Zurück zu den Schlüsselsituationen
Veränderungsprozesse begleiten / Motivation von jungen Erwachsenen in der Sozialhilfe fördern und stärken
- KlientInnen haben einen kritischen Übergang zu bewältigen und brauchen dabei Unterstützung für die Neugestaltung ihres Alltags und Beziehungsnetzes
- Eine Sozialarbeiterin steht den KlientInnen während einer kürzeren oder längeren Zeit beiseite
Spezifische Merkmale der Situation des Klienten
- Der Klient hat einen kritischen Übergang zu bewältigen und erhält dabei Unterstützung im Finden eines Ausbildungsplatzes zur beruflichen Grundbildung oder in der Arbeitsmarktintegration
- Der Klient weist einen diskontinuierlichen Lebenslauf vor
- Cannabiskonsum
Spezifische Merkmale der Situation in der Sozialhilfe
- Die Sozialhilfe arbeitet nach dem Subsidiaritätsprinzip, welches erfordert, Zuständigkeiten und Grenzen im Gespräch mit Klient*innen zu klären und diese offen zu kommunizieren.
- Den Klient*innen obliegen, um eine Dienstleistung zu erhalten, gewissen Pflichten wie Kooperationsbereitschaft, Schadenminderungspflicht usw. Diese sind Gegenstand der Verhandlung und können/sollen von den PSA eingefordert werden.
- Die PSA erklären den Klient*innen die rechtlichen Rahmenbedingungen und zeigen Konsequenzen von Verhaltensweisen auf, so dass die Klient*innen diese berücksichtigen können.
Kontext
Damit Anspruch auf Sozialhilfe erhoben werden kann, muss eine antragstellende Person ein Unterstützungsgesuch (UG) mit sämtlichen bedürftigkeitsrelevanten Unterlagen bei der Sozialhilfe einreichen. Diese Unterlagen werden von einem Team von kaufmännischen Mitarbeitenden (KSB) unter der Leitung eines*r professionellen Sozialarbeitenden (PSA) gesammelt, in Absprache und mit Unterstützung der antragsstellenden Personen ergänzt und zu einem möglichst aussagekräftigen Antrag verdichtet. Dieses Dossier wird danach einem*r PSA des „Intakes“ zugeteilt, wo die Erstgespräche mit den antragstellenden Personen geführt werden.
In den Erstgesprächen geht es darum, die persönliche und finanzielle Situation der antragsstellenden Personen zu erfassen, Unklarheiten zu klären und darauf basierend das weitere Vorgehen zu entscheiden. Zur Abstützung dieses Entscheides kann auf weitere Teammitglieder, die Teamleitung (TL), die Abteilungsleitung (AL), den Rechtsdienst (RD) und Sozialversicherungsspezialist*innen (FGS) zurückgegriffen werden, um bei Unsicherheiten eine Zweitmeinung bzw. fachspezifische Expertise hinzuzuziehen.
Nach maximal sechsmonatiger Unterstützungsdauer findet eine Fallübergabe vom Intake in die Sozialberatung statt. Je nach Fallkomplexität und Ablösewahrscheinlichkeit werden die Dossiers an PSA (komplexe Fälle, schwierige Klientel im Umgang, hohe Ablösewahrscheinlichkeit) oder an KSB (geringe Ablösewahrscheinlichkeit, „einfacher Umgang“, Klientel will keine sozialarbeiterische Unterstützung) mit Fallführung übergeben.
