ausführen zu können. Das persönliche Zutrauen in die eigenen Kompetenzen und Möglichkeiten ist zentral, um selbst schwierige Aufgaben durch das eigene Handeln wirksam bewältigen zu können. Das Umfeld, der Umgang mit den Emotionen und das Verzeichnen von Erfolgserlebnissen fördern die Selbstwirksamkeit. Das Ausbleiben der Selbstwirksamkeitsüberzeugung erklärt, weshalb Herausforderungen oft nicht angenommen werden.
Die Lehrerin scheint nicht (mehr) überzeugt zu sein, das Verhalten des Schülers proaktiv und mit den eigenen Kompetenzen beeinflussen zu können und verhält sich dadurch eher passiv und erst bei fortgeschrittener Eskalation. Zudem lassen die Erfolgserlebnisse seit langem auf sich warten, was das bisherige Empfinden zusätzlich verstärkt. Diese Überzeugung zeigt sich bereits zu Beginn des Unterrichts als sie eine leichte Anspannung spürt und sich die Frage stellt, was sie wohl für ein Schultag erwarten würde. Sie benennt nach erfolgter Eskalation klar ihre Erschöpfung sowie ihre Gleichgültigkeit vor allem dem Klienten gegenüber. Die gemachten Erfahrungen und damit verbundenen negativen Emotionen sowie das Umfeld führen dazu, dass sie sich für die Deeskalation der Schulstunde auf die PSA verlässt und sie sich durch ihre fehlende Selbstwirksamkeitsüberzeugung der herausfordernden Situation nicht weiter stellt.
5.2 Interventionswissen
Wie kann die PSA intervenieren, um den Teufelskreis zu durchbrechen? (Teufelskreis Schulz-von-Thun, Konflikteskalation nach Glasl)
Handeln nach Theorie Paul Watzlawick Weiterentwicklung F. Schulz von Thun Teufelkreislauf mit vier Stationen (Menschliche Kommunikation, Formen, Störungen, Paradoxien Huber, Bern 1969, 10. Auflage 2010)
Sobald zwei Menschen in Kontakt treten, reagieren sie aufeinander. Es kommt zu einem Hin und Her von Äußerung und Antwort, von Aktion und Reaktion – es entsteht eine Beziehungsdynamik.
Diese Dynamik kann positive oder negative Effekte zur Folge haben. Wenn zwei Personen ihre Beziehung als unproduktiv und schwierig empfinden, aber keinen Ausweg aus den Schwierigkeiten finden, kann das Teufelskreis-Modell helfen, die negative Dynamik zu erkennen, Hintergründe zu verstehen, sowie Fallstricke zu erfassen und (manchmal) zu beheben.
Dabei werden vier Stationen unterschieden und sichtbar gemacht, wobei in die eckigen Kästen die äußerlich sichtbaren und wirksamen Verhaltensweisen („Äußerungen”) beider Partner eingetragen werden und in die Kreise ihre inneren Reaktionen („Innerungen”) darauf.
Typischer Weise gibt es keinen Anfang und kein Ende, und beide Personen erleben sich selbst jeweils „nur” als Reagierenden auf das Verhalten des anderen. So z.B. bei dem klassischen Beispiel von Watzlawick über das Ehepaar, bei dem sich die Frau darüber beklagt, dass der Mann so häufig abends weg geht und der Mann abends weg geht, weil er die häufigen Klagen seiner Frau nicht mehr hören mag. Der Dynamik zur Folge, schaukelt sich ein Teufelskreis immer mehr auf, so dass in einem fortgeschrittenen Zustand, bereits Kleinigkeiten ausreichen, um den Konflikt eskalieren zu lassen.
Solche Teufelskreise schleichen sich in Beziehungen ein, wie Viren in ein Computerprogramm. Sie führen darin ein Eigenleben und bemächtigen sich schließlich des ganzen Programms. Das Wissen um die Dynamik und Funktion von Teufelskreisen, sowie um die Ausstiegsmöglichkeiten ermöglicht es, solche „Viren” zu erkennen und dann zu bekämpfen.
Um einen Teufelskreis nachhaltig zu durchbrechen und die Kommunikation wieder in konstruktive Kreisbahnen zu leiten, sollte man allerdings auch für die Beweggründe des Gegenübers sich interessieren und aktiv zuhören. Diese Aktion braucht Ausdauer und Wille, etwas an der Situation zu ändern.
Relationierung
Schrauben wir das Ganze noch einmal eine Stufe zurück und beziehen uns, wie eingangs vorgesehen, auf Unterrichtsstörungen, so dürfte das Wissen um Teufelskreise einen klaren Vorteil schaffen. Wenn die PSA aus der Metaebene die streitenden Parteien beobachtet und den Fokus weg von den Äußerungen (Vierecke) und auf die Systeme (Kreise) lenkt, kann sie jeweils den anderen aufmerksam machen oder im Umgang mit den Schülern selbst immer wieder darauf achten, wie sie/andere reagiert und warum. Diese Methode sollte die Möglichkeiten schaffen, vielen Konflikten von vornherein die Schärfe zu nehmen oder sie im gemeinsamen Gespräch zu beseitigen.
Die PSA ist ihrer Organisation gegenüber loyal und ihrem Klienten gegenüber auch. Sie hält die Waagschale des Trippelmandates aufrecht, in dem sie immer wieder überprüft, was der Klient braucht, wo seine Bedürfnisse liegen, in welcher Verantwortung sie ihm gegenübersteht und welche Verantwortung sie der Schule und ihrer Lehrperson gegenüber hat. Dieser Balanceakt braucht oft Kraft und Selbstreflektion. Den Teufelskreis durchbricht sie, wenn sie ihre Beobachtungen beiden Parteien offenlegt und mit beiden Seiten Alternativen erarbeitet. Die inneren Bedürfnisse beider Parteien sind elementar für eine gelingende Zusammenarbeit. Die PSA schält behutsam die inneren Bedürfnisse beider Parteien mit intensiven Gesprächen heraus und hält diese schriftlich fest. Sie unterbreitet am runden Tisch allen Anwesenden (Lehrperson, Schüler) die inneren Bedürfnisse der jeweiligen anderen Partei. Gemeinsam deklarieren sie Grenzen, Ziele und Wünsche. Diese dienen zur Orientierung im Alltag und tragen zu empathischen Handeln bei. Den Blick auf die Inneren Kreise gerichtet, Empathie, Verständnis sowie Klarheit und Grenzen durchbrechen oftmals Teufelskreisläufe. Jeder kann bei Schwierigkeiten auf diese Orientierungen zurückgreifen und der anderen Partei ein “STOP” signalisieren. Solche Muster durchbrechen braucht Zeit, Geduld und präzise Beobachtungsgabe. Die PSA kann während der Unterrichtsstunde Beobachtungen aufschreiben und diese in einem Zeitfenster außerhalb der Stunde mit dem Schüler sowie der Lehrerin besprechen.
Wie kann die PSA mit schwer schulbaren Klientel umgehen?
Umgang mit schwer schulbaren Lernenden (vgl. Eickenbusch, 2011):Bereits die Bezeichnung «schwer schulbare Lernende» impliziert die Frage nach der Schuldverantwortlichkeit und der Notwendigkeit einer Änderung. Die Suche nach Patentrezepten oder Radikallösungen beginnt, um die ersehnte Ruhe wieder zu erlangen. Im Schulalltag, wo kaum Nachdenkpausen möglich sind und unmittelbar reagiert und gehandelt werden muss, ist eine kritische Auseinandersetzung mit solchen Gedanken kaum möglich. Der Fokus liegt dann oft auf den störenden Lernenden, denn diese werden beispielsweise im Lehrerzimmer thematisiert, sind von Disziplinierungsmassnahmen betroffen und es kommt auch immer wieder zu verbalen Auseinandersetzungen im Klassenzimmer. Doch es gibt auch Lehrpersonen, die stets diskutieren, sich nicht in die Lernende hineinversetzen können, einen starren teils einseitigen Unterricht gestalten oder ihre Machtposition ausüben, um einige Beispiele zu nennen. Wenn Lehrkräfte sowie aber auch Klassenassistenzen, die ebenfalls im Klassenzimmer sind, so denken und entsprechend handeln, werden die Probleme oft vergrössert. Es geschieht das Gegenteil des Gewünschten: Sie machen sich für genau diese verhaltensauffälligen Lernenden selbst zur «schwierigen Lehrperson / Klassenassistenz», was die Situation weiter eskalieren lässt, und die Beziehung verhärtet. Durch das Erkennen der Mitverantwortung und der Übernahme des eigenen Anteils als Lehrperson / Klassenassistenz ist das Sehen und Anerkennen des eigenen Anteils an der Problemsituation durch die Lernende vereinfacht. Denn in solchen herausfordernden Situationen handelt es sich eigentlich um «schwierige Situationen im Unterricht». Durch die Fokussierung auf die Situation und nicht auf die Person werden neue Lösungsmöglichkeiten geschaffen, welche es Lernende beispielsweise auch nicht (mehr) ermöglichen, sich durch Diagnosen oder Charaktereigenschaften für Störungen zu entschuldigen. Diese Sicht auf die Struktur öffnet den Blick, denn schwierige Situationen haben eine komplexe Struktur. Es lohnt sich die Geschichte der Situation in Bezug auf die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu betrachten, denn Konflikte passieren in Einzelschritte, welche während dem Handeln oft nicht erkannt werden. Der Einbezug des Handelns, Denkens und das Fühlen aller Beteiligten soll auch mitberücksichtigt werden. Das Kennen der Erfahrungen und Strategien erleichtert den Zugang. Eine Lösung ist nur dann möglich, wenn alle Beteiligten zumindest gesehen und ihre Sichtweisen wahrgenommen werden. Das Kennen des Sinnes oder die Funktion einer Störung hilft, zu erkennen, dass sie nicht aus Bosheit oder Langeweile geschehen. Bei Konflikten geht jede Person anders raus, als sie reingegangen ist. Es kommt oft vor, dass solche Lernende durch ihr problematisches Verhalten eine Wirkung erzielen möchten, welche anders nicht erreichbar ist. Die Wirkung ist jedoch oft kontraproduktiv und deckt sich nicht mit der ursprünglichen Absicht. Ein analytischer Tunnelblick kann durch die Beleuchtung der Situation aus verschiedenen Perspektiven verhindert werden. Das Bewusstsein darüber, dass schwierige Situationen ein wichtiges Lern- und Entwicklungsfeld sind, kann helfen als Lehrperson oder Klassenassistenz als Vorbild zu agieren. Die Wirkung präventiver Arbeit mittels des Schaffens einer guten Lernumgebung und dem Vorhandensein passender Strukturen, auf welchen in schwierigen Situationen zurückgegriffen werden kann, wird vor lauter akut Situationen im Schulbereich, oftmals unterschätzt. Unterstützende und sichere Bedingungen sind für solche Lernende zentral. Ein gutes Lernumfeld schaffen (Akademie für Lerncoaching, o. J.) Hier einige Beispiele: Die Wahl des richtigen Sitzplatzes kann die Konzentrationsfähigkeit steigern und Ablenkungen minimieren. Vor allem Menschen mit AD(H)S können sich besser in der Nähe von Lehrpersonen / Klassenassistenzen auf den Unterricht fokussieren. Durch die Nähe kann so störendes Verhalten bereits in den Anfängen unterbunden und ohne Ermahnung erfolgen. Durch das Legen des Zeigefingers auf die Aufgabe erfolgt auf eine sanfte Weise die Orientierung zurück zur Aufgabe. Sie brauchen auch viele und rasche Rückmeldungen, welche somit auch nonverbal erfolgen können. Die Beziehung wird dadurch weniger belastet und es kommt zu weniger Eskalationen. Die Zuteilung der Sitznachbarschaft durch eine Lernende die kaum oder ruhig auf Ablenkungsversuche reagiert ist zu empfehlen. Ein Einzelpult ist auch eine Möglichkeit insofern es als Hilfestellung und nicht als Strafe dient. Hyperaktive Lernende können ihren Bewegungsdrang selten unterdrücken. Sie bleiben in Bewegung, auch wenn sie dies gerne abstellen würden. Werden sie gezwungen auf ihrem Platz zu sitzen, kostet sie dies enorm viel Energie. Durch spezielle Sitzkissen, welche flach und luftgefüllt sind, können die Bewegungen kaum bemerkbar neutralisiert werden. Stehpulte können ebenfalls bei der Stillarbeit für Entlastung sorgen. Gemäss Forschungen führen regelmässige kurze Bewegungspausen zur Verbesserung des Leseverständnisses – und Mathematiktests sowie zur Reduktion von impulsiven Ausbrüchen. Lernende könnten beispielsweise gebeten werden die Arbeitsblätter selbst zu holen, angeleitet werden kurz aufzustehen und sich recken und zu strecken, eine Minute lang auf einem Bein zu hüpfen oder beispielsweise 10 Kniebeugen zu machen. Eine Sonderregelung kann manchmal ebenfalls helfen, in dem nach einem Bewegungszeichen die / der Lernende eine vorgängig klar abgemachte Bewegungsentlastung machen kann, um dann wieder konzentriert arbeiten zu können. Diese Bewegungsentlastung sollte gemeinsam besprochen werden, klar definiert sein und kann eine oder zwei Wochen lang ausprobiert werden. Dabei ist es wichtig Fortschritte oder Bemühungen zu loben und auch die Umsetzung zu reflektieren und falls notwendig zu präzisieren. Eine wohlwollende Ansprache der Thematik und die Begleitung in der Umsetzung ist seitens den Fachpersonen zentral und zeigt erneut, wie wichtig Beziehung ist. Es gibt zahlreiche weiterführende kleinere Anpassungen im Schulalltag, welche die Begleitung von Lernenden mit solchen Herausforderungen unterstützen und die Fachpersonen der Schule entlasten. Durch die Integration solcher Erkenntnisse werden automatisch allen Beteiligten positive Erfahrungen ermöglicht.