Der Fokus der Sozialberatung I & II (jeweils gleiches Tätigkeitsfeld aber in unterschiedliche Abteilungen aufgeteilt) richtet sich auf die Sozialberatung mit mittel- und langfristigem Charakter. Das bedeutet, dass man davon ausgeht, dass die unterstützten Personen aufgrund ihrer individuellen Aufstellung längerfristig durch die Sozialhilfe unterstützt werden. In der Sozialberatung der Sozialhilfe steht nicht primär eine rasche Ablösung von der Sozialhilfe im Vordergrund, sondern der Mensch mit seinen Ressourcen und seinen Problemfeldern. Die PSA in der Sozialberatung sind häufig eine erste Anlaufstelle für Menschen mit sozialen und gesundheitlichen Schwierigkeiten. Mithilfe der Beratungsgespräche wird gemeinsam mit den unterstützten Personen angeschaut, welche Unterstützungsformen angezeigt wären und ob eine Triage an weitere Stellen (z.B. Suchtberatung, Psychiatrie, Opferhilfe, Familienberatung) sinnvoll wäre. In der Sozialberatung I & II bleiben die regelmässigen Prüfungen und die Aktivierung von subsidiären Leistungsansprüchen bestehen. Die PSA versuchen mit den unterstützten Personen nicht aktivierte subsidiäre Leistungsressourcen zu aktivieren (z.B. Anmeldung RAV, IV-Anmeldung, Familienzulagen). Die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit verschiedenen Professionen und Fachstellen hat dabei einen hohen Stellenwert.
Ausgangslage
Herr B. ist 22 Jahre alt und seit er 18 Jahre alt ist bei der Sozialhilfe in Unterstützung. Zum Zeitpunkt der Anmeldung war Herr B. noch in einer Hafteinrichtung platziert, in welcher er eine Jugendstrafe absitzen musste. Er war bereits als Kind fremdplatziert und hat viele Therapien hinter sich, welche er alle als nutzlos empfand. Herr B. konsumiert seit vielen Jahren Cannabis. Medikamenten steht er sehr kritisch gegenüber.
Vor 3 Jahren wurde Herr B. in eine offene stationäre Jugendeinrichtung umplatziert, mit dem Ziel, dass er eine IV-gestützte Ausbildung absolvieren kann. Herr B. hat das Aufbautraining nach einigen Wochen wieder abgebrochen. Er begründete dies damit, dass er gesundheitliche Beschwerden habe (Rückenschmerzen) und wenig Motivation aufbringen könne, eine Ausbildung zu absolvieren und/oder zu arbeiten. Die IV hat daraufhin die beruflichen Massnahmen eingestellt und als Wiederaufnahme dieser die Bedingung aufgestellt, dass Herr B. eine 3-monatige Tagesstruktur mit einem Pensum von mind. 50% sowie die Motivation für eine Gesprächstherapie vorweisen muss.
Nach einem weiteren Aufenthalt in einer anderen offenen stationären Jugendeinrichtung wurde Herr B. mangels Kooperationsbereitschaft mit den Sozialarbeitenden vor etwas mehr als zwei Jahren aus der jugendstrafrechtlichen Massnahme entlassen. Er hat daraufhin eine freiwillige Finanzbeistandschaft beantragt und zugesprochen erhalten, weil er mit administrativen Angelegenheiten überfordert ist. Zur Beiständin besteht wenig Kontakt. Herr B. fühlt sich von der Beiständin zu wenig informiert und ist mit ihr nicht zufrieden.
Seit dem Austritt aus dem stationären Setting lebt Herr B. mehrheitlich bei seiner Freundin, welche eine Ausbildung abgeschlossen hat und seither zwischen Arbeitstätigkeit, RAV und Sozialhilfe hin und her pendelt. Er selbst konnte sich nach vielen Motivationsversuchen seitens Sozialhilfe ein Jahr nach der Entlassung aus der Massnahme auf die Teilnahme an einer niederschwelligen Tagesstruktur einlassen. Die Tagesstruktur musste kurze Zeit später aufgrund gesundheitlicher Probleme (belegte Nahrungsunverträglichkeiten) aber wieder abgebrochen werden. Die Unverträglichkeiten wurden von der Hausärztin als psychosomatisch eingestuft, weshalb die Hausärztin eine Therapieüberweisung getätigt hat. Herr B. hat diese bis heute aber nicht angefangen. Auch hat er sich den noch ausstehenden medizinischen Untersuchungen nicht unterzogen, nachdem die Unverträglichkeiten wieder nachgelassen haben.
Nachdem sich seine gesundheitliche Situation aus ungeklärten Gründen wieder stabilisiert hat, hat Herr B. einen Neustart im Tagesstrukturprogramm, in welchem er bereits zuvor war, gewagt. Er hat insgesamt 4 Monate am Programm teilgenommen. Der Verlauf war schwankend. Herr B. äusserte immer wieder, Motivationsprobleme zu haben und nur am Programm teilzunehmen, weil die Sozialhilfe erwarte, dass er etwas mache und weil er eigentlich Unterstützung von der IV wolle, um sich von der Sozialhilfe ablösen zu können. Seine Motivationsprobleme äusserten sich in wöchentlichen Absenzen sowie in seinem Verhalten. Am letzten Standortgespräch mit Herrn B., der Mutter von Herr B., der Coach des Programms und der PSA wurde gemeinsam vereinbart, dass Herr B. weiter versucht, eine 50% Anwesenheit im Programm zu erreichen und sich parallel um eine Verbesserung seiner gesundheitlichen Situation kümmert (Abklärungen und Substitution seiner Mangelerscheinung, Abklärung und Physiotherapie bezüglich Rückenschmerzen, Therapiebeginn wegen der IV). Die Abklärungen bezüglich seiner Mängel ist Herr B. mittlerweile angegangen, die anderen Themen nicht.
Vor einigen Tagen kam es nun aufgrund einer massiven Grenzüberschreitung von Herr B. (lautes, aggressives und rassistisches Verhalten gegenüber einem Arbeitsagogen als Reaktion auf eine Kritik) zum sofortigen Programmabbruch. Herr B. meldete sich eine Woche nach dem Programmabbruch bei der PSA und bat um einen Termin für die Besprechung seiner Zukunft.
Erste Sequenz: Kontaktaufnahme
Am Tag des vereinbarten Gesprächs meldet sich Herr B. telefonisch und bittet darum, das Gespräch telefonisch durchzuführen, da er gesundheitlich angeschlagen sei. Die PSA willigt ein, da es wichtig ist, das Gespräch zu führen.
Reflection in Action
- Emotion Klient/in: Unsicherheit wie das Gespräch ablaufen wird, unbehaglich, gehemmt, bedrückt, zurückhaltend und später entlastet, erleichtert dass die PSA der telefonischen Gesprächsform zugestimmt hat.
- Emotion Professionelle/r: Unsicher (Gespräch am Telefon geführt, statt wie vereinbart vor Ort), erleichtert dass sich Klient meldet und nicht wütend wirkt. Zögerlich-abwiegend mit der Zusage, dem Gespräch am Telefon zuzusagen, weil auch Zweifel aufkommen, inwiefern ein Gespräch per Telefon wirksam ist. Schlussendlich kompromissbereit für das Telefongespräch, weil die Professionelle den Klienten ernstnehmen will. Augen nach oben gerichtet und nachdenkend.
- Kognition Professionelle/r: Ich würdige es, dass der Klient sich meldet und das Gespräch lieber telefonisch als persönlich durchführen möchte und nehme ihn in der Situation ernst. Ich weiss aus Erfahrung, dass der Klient aggressive Verhaltensweisen zeigen kann, wenn er zu direkt konfrontiert und/oder Druck ausgeübt wird.
Zweite Sequenz: Rückblick auf die Vorkommnisse im Tagesstrukturangebot und den Programmabbruch
Die PSA lädt Herr B. dazu ein, die Geschehnisse der letzten Tage aus seiner Sicht zu schildern. Herr B. meint, dass das Ganze «blöd gelaufen» sei. Er vertrage es halt nicht, wenn er ungerecht behandelt werde und so sei es in dieser Situation aus seiner Sicht gewesen. Er wolle aber nicht weiter darüber reden, die Situation sei nun so wie sie sei.