Bei der beschriebenen Situation handelt es sich um eine bereits weit fortgeschrittene Konflikteskalation im Rahmen einer Schulstunde, welche mehrmals wöchentlich vorkommt. Die PSA geht bereits mit einem beklemmenden Gefühl in den Unterricht und versteht das Dilemma und die Verhaltensmuster des Klienten sowie der Lehrerin. Sie kann so die Situation bereits aus verschiedenen Perspektiven betrachten. Sie erkennt den eigenen Spagat zwischen den beiden Parteien und fragt sich bereits zu Beginn, wie sie in dieser Situation handeln könnte. Sie fühlt sich in dieser Situation hilflos und weiss nicht, wie sie gegenüber der Lehrperson auftreten soll, da diese in ihrer Funktion für den wiederholten langweiligen Auftrag verantwortlich ist, welche den Klienten in seinem Verhalten bestärkt. Die Lehrerin geht nicht auf die Bedürfnisse des Lernenden ein und wie durch den Klienten erwähnt, fühlt er sich in seinem «Stempel als schwieriger Klient» bestätigt. Die innerlichen Gedankenkreise und Fragen der PSA gehen weiter, da sie aufgrund der ungeklärten und unausgesprochenen Aufgabenklärung, der Lehrerin nicht in den Rücken fallen möchte. Sie ist in ihrem Handeln blockiert, so dass sie nicht ins Handeln kommt. Auch die bereits vereinbarte Abmachung mit dem Verlassen des Klassenzimmers, um eine Runde laufen gehen zu können, erfolgt erst durch die Lehrerin nach der Ermahnung zur Ruhe. Die Lernumgebung ist für die beschriebene Thematik des Klienten nicht förderlich, da er inmitten der Klasse sitzt. Er kann sich nicht auf den Arbeitsauftrag fokussieren und beginnt die Klasse zu stören. Die weite Platzierung von den Fachpersonen, der verbale Abtausch quer durch das Schulzimmer, die Ablenkbarkeit und Resonanz mit der Klasse heizen die Akutsituation an. Die PSA nähert sich zwar räumlich dem Klienten und versucht ihn durch Zuspruch und Nachfragen der Problematik zum Arbeiten zu bewegen. Auf diesen Versuch geht der Klient nicht ein und macht weiter. Dadurch werden die Selbstzweifel, die Ohnmacht in Bezug auf die Möglichkeiten und dem fehlenden fachlichen Verständnis für das Verhalten des Klienten sowie die Unsicherheit – der Situation gewachsen zu sein – bestätigt. Es folgen Gefühle der Trauer und Zerrissenheit, da die Begleitung nicht gelingt. Die PSA würde persönlich dem Klienten gegenüber anders auftreten als es die Lehrerin macht, doch sie kann dessen Einstellung und ihr Vorgehen nicht ändern. Aufgrund der Rollenteilung ist die Lehrerin klar in der Hauptverantwortung, was jedoch das Vorgehen und der weitgehende verbale Schlagabtausch nicht entschuldigt. Es kommen Gefühle auf, dadurch wie eine Verräterin gegenüber der Lehrerin zu sein und der Wunsch nach einer klaren Antwort auf die Frage – was ist denn meine Position in der Situation – wird grösser. Durch eine gute Beziehungsarbeit, das Benennen der schwierigen Situation und somit als Vorbild diesen Konflikt als PSA anzusprechen, ermöglicht allen Beteiligten die Situation als Entwicklungsfeld zu erkennen. Dies wiederum kann trotz der herausfordernden Situation zu positiven Erfahrungen führen und der Leidensdruck aller Beteiligten minimieren und einen ersten Schritt zur Änderung initialisieren. Dies könnte beispielsweise durch die Besprechung der präventiven Aspekte im Schulalltag zwischen PSA und Lehrperson mit der Berücksichtigung der ADHS spezifischen Hilfestellungen – wie Sitzplatzwahl in der Nähe der PSA oder Lehrerin, Spezifizierung der Bewegungsentlastung und frühzeitige Initialisierung, Lob für kleinere Fortschritte, Stärkung der Beziehung zwischen Klienten und PSA sowie Lehrerin usw. – umgesetzt werden.
Konflikteskalation/ -lösung (Glasl, 2007, S. 313-347)
Glasl schlägt sechs verschiedene seelische Faktoren als Ansatzpunkte zur Intervention vor:
Perzeptionen, Denk- und Vorstellungsleben, Gefühlsleben, Willensleben, äusseres Verhalten, die Folgen des Verhaltens.
Für diese Situation relevant sind folgende zwei:
Willensleben:
Die Parteien sollen sich ihrer Absichten bewusstwerden, diese hinterfragen und allenfalls neu definieren. Wichtig sind auch, Versuche der Versöhnung des Gegenübers ernst zu nehmen. Sowie als versöhnungssuchende Partei nicht unterkriegen zu lassen und sich nicht als schwach zu sehen.
Intervention:
Die Parteien sollen sich ihren Emotionen und Einstellungen bewusstwerden. Dazu ist eine Übung, dass beide die daraus resultierenden Bedürfnisse aufschreiben und diese als Bitte vor der anderen Partei formulieren. Danach werden die Bedürfnisse miteinander verglichen und besprochen. Daraus kann folglich ein gemeinsames Oberziel formuliert werden und gemeinsam daran gearbeitet werden.
Äusseres Verhalten und dessen Folgen:
Das Verhalten soll wieder selbst kontrolliert werden und wieder mehr mit den eigentlichen Absichten abgeglichen werden. Auch sollen sich die Parteien den Folgen ihres Verhaltens bewusstwerden und somit alternative Folgen beeinflussen können. Dies geschieht meist durch Hilfe von aussen.
Intervention:
Ziel ist, dass sich die Parteien ihres Verhaltens und dessen Auswirkungen bewusstwerden. Das Verhalten kann in bestimmte Bahnen gelenkt werden und kontrolliert werden. Dazu werden spezifische Beurteilungskriterien erstellt, sodass Abweichungen kontrolliert werden können. Dies ist eine Variante, welche die Wirkungen des Verhaltens eindämmt, aber nicht die allgemeine Einstellung der Parteien verändert. Die Einstellung kann nicht von aussen geändert werden, dazu braucht es den Willen der Partei selbst.
Der beschriebene Konflikt dieser Situation ist für die Lehrperson, PSA und den Klienten wiederkehrend. Der Klient fühlt sich oftmals unterfordert mit den bekommenen Aufträgen, die Lehrerin demotiviert und die PSA hilflos. Allen Parteien, besonders der Lehrerin und der PSA, ist der Ablauf dieser Eskalationen bewusst, sie kennen das Muster. Daher schüren sie die Eskalation auch schon, haben jedoch noch keine, für alle Beteiligten, angenehme Lösung. Oftmals endet die Eskalation damit, dass der Klient das Schulzimmer verlässt, verlassen darf, verlassen muss. Auch wenn er sich dabei erlöst und erleichtert fühlt, löst es auch Gefühle von allein sein aus. Zwischen der Lehrperson und der PSA ist die Aufgabenteilung nicht klar. Die PSA möchte der Lehrperson nicht in ihren Unterricht reden und fühlt sich unsicher, wie zwischen zwei Stühle gestellt. Gleichzeitig verlässt sich die Lehrperson vollkommen auf die PSA und will sich aus der Klärung des Verhaltens des Klienten rausnehmen. Die erwachsenen Personen sind sich ihres Auftrages also nicht einig und auch nicht ihres Zieles. Es ist nicht klar, inwieweit sich die zwei den Auswirkungen ihres Verhaltens bewusst sind. Es führt jedoch zu einem unzufriedenen Klienten, welcher sich allein, verletzt, angegriffen und abgeschrieben fühlt. Die Situation ist führ keine Partei angenehm, doch niemand fühlt sich in der Lage dies zu ändern. Eine Klärung der Aufgabenteilung und eine gemeinsame Zielsetzung der PSA und der Lehrperson könnte für Klarheit und Grenzen des eigenen Raumes. Dadurch könnten die Gefühle vom allein sein des Klienten verringert werden.
5.3 Erfahrungswissen
Welche Erfahrungen aus der eigenen Schulvergangenheit der PSA haben dazu geführt, dass die Lehrpersonen in positiver Erinnerung geblieben sind?
Erinnerungen der PSA aus der eigenen Schulzeit sind vor allem geprägt von besonders negativen oder besonders positiven Erlebnissen. Die positiven Erlebnisse können auf eine wohlwollende und sehr engagierte Lehrmethode der Lehrenden zurückgeführt werden. Lehrende, welche auf die PSA als Kind bzw. Lernende eingegangen sind und sie auch wahrgenommen haben, führten zu einer motivierten Mitarbeit. Im Unterricht fühlte sich die PSA durch Themen angesprochen, die mit dem Alltag verknüpfbar waren. So war es motivierend, wenn die Aufträge interessant, spannend und auch aktiv waren. Die PSA erinnert sich an die eigene Schulzeit in der ihr kreative, vielseitige und praktische Beispiele halfen, mehr Erfolge in der Schule zu verzeichnen. Die Lernmotivation und Freude waren um ein Vielfaches höher, da erkannt wurde, dass das Gelernte auch besser aufgefasst und umgesetzt werden konnte. Die PSA kann noch heute viel Erlerntes aus ihrer Schulzeit als Wissen generieren. Man spricht von nachhaltigem Lernen. Viele der Gedanken an Erlerntes, sind verknüpft mit einer positiven Erinnerung an die Lehrperson. Die PSA erinnert sich am intensivsten an Fächer, welche ihr Freude bereiteten. Angefangen vom fachlichen Inhalt bis hin zur freundlichen und offenen Lehrperson.