Reflection in Action
- Emotion Klient/in: beschämt, frustriert, genervt weil er sich damit auseinandersetzen muss, und weil bewusst ist, dass Fehler gemacht wurden. Ratlos, deprimiert, enttäuscht über sich selbst und lustlos. Insgesamt enttäuscht, etwas schonwieder nicht geschafft zu haben.
- Emotion Professionelle/r: Genervt von häufiger Opferrolle und fehlender Selbstkritik des Klienten. Triggerpunkte der Vergangenheit. Im Raum herumgehend. Zum Fenster gehend.
- Kognition Professionelle/r: Ich habe wahrgenommen, dass Emotionen der vergangenen Situationen wieder hervorkommen. Ich wäge ab, ob es sinnvoll ist, uP in diesem Moment mit meiner Wahrnehmung zu konfrontieren. Entscheide mich, die Situation so stehen zu lassen, da die Konfrontation meiner Einschätzung nach in diesem Moment kontraproduktiv sein könnte, im Sinne, dass der Klient sich wieder zurückzieht und verschliesst oder aggressiv reagiert. Reflexive Perspektive; Ich möchte die Perspektive des Klienten in einen Wahrnehmungsraum bringen, um den Prozess auf einer retrospektiven, reflektierten Ebene zu betrachten.
Dritte Sequenz: Rückblick auf den Entwicklungsverlauf der letzten 4 Jahren
Herr B. fügt an, dass er es schade fände, dass der ganze Aufwand der letzten 4 Monate nun für nichts gewesen sei, da er für die Wiederanmeldung bei der IV quasi wieder bei null anfangen müsse. Die PSA zeigt Herrn B. auf, dass er in den letzten Monaten viele Entwicklungsschritte gemacht habe, welche für seine persönliche Entwicklung wichtig sind. Er sei grundsätzlich auf einem guten Weg. Sie bestärkt ihn, indem sie ihm mitteilt, dass er auch stolz auf sich sein könne.
Reflection in Action
- Emotion Klient/in: lustlos, verunsichert, müde, hat die Wertschätzung der PSA nicht einfach können annehmen, aussichtslos, passiv und später vorsichtig hoffnungsvoll.
Körpersprache: nervöse Handbewegung, wortlos.
- Emotion Professionelle/r: kippen von genervtem Gefühl, auf aufbauend führsorglich. Ich habe das Bedürfnis, den Klienten aufzubauen, da er so resigniert ist. Froh und erleichtert, dass er sich einsichtig zeigt. Körpersprache: lächeln mit Mundwinkeln und entspannter in der Haltung
- Kognition Professionelle/r: Ich kippe von einem genervten Gefühl, dass der Klient die Fortschritte nicht sieht, auf eine führsorgliche positive Einstellung, ich versuche die Selbstreflektion des Klienten zu nutzen. Ich verfolge das Ziel, den Klienten zu motivieren. Ich versuche, ihm mit einer hoffnungsvollen Perspektive einen Weg aus seiner Resignation aufzuzeigen, welche Fortschritte trotz des Abbruchs gemacht wurden und ihn zu ermutigen, weiterzumachen.
Vierte Sequenz: Reflexion der Stolpersteine
Gleichzeitig zeigt die PSA Herrn B. auf, dass seine mangelnde Impulskontrolle ihm immer wieder im Wege steht. Aufgrund dieser gerät er immer wieder mit Autoritätspersonen aneinander, welche schlussendlich Entscheidungen zu seinen Ungunsten treffen und welche schlussendlich einen Einfluss auf seine Entwicklung haben und nicht auf die Entwicklung von anderen.
Die PSA versucht Herrn B. zu ermutigen, für sich selbst an sich und seinen Themen zu arbeiten und Unterstützungsangebote wie z. B. eine Gesprächstherapie anzunehmen, sich den empfohlenen medizinischen Untersuchungen zu unterziehen und die empfohlenen Medikationen einzunehmen und Therapien anzugehen, welche eine stützende Wirkung haben können.
Reflection in Action
- Emotion Klient/in: Empfänglich für die Auseinandersetzung, auch wenn es Sachen waren, die schon bewusst scheinen, zurückhaltend aber schon auch ein wenig offen für ein andere Perspektive, bedruckt, ratlos, hoffend auf eine Lösung.
- Emotion Professionelle/r: skeptisch, ob der Klient wirklich aktiv wird, da dies in der Vergangenheit oft nicht der Fall war. Motiviert. Körpersprache: Augen schauen nach oben, an die Decke.
- Kognition Professionelle/r: Ich erwähne nochmals die Wichtigkeit am weiter an sich arbeiten, für die eigene Entwicklung. Ich habe ihm in der vorherigen Situation einige Komplimente gemacht, finde es aber auch wichtig, nicht alles schön zu reden, sondern möchte auch, dass der Klient sich Gedanken bezüglich Veränderungsmöglichkeiten macht, Ich zeige die Konsequenzen, wie es nicht weiter gehen sollte, um ihm zu vermitteln, wie Unterstützungsangebote seine Lebensqualität steigern könnten.
Fünfte Sequenz: Weiteres Vorgehen gemeinsam festlegen
Herr B. möchte es sich überlegen, ob er sich nicht doch auf eine Therapie einlassen könnte. Er möchte das Thema beim nächsten Termin bei der Hausärztin ansprechen. Gleichzeitig fragt er nach alternativen Tagesstrukturangeboten, welche er in Anspruch nehmen könnte. Es sei ihm wichtig, schnellstmöglich wieder eine Tagesstruktur zu haben. Seine Mutter und seine Freundin würden ihm diesbezüglich etwas Druck machen. Er wisse auch, dass es wichtig wäre, vorwärtszukommen, er selbst habe aber keine starke Motivation, etwas zu verändern, da er sich im Alltag ganz gut selbst Struktur geben könne. Er sei aber dennoch bereit, in ein anderes Angebot einzusteigen.
Die PSA stellt Herrn B. die anderen beiden Tagesstrukturangebote vor und schickt ihm die Links zu deren Homepages per Mail zu. Herr B. möchte sich diese in Ruhe anschauen und der PSA in 4 Tagen Bescheid geben, welches Angebot er in Anspruch nehmen möchte.
Reflection in Action
- Emotion Klient/in: ermutigt, erleichtert dass er äussern kann, dass die Motivation vor allem von aussen kommt, gestresst, unruhig, nachdenklich, interessiert, nervös wegen möglicher Änderungen, vorsichtig hoffnungsvoll.
Körpersprache: zittert mit den Beinen, Händen stützen auf die Beine, etwas beweglicher, Finger kauen.
- Emotion Professionelle/r: hoffnungsvoll, zuversichtlich, enthusiastisch, gespannt auf weitere Entwicklung. Körpersprachlich: eher Versteifung der Körperhaltung Anspannung
- Kognition Professionelle/r: Möchte die extrinsische Motivation nutzen, denn diese kann zu intrinsischer werden. Es ist mir wichtig, einen kurzen Termin zu setzen, um die Motivation des Klienten aufrechtzuerhalten, dranzubleiben und Verbindlichkeiten zu schaffen. Ich lege den Fokus bewusst auf die Tagesstruktur, da der Klient dort durch die enge Begleitung und das Coaching Unterstützung bei der Therapieaufgleisung und der Abklärung der gesundheitlichen Situation erhalten kann.
5.1 Erklärungswissen – Warum handeln die Personen in der Situation so?
Die Fragestellungen zum Erklärungswissen die aus der Reflection in Action entstanden sind:
Warum kommt es zu den vielen Abbrüchen?
Warum reagiert der Klient aggressiv und impulsiv?
Welche Funktion haben die Abbrüche und das aggressive Verhalten für den Klienten?