Beziehung ist auch in der Schule das Fundament und unterstützt auch das Lernen im Unterricht. Denn Lernen ist stark mit Emotionen verknüpft. Zitat: “Beziehungsarbeit ist das Kerngeschäft des Lehrenden” (Schilling J. 2020: 49). Durch das Vertrauen, Interesse und Engagement der Lehrperson wuchs bei der PSA eine gute und stabile Beziehung zu vereinzelten Lehrenden. Der Umgang mit schwierigen oder gar emotionalen Situationen, in denen sogar Frust aufkam, fiel leichter. Die PSA sah die Lehrperson somit auch als Mensch (mit Fehlern) und konnte auch mal einen Faux-Pas verkraften. Authentizität ist dabei ein sehr wichtiger Aspekt.
Die PSA erinnert sich auch an Diskussionen zu ihren Interessen und war kompromissbereiter, wenn die Lehrperson zuhörte und Gesprächsbereitschaft und Offenheit zeigte.
Das eigene Kind der PSA erlebte stupiden Unterricht mit immer wiederkehrenden gleichen Aufträgen in Form von vorgedruckten Blättern. Daraufhin verweigert dieses die Arbeitsaufträge und es kommt zu Konflikten mit der Lehrperson. Trotz Gesprächen mit der Lehrperson durch das Kind und später auch durch die PSA ändert sich am Zustand des Unterrichts nichts. Es verbalisiert, nicht gehört und verstanden zu werden und bezeichnet den Unterricht als sinnlos. Dies führt in dieser konkret erlebten Situation zu einer starken Demotivation bis hin zur Schulverweigerung. Die Lehrperson hat das Bitten des Kindes um Abwechslung nicht als Zeichen einer Unzufriedenheit erkannt. Auch das Bitten der PSA um Veränderung fand kein Gehör. Das Kind spricht heute noch von “doofen” Unterricht und “doofen” Lehrpersonen.
Relationierung
Die PSA sieht darin Parallelen zur Unterrichtssituation mit dem Klienten, was dazu führt, dass sie dem Klienten innerlich mehr zugewandt ist als der Lehrperson. Wiedererkennung der Methodik der Lehrenden, dass beispielsweise in der Regel die Arbeitsaufträge der Reihe nach ausgeführt werden müssen und sich die Art von Übungen (Flut an Arbeitsblätter) oft wiederholen. Der Unterricht ist oft einseitig. Gleiche, wiederholende, sinnlose Aufträge, die jungen Menschen demotivieren und langweilen. Die Sinnhaftigkeit der Inhalte wird somit nicht erkannt und wird auch von der Lehrperson kaum thematisiert und aufgefangen. Diese Erfahrungen prägen die PSA und bewirken, dass sie in der Situation das Gespräch mit der Lehrperson nicht sucht und eher auf Distanz bleibt.
Die PSA bringt auf der emotionalen Ebene viele eigene Erinnerungen sowie Erlebnisse aus der eigenen Schulzeit und der ihrer Kinder in die Beobachtung der Situation mit ein. Die Reaktion aus eigener Kindheit und die Erfahrung des eigenen Kindes mit stupiden Auftragsblättern, führen zu einer grossen Empathie dem Klienten gegenüber. Das hat zur Folge, dass die PSA im Loyalitätskonflikt innerlich Partei für den Klienten ergreift und somit der Lehrperson in Ihrem Anliegen nicht mehr zur Seite steht.
Eine Reflexion der Lehrperson ihres eigenen Handelns findet in der Situation nicht statt. Die Bereitschaft sich mit den Themen der Klassen und explizit des Klienten fachlich auseinanderzusetzen, fehlt in diesem Moment gänzlich. Akzeptanz der Diversität, Individualität von unterschiedlichen Lebenswelten sowie auch kulturelle Hintergründe scheinen in den Hintergrund gerückt und sind nicht spürbar. Der Klient äussert seine Bedürfnisse auf seine Art und Weise, welche von der Lehrperson auf Grund von einer fehlenden oder nur geringen Beziehung, als sehr provokant und störend wahrgenommen wird. Dieses gezeigte Verhalten verstärkt die innerliche Distanz der PSA zur Lehrkraft noch stärker, da sie aus Erfahrung sich wünscht, eine Lehrkraft auch mit Fehlern vor sich zu haben und sie so als Mensch emotional erreichen zu können.
5.4 Organisations- und Kontextwissen
Den übergeordneten Rahmen für Sonderpädagogik (SoPä) bildet der «Leitfaden Sonderpädagogik» des Kantons, in dem die Schule angesiedelt ist. (vgl.20220628_Leitfaden_Version-20Juni). Dieser stützt sich zusammenfassend auf Internationale Gesetze (UNO-Behindertenrechtskonvention, UN-Kinderrechtskonvention), nationale Gesetze (z.B. Behindertengleichstellungsgesetzt) und kantonalen Gesetzen (Bildungsgesetz, Lehrplan).
Im Einzelnen gibt es aus diesem Leitfaden heraus, Konzepte zu spezifischen Fördermassnahmen an Kantonalen Regelschule wie beispielsweise die Integrative Speziellen Förderung (ISF) und Integrativen Sonderschulung (InSo). Dort wird der Arbeitsauftrag und die Aufgaben, unter anderem der Sozialpädagogischen Unterstützung sowie der Klassenassistenz ausführlich beschrieben. Dies gilt als Richtlinie für den Stellenbeschrieb an der jeweiligen Schule und wird um das individuell ergänzte Schulkonzept zur speziellen Förderung erweitert.
Zusammenfassend wird die Arbeit als Sozialpädagogische Unterstützung im Kontext Schule wie folgt im Leitfaden Sonderpädagogik und in den oben genannten Konzepten (ISF und InSo) beschrieben.
Schülerinnen und Schüler mit besonderen sozialen bzw. emotionalen Lernbedürfnissen können mit ISF/SozPä gefördert und unterstützt werden.
Modalitäten
Die Schulleitung weist ISF/SozPä ohne Indikation einer kantonalen Abklärungsstelle SPD (Schulpsychologischer Dienst) oder KJP (Kinder- und Jugendpsychatrie) zu. Dazu braucht es keine Verfügung. Die Erziehungsberechtigten sind allgemein über ISF und das Konzept Sonderpädagogik zu informieren (vgl. Informationsschreiben). Schülerinnen und Schüler mit Indikation einer kantonalen Abklärungsstelle (SPD oder KJP) bezüglich verhaltensauffälligen, autistischen und dissozialen Störungen erhalten individuell ressourcierte ISF/SozPä. Innerhalb der ISF/SozPä arbeiten die Schülerinnen und Schüler an den regulären Lern- zielen. Dem Zeugnis kann ein Entwicklungsbericht beigelegt werden.
Arbeits- und Unterrichtsformen
SozPä planen und führen sozialpädagogische Unterrichtssequenzen in der Klasse, in Lerngruppen oder mit einzelnen Schülerinnen und Schülern gestützt auf deren Indikation durch. Sie unterstützen Lehrpersonen in Fragen betreffend Sozialverhalten, sozialen Interaktionen und stellen geeignete Fördermaterialien im sozialpädagogischen Kontext bereit. SozPä erbringen Vernetzungs- und Kooperationsarbeit mit Institutionen und Fachpersonen, jeweils in Abgrenzung zur Schulsozialarbeit. Sie informieren und beraten Erziehungsberechtigte nach Bedarf, aber mindestens jährlich am Standortgespräch, über die soziale Lernentwicklung der Schülerin oder des Schülers. Sie verfassen in Kooperation mit dem pädagogischen Team die Förder- und Entwicklungsplanung.
Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen (SozPä)
Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen begleiten und unterstützen Schülerinnen und Schüler bei der Bewältigung des Schulalltages in den Bereichen der personalen und sozialen Kompetenzen. Sie haben keine Unterrichtsfunktion. SozPä erfassen und beurteilen soziale Problemstellungen und verfassen nach Absprache im pädagogischen Team die Förder- und Entwicklungsplanung. Sie unterstützen Schülerinnen und Schüler in ihren sozialen Interaktionen sowie ihrer Arbeitsorganisation und begleiten sie in ihrer psychosozialen Entwicklung. Sie fangen störendes Verhalten im oder ausserhalb des Klassenverbundes auf und reflektieren dies gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern. SozPä definieren in Kooperation mit der Schulleitung und der Fachschaft Spezielle Förderung ihre Rollen und Aufgabenbereiche in klarer Abgrenzung zur Schulsozialarbeit (SSA).