In der Ausgangslage wird der Abbruch eines Tagesstrukturprogrammes zur Sprache gebracht. Da es sich dabei nicht um den ersten Abbruch einer Tagestruktur handelt, ist es relevant für die Schlüsselsituation, weil die Integration des Klienten in eine Alltagsstruktur von der PSA als unterstützend eingeschätzt wird.
Auch wenn der Klient in der Situation selbst nicht aggressiv oder impulsiv handelt, so deutet die Zurückhaltung der PSA in der Reflection in Action sowie die bereits erwähnten Abbrüche darauf hin, dass das aggressive bzw. Impulsive Handeln in diesem Zusammenhang erklärungsbedürftig sind, insofern die Abbrüche auch auf wiederholte grenzüberschreitende Eskalationen zurückzuführen sind.
Schlussendlich kann gefragt werden, welche Funktion die Abbrüche und das aggressive Verhalten für den Klienten haben. Dabei geht es explizit nicht darum, dieses Verhalten zu psychologisieren, sondern vielmehr das Verhalten als Ausdruck einer spezifischen Lebensrealität in einem spezifischen Umfeld verstehbar zu machen.
Wir haben uns entschieden, diese Fragen anhand der Ansätze der Lebensbewältigung, des transtheoretischen Modells der Motivation und der Theorien der Stigmatisierung anzugehen. Der Ansatz der Lebensbewältigung eignet sich gut, um auf die Lebenslage von jungen Erwachsenen im Allgemeinen und spezifischer auf deviantes Verhalten als Bewältigungsverhalten einzugehen. Das Transtheoretischen Modell (Prochaska und DiClemente, 1982) erklärt den Unterschied zwischen Änderungs-Motivation und dem tatsächlichen Verhalten.
Die Theorie der Stigmatisierung von Goffman analysiert Situationen, worin Personen mit abweichenden Verhaltensweisen oder eine abweichende Biografie eine Rolle spielen. Mit dieser Theorie wird beschrieben und erklärt, wie Personen, die von einer Stigmatisierung betroffen sind, diese Situation bewältigen.
5.1.1. Lebensbewältigung
Der Ansatz der Lebensbewältigung eignet sich, um auf die Lebenslage von jungen Erwachsenen in der Sozialhilfe und in einem weiteren Schritt auf deviantes Verhalten als Bewältigungsverhalten einzugehen. In den folgenden Abschnitten wird zunächst die Lebensbewältigung als theoretischer Ansatz erörtert. Die Fragen, welche in der Reflection in Action und bei einem Brainstorming zum Ressourcenschritt aufgekommen sind, werden im Anschluss daran diskutiert.
Lebensbewältigung nach Böhnisch
In der Sozialwissenschaft sind im 20. Jahrhundert Konzepte entwickelt worden, die den menschlichen Lebenslauf mit verschiedenen Lebensphasen und die mit der Lebensphase verbundene Entwicklungsaufgaben beschreiben. Biografieverläufe werden dabei anhand der Themen Bildung-Arbeit-Beruf-Familie definiert. Dabei wurde definiert, was eine gelungene Sozialisation ist und welche Biografie-Verläufe zu gelungener Sozialisation führen. Biografien, die anders verlaufen, werden als deviant, im Sinne devianter Karrieren, definiert (Böhnisch, L.& Schröer, W., 2018. S. 318).
Das Konzept der Lebensbewältigung von Böhnisch richtet der Fokus auf die sozialen, politischen und individuellen Dimensionen, die die Handlungsfähigkeit der Menschen in der modernen Gesellschaft beeinflussen. Die Theorie der Lebensbewältigung geht davon aus, dass all das menschliche Verhalten ein Versuch zur Bewältigung des Lebensalltags ist. Dabei versuchen Menschen immer das subjektive Gefühl der eigenen Selbstwirksamkeit über ihr Leben zu erreichen. Die Lebenslage und Lebens-Biografie bestimmen grösstenteils den Spielraum der Alltags-Bewältigung im persönlichen Leben (Böhnisch, L., 2012, S. 223).
Böhnisch beschreibt mit seiner Lebensbewältigungstheorie das individuelle Streben nach subjektiver Handlungsfähigkeit in den Lebenssituationen, in denen das psychosoziale Gleichgewicht, das Selbstwertgefühl, die soziale Anerkennung oder die Selbstwirksamkeit gefährdet sind.
Die Lebensbewältigung wird von den Subjekten als kritisch erlebt, wenn die personalen und sozialen Ressourcen für die Bewältigung nicht ausreichen (vgl. Filipp, 1981, in Böhnisch, 2012). Deshalb ist dieses Streben nach Handlungsfähigkeit in der Regel nicht nur kognitiv-rational, sondern vor allem emotional und triebdynamisch strukturiert (ebd., S. 223).
Diese kritischen Bewältigungssituationen verursachen eine Erfahrung des Selbstwertverlustes, sozialer Orientierungslosigkeit oder ein Gefühl des fehlenden sozialen Rückhalts. Betroffene suchen dann nach erreichbaren Formen sozialer Integration. Mit “Erreichbare Formen sozialer Integration” ist gemeint, dass die Betroffenen in ihrem Streben nach Handlungsfähigkeit dort sozialen Anschluss und Anerkennung suchen, wo es ihnen als realisierbar erscheint. Dies können auch sozial abweichende Verhaltensformen sein, wenn sie Anerkennung und Selbstwirksamkeit versprechen (ebd., S. 223).
Böhnisch unterscheidet drei Typen der Handlungsfähigkeit (Böhnisch, L.& Schröer, W., 2018, S. 319):
- Regressive Handlungsfähigkeit: Betroffene stehen so unter sozialem Druck, dass sie situative Handlungsfähigkeit nur über antisozial oder selbstdestruktives Verhalten erreichen.
- Einfache Handlungsfähigkeit besteht aus sozial integrierter Alltagsorientierung mit dem Fokus auf die eigene Existenz.
- Erweiterte Handlungsfähigkeit enthält dazu auch noch Empathie und die Wahrnehmung der Folgen des eigenen Handelns.
Dazu unterscheidet das Lebensbewältigungsmodell drei Ebenen, in denen Menschen ihre Handlungsfähigkeit entwickeln können (Böhnisch, L.& Schröer, W., 2018. S. 319):
Die Personal-psychodynamische Ebene wird durch das subjektive Verlangen nach einem stabilen Selbstwert, sozialer Anerkennung und der Erfahrung der Selbstwirksamkeit strukturiert. Dabei können sowohl die soziale Anerkennung als auch die Selbstwirksamkeit innerhalb der gesellschaftlichen Normen oder auch durch auffälliges Verhalten oder Gewalt erreicht werden. Die Lebensbewältigungstheorie nimmt dabei Bezug auf kritische Lebensereignisse im persönlichen Leben als auch auf die Herausforderungen der modernen Gesellschaft.
Relational-intermediäre Ebene: Bewältigungskulturen
Das Bewältigungsverhalten im persönlichen Leben der Menschen wird beeinflusst durch die Bewältigungskulturen, worin Menschen eingebunden sind. Hier entscheidet sich wie subjektive Handlungsfähigkeit gesichert und kritische Lebenskonstellationen verarbeitet werden. Abhängig von der Gruppe ist eine eher regressive oder erweiterte Handlungsfähigkeit festzustellen.
Sozialstrukturelle und sozialpolitische Ebene
Abhängig von der Lebenslage, den sozialökonomischen Verhältnissen und dem sozialen Umfeld haben Menschen mehr oder weniger Chancen, ihre Handlungsfähigkeit zu entfalten.