SozPä verfügen über einen Bachelor (BA) in Sozialpädagogik oder Sozialer Arbeit oder über ein Diplom einer höheren Fachschule (HF).
Das Konzept Integrative Sonderschulung (InSo) des Kantons Basellandschaft wurde nach dem Bildungsgesetzt §47 im Jahr 2015 ausgearbeitet und im November 2021 ergänzt. Es beinhaltet den Einsatz von Sozialpädagogen als Unterstützung von Lernenden mit Behinderungen. Das Angebot sozialpädagogischer Unterstützung ist nicht verpflichtend an Schulen, sondern ein Angebot. (https://www.baselland.ch/politik-und-behorden/direktionen/bildungs-kultur-und-sportdirektion/bildung/integration-foerderung-sonderschulung/unterlagen-abt-sonderpaedagogik#merkblaetter)
Assistenz (AS)
Assistenzpersonen begleiten und unterstützen Schülerinnen und Schüler im schulischen Umfeld bei Tätigkeiten, Aktivitäten und Arbeitsabläufen mit praktischen Hilfestellungen. Der Einsatz von Assistenzen muss immer im Auftrag sowie unter Anleitung und Begleitung einer Lehr- oder Fachperson stattfinden. Die Verantwortung für die Planung und Durchführung von Unterricht, Förderung, Therapie und Betreuung liegt immer bei einer Lehr- oder Fachperson. AS haben keine Unterrichtsfunktion. Eine pädagogische Ausbildung ist zwar nicht erforderlich, die Eignung wird dennoch geprüft. Die Offenheit und Fähigkeit eine gute und verlässliche Beziehung zu den Lernenden aufzubauen ist zentral. Empathie, Geduld, Teamfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein sowie Loyalität werden ebenfalls erwartet.
Assistenz ist keine reglementierte Ausbildung jedoch bieten verschiedene Pädagogische Hochschulen Weiterbildungskurse an.
Zusammenarbeit der Akteure
Eine gelingende Zusammenarbeit bewegt sich im Spannungsfeld zwischen der Übernahme von Verantwortung für einen gemeinsamen Auftrag sowie der Abgrenzung einzelner Aufgaben und Schwerpunkte. Voraussetzung für eine erfolgreiche Bewältigung dieser Aufgabe sind Bereitschaft zur Kooperation aller involvierten Akteure, eine offene Haltung sowie eine transparente, wertschätzende Kommunikation. Damit dieser Prozess unterstützt werden kann, liegen unterschiedliche Tools und Handreichungen vor, welche kurz vorgestellt werden und von Schulleitungen implementiert werden können.
Relationierung
Die PSA unterliegt dem Personalreglement des Kantons und hat sich in der Tätigkeit als Sozialpädagogische Unterstützung an ihren Arbeitsvertrag, den damit verknüpften kantonalen Leitfaden sowie das individuelle schulische Konzept halten. Ihre Hauptansprechpersonen sind primär die Lehrerin und dann die Schulleitung.
Durch die fehlende Klärung der Zusammenarbeit sowie die Unwissenheit über die Aufgabengebiete zwischen der PSA, der Lehrerin und allenfalls der Schulleitung ist die Arbeit zusätzlich erschwert. Da die Lehrerin in der Hauptverantwortung für die Klasse und deren pädagogischen Lernprozess bleibt, ist es zentral, dass sie mit der PSA die Zusammenarbeit in Bezug auf die Rollen- und Aufgabenteilung sowie Erwartungen klärt. Dies passiert jedoch in dieser Klasse nicht. In der Situation erteilt und erklärt die Lehrerin den Auftrag und lässt der PSA den notwendigen Raum, um die anschliessende Arbeitsorganisation in der Klasse zu unterstützen und sie damit zu entlasten. Als der Schüler, wie bereits mehrmals vorgekommen, aus diversen Gründen (Langeweile, Frust, ADHS-Symptomatik etc.) sich nicht der Auftragserledigung widmet, sondern die Klasse zu stören beginnt, nähert sich ihm die PSA und versucht mit ihm in den Arbeitsprozess einzusteigen. Als er sich in keinster Weise auf die Begleitung der PSA einlassen kann, eskaliert die Situation gänzlich. Die Lehrerin reagiert zu Beginn nicht auf die Provokationen und verlässt sich auf die PSA. Doch als Sachen durch das Schulzimmer fliegen, liegen ihre Nerven blank und sie schreitet ein und nimmt somit ihre Hauptverantwortung für den Lernprozess wieder in die Hand. Die Art und Weise wie dies geschieht, ist verletzend und führt zu einer weiteren Eskalationsstufe. Einerseits ist die Lehrerin für den Gesamtprozess verantwortlich, doch sie übergibt die Arbeitsorganisationsgestaltung der PSA, welche durch den unausgesprochenen und unklaren Auftrag sowie ihrer Unwissenheit nicht in der Lage ist, die Situation zu deeskalieren. Zudem steht sie in einem klaren Loyalitätskonflikt. In ihrer diffusen Rolle zwischen Klassenassistenz und Sozialpädagogische Unterstützung, ist der PSA die Ermöglichung von positiven Erfahrungen kaum möglich, da sie auf den pädagogischen Prozess sowie eine attraktivere Aufgabengestaltung keinen direkten Einfluss hat. Sie kann lediglich in der Zusammenarbeit mit der Lehrerin ihre Beobachtungen mitteilen oder Vorschläge unterbreiten. Zudem handelt es sich hier um einen freiwilligen Unterstützungseinsatz, obwohl es durch die Auffälligkeiten des Schülers Hinweise für die Notwendigkeit einer Entlastung gibt, bleibt in der Regelschule, ohne eine Diagnose des KJPD, eine solche Entlastung freiwillig. Da es sich in Schulklassen um ein dynamisches, sich schnell änderndes Umfeld handelt, sind laufende Absprachen für eine gute Koordination unabdingbar. Der Auftrag der PSA ist nicht klar. Die PSA vermutet, die Lehrerin unterstützen und entlasten zu müssen sowie die Lernenden in ihrer Arbeitsorganisation zu begleiten. Dabei kann die Gestaltung von positiven Erfahrungen für die Lehrerin sowie der Klasse, in der beschriebene Situation erst dann erfolgen, wenn die PSA sich über ihre klaren Aufgaben als Sozialpädagogische Unterstützung im Vergleich zur Assistenz bewusst ist.
5.5 Fähigkeiten
Was muss die PSA in eskalierenden Konflikten können, um positive Erfahrungen zu ermöglichen?
Die PSA muss während der Schulstunde verschiedene Werkzeuge im Koffer bereithalten. Einerseits Theorie anderseits Methodik. Die Klasse und der ihr zugewiesene Schüler beobachtet die PSA genau und ist der Situation entsprechend präsent. Sie hält die Klassenatmosphäre schriftlich fest oder im Kopf präsent und teilt diese wöchentlich der Lehrperson mit. Achtsam und ruhig bleibt die PSA in ihrer Rolle. Sie nimmt anbahnende Konflikte durch ihr feinfühliges und präsentes Verhalten wahr.
Die PSA ist fähig Gruppendynamiken zu bewerten und pädagogisch sinnvoll damit umzugehen. Die PSA weiss über verschiedene Verhaltensmuster Bescheid, kennt die dazu passenden Interventionen – Methoden und kann ihre Schüler individuell und fachgerecht abholen. Sie ermutigt ihre Schüler und bietet Alternativen an.
Die PSA vergisst ihre eigenen Bedürfnisse nicht und pflegt Selbstschutz
Die PSA kann das “störende” Verhalten eines Kindes durch Hintergrundwissen einordnen und verständnisvolle Alternativangebote anbieten – unteranderem unterstützt sie auch die Schüler*innen mit ermutigender Hilfe (Beziehungsarbeit).
Mit direktem Ansprechen des Konfliktes, ist sie Vorbild für die Schüler*innen und setzt sich für eine stimmige Dynamik ein.
Die PSA weiss über ihr Rollenverhältnis zwischen ihr und der Lehrperson Bescheid. Bei Unklarheiten prüft die PSA ihr Stellenprofil und sucht bilateral Klärung mit der Lehrperson.
Als PSA ist sie allparteilich und erkennt, dass sie nicht Teil des Konfliktes ist. Die PSA ist fähig, sowohl dem Klienten als auch der Lehrperson gegenüber empathisch zu sein und Rückmeldungen zum Verhalten zu geben.
Relationierung
Die PSA verfügt über das Wissen der Empathie zum Klientel und der Loyalität gegenüber ihrer Organisation und zeigt, dass sie als PSA keine Partei ergreift. Sie nützt dieses Wissen, um die Fähigkeiten für die Gestaltung eines wertvollen Unterrichts und für die enorm wichtigen Beziehungen untereinander.
Die PSA gestaltet die Beziehung zum Schüler offen, ehrlich und authentisch und bietet ihm verschiedene Alternativen an. Sie weiss über ihre Rolle Bescheid und handelt als Vorbild, in dem sie seine Äusserungen und die damit verbundenen Bedürfnisse ernst nimmt. Mit verbalen Verstärkungen, Gesten und schriftlichen Abmachungen (Regelblatt) unterbreitet sie ihrem Schüler andere und neue Handlungsalternativen, um so möglichen Frust abzubauen und zu bewältigen. Die PSA ist sich bewusst, dass ihre Unterstützung einen Einfluss auf die Selbstbestimmung ihres Schülers hat. Wenn er selbstbestimmend handeln kann, weiss die Lehrperson was er braucht und bekommt in der bewölkten Zone mehr Klarheit. Der Gewinn an Klarheit stärkt die Beziehung zwischen Lehrperson und Schüler, welche im Moment eher auf Angriff und Unverständnis beiderseits basiert. Die PSA weiss auch wie wichtig es ist, die Selbstwirksamkeit ihres Schülers zu aktivieren. Sie suchen gemeinsam nach möglichen Strategien, wie er im Unterricht klarkommen und zu einem guten Klassenklima beitragen kann. Gemeinsam; Schüler, Lehrperson und PSA gestalten den Unterricht so, dass es für jeden tragbar ist.
Die PSA ist der Lehrperson gegenüber loyal in dem sie mit ihr Rücksprache hält. Sie schildert ihre Beobachtungen klar und genau und hält diese bestenfalls schriftlich fest. Sie distanziert sich von ihren Gefühlen und ist in der Rolle einer PSA.
Sie weiss, dass sie keine Partei ergreifen soll. Jedoch bleibt sie kritisch, in dem sie immer wieder beide Parteien überprüft und Abmachungen festhält. Die PSA ist aufgefordert, eine zur Diskussion stehende Handlung persönlich zu verantworten und sie gegen kritische Einwände mit professionellen moralischen Begründungen zu verteidigen.
Die PSA wertet die Personen im Konflikt nicht. Sie bringt Empathie für beide Seiten auf, da sie Verständnis für die Reaktionen des Schülers und genauso Verständnis für die Lehrperson hat. Auch wenn es manchmal schwer ist, die Rolle zu halten und die Gefühle eine Partei ergreifen, ist es von enormer Wichtigkeit, ehrlich mit sich und seinen Gefühlen zu sein.
5.6 Organisationale, infrastrukturelle, zeitliche, materielle Voraussetzungen – Womit kann ich handeln?
Welche organisationalen Mittel hat die PSA in der Situation?
Die PSA ist für die Unterstützung und die Begleitung der Lernenden zuständig. Die Lernenden sollen sich bei Schwierigkeiten unterstützt fühlen. Dabei unterliegt die PSA nur bedingt und nach Absprache mit der LP, den Aufgabenzuweisungen der Lehrperson und ist nicht für die unterrichtende Tätigkeit zuständig. Der PSA kommt kaum Verantwortung für die Vermittlung von Lerninhalten zu, diese hat die Lehrperson. Also Somit hat die PSA genügend Handlungsspielraum, kann sich direkt neben den Schüler*Innen setzen, den Platz wechseln und hat Zeit mit einzelnen SchülerInnen eins zu eins zusammen zu arbeiten.
In dieser Situation hat die PSA die Möglichkeit den nahegelegenen Gruppenraum zu nutzen, der immer für die Klasse, Einzelpersonen und die Lehrperson zur Verfügung steht. Dieser kann zum Beispiel für Einzelarbeiten, Einzelgespräche oder Deseskalationszwecke genutzt werden. Auch gibt es die Möglichkeit, dass Lernende allein oder mit der PSA einen Spaziergang über den Schulhof oder in der nahe gelegenen Natur machen.
Relationierung:
Grundsätzlich stehen der PSA Alternativen, wie Räume, Auszeit nehmen etc. zur Verfügung, um einer sich aufbauenden Eskalation entgegenzuwirken, den Schüler aus der Klasse herauszunehmen, um so die Lehrperson darin zu unterstützen, mit dem Unterricht fortzufahren. Da sich die PSA blockiert fühlt, unsicher im Handeln und unklar, zu welchem Wohle sie nun intervenieren soll, ist sie daran gehindert von den oben genannten Möglichkeiten Nutzen zu machen. Die Nutzung der Möglichkeiten bietet keine adäquate Lösung für das viel tiefer wurzelnde Problem in der Klasse, welches wiederkehrend auftritt. Der Schüler würde vermutlich vermehrt die Unterrichtszeit im Freien verbringen, als in die Klasse integriert werden. Der Mangel an weiteren Möglichkeiten bzw. die Ohnmacht über fehlende, klare Zuständigkeit und Interventionsmacht, führt dazu, dass die Situation eskaliert.
5.7 Wertewissen
Welche Haltung braucht die PSA in der Zusammenarbeit mit dem Klienten und der Lehrperson, um positive Erfahrungen zu ermöglichen?
Wie im Organisations- und Kontextwissen schon erwähnt, hat eine Sozialpädagogische Unterstützung einen differenzierteren und klar zu unterscheidenden Arbeitsauftrag zu einer Klassenassistenz, welcher in der Auflistung der Zuständigkeit deutlich wird und in den verschiedenen Internationalen, Nationalen und Kantonalen Gesetzen abgebildet ist. Der Berufskodex Soziale Arbeit Schweiz, ein Argumentarium für die Praxis, von AvenirSocial, richtet sich an «die Professionellen der Sozialen Arbeit und ihre Berufsorganisationen» sowie «die Öffentlichkeit, in der die Professionellen der Sozialen Arbeit ihre Aufgaben wahrnehmen». (vgl. AvenirSocial 2010: 5) Dadurch dient er auch der PSA als Orientierung für die grundlegenden Werte in der Situation und hier als Basis des Wertewissens:
Zu den Zielen und Verpflichtungen der Sozialen Arbeit gehört das Begleiten, Betreuen und Schützen von Menschen sowie deren Entwicklung zu fördern, zu sichern oder zu stabilisieren. (vgl. AvenirSocial 2010: 7)
Aus dem Kapitel Dimensionen und Dilemmata in der Praxis der Sozialen Arbeit geht hervor, dass die Auseinandersetzungen mit Dilemmata und Spannungsfeldern unvermeidlich und notwendig sind, zum Beispiel zwischen:
– der Loyalität zu den Adressatinnen oder Adressaten und der Loyalität zu Arbeitgebenden, auftraggebenden Trägerschaften oder weisungsbefugten Behörden. (vgl. AvenirSocial 2010: 8)
Die Professionellen der Sozialen Arbeit setzen sich ständig mit Dilemmata und Spannungsfeldern auseinander. So verhalten sie sich Anwaltschaftlich gegenüber dem Klientel bei schwierigen Sachverhalten in Bezug auf Behörden oder Arbeitgebern. (vgl. AvenirSocial 2010: 9)
Zur ethisch begründeten Praxis gehört, dass Professionelle der Sozialen Arbeit auf der Basis von Vertrauen und Wertschätzung arbeiten, dass Klientel über ihre Möglichkeiten und Grenzen informieren und die gewählten Methoden und Arbeitsweisen begründen. (vgl. AvenirSocial 2010: 12)
Die Handlungsmaxime bezüglich der Arbeit mit Klientinnen und Klienten fordert, dass Professionelle der Sozialen Arbeit neben der Bestärkung der Klientel in der Wahrnehmung ihrer Rechte, auch deren Pflichten einfordern (vgl. AvenirSocial 2010: 13).
Nach den Handlungsmaximen bezüglich der interprofessionellen Kooperation müssen die Professionellen der Sozialen Arbeit im Hinblick auf Lösungen komplexer Probleme interdisziplinär kooperieren. Dabei sich dafür einsetzen, «dass Situationen möglichst umfassend und transdisziplinär in ihren Wechselwirkungen analysiert, bewertet und bearbeitet werden können». (vgl. AvenirSocial 2010: 15)
Relationierung:
Die PSA begleitet in der Situation die Klasse im Unterricht. Dabei soll dieser ohne weitere Störungen durchgeführt werden können, wobei die PSA für die Stabilisierung der Schüler*innen zuständig ist. Der PSA betreut den Klienten im Unterricht und bietet ihm Unterstützung an. Sie versucht ebenfalls, ihn durch Zuspruch und Fragen vor einer sich aufbauenden Eskalation zu schützen. Sie hat grundsätzlich auch die Intention ihn zu fördern, da sie weiss, dass er in jener Unterrichtsstunde unterfordert ist. Ihr ist auch klar, dass es sich um die Oberstufe handelt und es für ihn danach in den Berufsalltag geht, welcher meist nicht einfacher wird. Neben dem Zuspruch und der Bestärkung des Klienten besteht in dieser Situation eine Forderung im Raum, zu arbeiten und die Klasse nicht zu stören. Diese wird hauptsächlich von der Lehrerin gefordert und die PSA versucht durch verbale Unterstützungen und verschiedene Angebote den Klienten zu unterstützen. Diese grundsätzlichen Haltungen können der PSA beim Bemühen dem Klienten positive Erfahrungen zu ermöglichen hilfreich sein. Dies bedingt jedoch eine Beziehung zwischen PSA und Klient.
Während der Situation gehen der PSA viele Gedanken und Handlungsmöglichkeiten durch den Kopf. Dadurch führt sie eine ständige Bedürfnisanalyse durch. Diese ist notwendig, um das eigene Handeln stetig anzupassen und bedürfnisorientiert zu ändern. In der gegebenen Situation bleibt es aber bei der Bedürfnisanalyse und die PSA ist dadurch gehindert an einem vorzeitigen Handeln. Dadurch fühlt sie sich ohnmächtig und schuldig. Der Klient erlebte wiederholt eine ungünstige Situation und bekam abermals die Bestärkung seiner Annahme, dass die Lehrerin ihn nicht mag und er immer schuld ist. Solche Situationen mit einem Loyalitätskonflikt und Widersprüchen gehören in der Sozialen Arbeit zum Alltag. Dabei kommt es darauf an, wie eine PSA sich darin zurechtfindet. In dieser Situation beschreibt die PSA klar, dass sie sich wie zwischen zwei Stühlen fühlt und selbst nicht weiss, wie sie nun handeln soll. Dadurch kommt ihre Ohnmacht zum Vorschein und der Umgang mit dem Loyalitätskonflikt in der Situation ist nicht ideal. Die PSA wollte diese eskalierende Situation grundsätzlich verhindern durch die Versuche den Klienten zu motivieren, für weitere Handlungen hindert sie der innere Loyalitätskonflikt. Die Zusammenarbeit mit der Lehrerin ist nicht klar strukturiert und die Arbeitsfelder nicht kommuniziert. Dennoch ist die Kooperation wichtig, um die Situation zu bearbeiten. Die PSA fühlt sich, wie schon erwähnt, zwischen zwei Stühlen. Dies hindert sie an der Kooperation mit der Lehrerin sowie an der Intervention während der Situation.
- PSA erkennt das Potential der Situation und nutzt sie, um eine beziehungs- bzw. selbstwirksamkeitsstärkende Erfahrung zu ermöglichen
- Die Klientel geht gestärkt aus der Interaktion mit dem/der PSA hervor.
- Die Klientel erfährt Unterstützung beim Erfahren und Erproben in noch ungewohnten Denk- und Verhaltensweisen.
- Um Positive Erfahrungen zu ermöglichen, berücksichtigt PSA individuelle und persönliche Thematiken des Klienten mittels Anpassung der Handlungsmethodik
- PSA bespricht in Kooperation mit der Lehrperson ihren genauen Arbeitsauftrag in der Klasse
- PSA nutzt entstehende Konfliktsituationen zur Reflexion ihrer Zusammenarbeit mit allen Beteiligten und übernimmt Verantwortung für die Klärung der Rollendiffusion gegenüber Dritten.
1. Die PSA ist in der beobachtenden Rolle und ist kognitiv voll dabei und überlegt sich gerade die passende Intervention. Sie verändert ihren Standort und stellt sich neben den Klienten, um Präsenz zu zeigen, spricht den Klienten an und versucht dessen Frustration zu analysieren. Leider gelingt es der PSA nicht, das Potenzial der Situation zu nutzen und positive Erfahrungen zu ermöglichen. Dieser Prozess ist der Lehrperson vermutlich nicht sichtbar und dauert zu lange. Aus diesem Grund handelt die Lehrerin früher als die PSA einzugreifen schafft und Ad-Hoc.
2. Aufgrund der fehlenden anwaltschaftlichen Haltung der PSA dem Klienten gegenüber, kann dieser nicht gestärkt aus der Situation hervortreten und auf Unterstützung hoffen. Die LP reagiert so gereizt und aggressiv, was die PSA weiter verstummen lässt. Eine positiv einflussnehmende Intervention bleibt aus.
3. Durch die eigene Unsicherheit der PSA konnte dem Klienten in dieser Situation keine adäquate Unterstützung geboten werden. Auf Grund der fehlenden Abstimmung und stringenten Zusammenarbeit zwischen LP und PSA konnte der Klient mit seiner Konfrontationsstrategie keine Diskussionsgrundlage für sein Anliegen bilden, und stiess lediglich auf den Unmut der Lehrperson.
4. Das vermutete ADHS wird hier in den gedanklichen Prozess nicht mit einbezogen und bewirkt einen zu wenig detaillierten Blickwinkel auf die Thematiken des Klienten. Diese äussern sich deutlich durch immer wieder kehrende Verhaltensmuster wie ständiges Dazwischenreden, Aufmerksamkeit der Mitschüler erzwingen (Gegenstände herumwerfen) und Aufträge lautstark boykottieren. Während die PSA noch nach einer einvernehmlichen Lösung zu suchen scheint, in dem sie auf den Klienten zugeht und ihn auch anspricht, ist die LP bereits mit ihrer Geduld am Ende und interveniert lautstark. Obwohl spätestens jetzt ein Eingreifen der PSA notwendig wäre, bleibt diese scheinbar blockiert im Hintergrund.
5. Die PSA hat keinen klaren Arbeitsauftrag und sieht sich im Loyalitätskonflikt zwischen Lehrperson und Klient. Die PSA möchte einerseits die Autorität der Lehrperson in dieser Auftragssituation nicht untergraben, erkennt andererseits jedoch die drohende Eskalation. Durch die unklare Auftragslage für die PSA und die Thematik des Klienten (ADHS) ist die Situation heikel und bedarf schnellen Handelns. Diesem ist die PSA zu diesem Zeitpunkt nicht gewachsen. Die PSA hat in dieser Situation einen unklaren Arbeitsauftrag. Sie sieht sich als Unterstützung der Lehrperson und handelt nicht zu Gunsten des Klienten. Die fehlende Kooperation mit der Lehrperson und die fehlende Auftragsdefinition im Vorhinein führen letztlich zur Unsicherheit der PSA und zur Ad Hoc – Reaktion der Lehrperson.
6. Nach der Eskalation der Situation und dem Verweis des Klienten vor die Klassenzimmertür durch die lautstake Stimme der Lehrperson, bleibt die PSA betroffen zurück. In Gedanken, was sie hätte bessermachen können, entwickelt sie ein tiefes Mitgefühl für den Klienten und eine Form von Fremdschämen für die Lehrperson. Eine Reflexion findet nur im persönlichen Kontext und mit der PSA selbst statt. Leider ist die Handlungsblockade langanhaltend und verhindert ein klärendes Gespräch mit der Lehrperson in einem zeitnahen Rahmen. PSA fühlt sich verantwortlich einen Lösungsansatz für zukünftige, ähnliche Situationen zu finden und nimmt kollegiale Beratung in Anspruch. Dies führt zu mehr Selbstsicherheit im Kontext Zusammenarbeit.
Zu den möglichen Handlungsalternativen in der Situation selbst gehört, dass die PSA bei beginnender Eskalation, sprich nach den ersten Kommentaren des Klienten nach Erhalt des Auftrages, ihn bereits aus der Klasse nimmt und vor der Tür oder im Nebenraum die beobachteten, wiederkehrenden Widerstände aufnimmt und mit ihm bespricht. Dabei soll geklärt werden, was er braucht, um den Auftrag im Klassenzimmer, ohne die anderen zu stören, erledigen zu können. Die möglichen Konsequenzen bei Nicht-Einhaltung sollen dabei transparent aufgezeigt werden und bei Bedarf dann konsequent durchgeführt werden. Auch die Ziele des Klienten können als Motivator und als Weg dahin ausgesprochen oder in Erinnerung gerufen werden. Bei Klienten mit einer ADHS-Diagnose hilft es auch stufenweise Eskalationen vorzunehmen, sollte das Vereinbarte nicht funktionieren, in dem als erstes an die Abmachung erinnert wird und gesagt wird, dass es noch einmal wiederholt wird und sollte es sich nicht bessern, die vereinbarte Konsequenz eintrifft. Dabei ist die physische Nähe durch die Präsenz der PSA in der Nähe des Klienten, um mit wenigen Gesten an die Abmachung zu erinnern, vorteilhaft. Das Abmachen eines speziellen Zeichens bei einer Frage oder benötigten Hilfe kann ebenfalls entlastend wirken. Schafft es der Klient die Vereinbarung einzuhalten und ruhig zu arbeiten, soll ihm dies zeitnahe positiv, beispielsweise nach der Unterrichtsstunde, zurückgemeldet werden. Auch kleine Verbesserungen oder Entwicklungsschritte sollen dabei motivierend zurück gespiegelt werden. Zudem wäre es hilfreich, wenn die PSA und die Lehrperson die Situation anschliessend gemeinsam reflektieren würden und ihre Interventionen entsprechend anpassen würden. Eine Teamintervision sowie auch die zeitnahe Klärung der jeweiligen Rollen und der Zusammenarbeit, sowie der Klärung des Vorgehens in solchen schwierigen Situationen mit der Klientel ist mehr als wünschenswert, bevor es zu solchen regelmässigen und fortschreitenden Eskalationen kommt. Dies würde die PSA nicht nur bei der Auflösung des beschriebenen Loyalitätskonflikt, sondern auch bei ihrer Auftragserfüllung unterstützen, was wiederum ihr professionelles Wachstum stärken und ihre Unsicherheit minimieren würde. Denn erst durch die Durchbrechung ihrer Gedankenkreisen mittels der Erkenntnis aus der Reflexion – welche aus der Profession der Sozialen Arbeit heraus unabdingbar ist – kann die PSA erst erkennen, dass sie nicht ins Handeln kommt, blockiert ist und kann sich dann neu positionieren und die gemäss Berufskodex vorgesehene anwaltschaftliche Position einnehmen. Eine Hospitation in der Klasse seitens Sozialpädagogik oder Schulsozialarbeit kann ebenfalls helfen, solch herausfordernden Situationen besser zu begegnen. Dabei können auch unterschiedliche Interventionen und Methoden ausprobiert werden und mit Fachexperten besprochen werden, was auch der PSA und Lehrperson als Entlastung dient. Diese professionelle Begleitung könnte die PSA auch dabei unterstützen, sich bei der Lehrperson die entsprechende Legitimation für die Deeskalation und ihre Interventionen einzuholen und die Zusammenarbeit und vor allem den Verantwortlichkeitsbereich nochmals zu klären. Die Anwesenheit einer dritten Person, welche zwischen der PSA und der Lehrperson vermittelt, im Sinne einer Mediation, stellt eine Möglichkeit dar, die vorhandenen Dynamiken und seit längerer Zeit unausgesprochenen Erwartungen und Bedürfnisse auszusprechen und den Teufelskreis zu durchbrechen. Denn bei solch fortgeschrittenen Konflikten kann die Begleitung einer externen Person wesentlich zu einer Lösungsfindung beitragen.
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- Konzept Integrative Spezielle Förderung: https://www.baselland.ch/politik-und-behorden/direktionen/bildungs-kultur-und-sportdirektion/bildung/integration-foerderung-sonderschulung/unterlagen-abt-sonderpaedagogik/konzepte-abt-sonderpaedagogik/20170224_%20ISF-Konzept.pdf/@@download/file/20190107_ISF-Konzept-%20ergänzte%20Version%20Januar%202019.pdf [Zugriffsdatum: 12.1.2023]
- Leitfaden Sonderpädagogik, Kanton Baselland: https://www.baselland.ch/politik-und-behorden/direktionen/bildungs-kultur-und-sportdirektion/bildung/integration-foerderung-sonderschulung/unterlagen-abt-sonderpaedagogik/konzepte-abt-sonderpaedagogik/20220628_leitfaden_version-juni-2022.pdf/@@download/file/20220628_Leitfaden_Version%20Juni%202022.pdf [Zugriffsdatum: 17.11.22, 11.30 Uhr]
- Mackowiack, Katja/Schramm, Satyam Antonio (2016). ADHS und Schule. Grundlagen, Unterrichtsgestaltung, Kooperation und Intervention. Stuttgart: W. Kohlhammer GmbH.
- Pädagogische Hochschule Zürich (2020). Glossar. Selbstwirksamkeit. URL: https://phzh.ch/de/Dienstleistungen/materialien-fuers-schulfeld/planungshilfen-gesundheit-praevention/glossar/selbstwirksamkeit/ [Zugriffsdatum: 16. April 2022].
- Schilling, Johannes (2016). Methodik/Didaktik Sozialer Arbeit. Grundlagen und Konzepte. München: Ernst Reinhardt.
- Sozialgesetzbuch 640.71 – Verordnung über die Spezielle Förderung: https://bl.clex.ch/app/de/texts_of_law/640.71 [Zugriffsdatum: 12.1.2023]
- Friedemann Schulz von Thun. Miteinander reden 1 – Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation. Rowohlt, Reinbek 1981.
- Chiapparini, Emanuela, Stohler, Renate, Bussmann, Esther (Hrsg.) 2018. Soziale Arbeit im Kontext Schule, Leverkusen-Opladen, Verlag Barbara Bundrich https://library.oapen.org/bitstream/handle/20.500.12657/25630/1004466.pdf;jsessionid=156A331132D21311E8BA9E81E0132E84?sequence=1 [Zugriffsdatum: 24.11.22]
- https://www.baselland.ch/politik-und-behorden/direktionen/bildungs-kultur-und-sportdirektion/bildung/integration-foerderung-sonderschulung/unterlagen-abt-sonderpaedagogik/konzepte-abt-sonderpaedagogik/20170313_InSo-Konzept.pdf/@@download/file/20211129_InSo-Konzept_ergänzte%20Version%20November%202021.pdf