Auf dieser Ebene können die besonderen Bewältigungsanforderungen von jungen Erwachsenen bei den Übergängen von Ausbildung und Arbeit gesehen werden (Ahmed, S., 2008, S. 175). Ahmed beschreibt (beziehend auf unterschiedliche Autoren, unter anderem Castel (2000)), dass diese Herausforderungen zunehmend den Charakter einer Risikosituation haben, wo Prozesse sozialer Ungleichheit und Fragen gesellschaftlicher Teilhabe oder Ausschluss nachhaltig entscheidend sind (Ahmed, S., 2008, S. 175).
Die Übergänge von Schule, Ausbildung und Beruf können durch Betroffene als Scheitern erlebt, werden und erfordern von Betroffenen eine Bewältigung. Ein hohes Mass an Bewältigungskompetenz wird von den Betroffenen abverlangt, indem sie ihre Zukunftsaussichten an die realistische Prognose anpassen müssen. Zudem kann es sein, dass sie feststellen müssen, dass ihre Biografie nicht der „Normalbiografie“ entspricht (vgl. Böhnisch). Das kann Gefühle von Scheitern und Kontrollverlust hervorrufen.
Als wichtige Faktoren der Motivation junger Erwachsener im Übergang gelten soziale Anerkennung, eine berufliche Perspektive, als sinnvoll erlebte Unterstützung und ein Mass an zugestandener Autonomie in der Gestaltung der eigenen Biografie (vgl. Pohl/Stauber, 2007, in Ahmed, S., 2008, S. 181).
Lebensbewältigung junger Erwachsener in der Sozialhilfe
Unter dieser Überschrift wird Lebensbewältigung weiter beschrieben und bezogen auf die spezifische Lebenslage von jungen Erwachsenen in der Sozialhilfe diskutiert. Abschnitt für Abschnitt werden dabei einige Aspekte und Strategien der Lebensbewältigung angesprochen.
Strategien der Lebensbewältigung junger Erwachsener in der Sozialhilfe werden nach Schaffner/Drilling (2013) gegenstands-übergreifend als Übergangproblematik charakterisiert. Dieser Übergang äussert sich sowohl als entwicklungsbedingte Bewältigungsproblematik wie auch – bezogen auf die Arbeitsmarktintegration – als ausstehender sich verzögernder Übergang von der Schule in die Berufswelt (Schaffner/ Drilling, 2013, 307). Daraus ergibt sich eine Problematik des doppelten Übergangs, innerhalb dessen sich junge Erwachsene bei der Sozialhilfe befinden und aus der heraus sie sich in ihrer prekarisierten Lage über Wasser halten. Obwohl die Problematik des Übergangs in der behandelten Literatur allgemein als zentral anerkannt wird, wird der Doppelcharakter dieses Übergangs nicht genug betont, obschon er für die Konzeptualisierung der Bewältigungsstrategien sowie der darin wirkenden Spannungsverhältnisse konstitutiv ist. Die Herausforderungen einer Arbeitsmarktintegration ohne berufliche Ausbildung sowie die schwierigen familiären Verhältnisse, die eine persönliche Entwicklung hemmen, werden als signifikante Merkmale dieser Lebenslage genannt. Der Doppelcharakter dieser Übergangsproblematik wird allerdings nicht in seiner Gleichzeitigkeit als Spezifikum dieser Lebenslage dringlich gemacht.
Schaffner (2007, 63f.) spricht betreffend der Übergangsprobleme von jungen Erwachsenen von der Schule in den Beruf vor allem eine fehlende Berufsbildung als weitverbreitetes Merkmal von jungen Erwachsenen in der Sozialhilfe an. Diskontinuierliche Biografien sind unter den zunehmend-restriktiven Bedingungen des Arbeitsmarktes besonders stark von Verdrängung aus dem (primären) Arbeitsmarkt und der ohnehin präsenten Prekarisierung betroffen. Junge Erwachsene ohne Ausbildung sind aus dieser Sicht bei der (Ausbildungs-)Stellensuche einem sehr hohen Schwierigkeitsgrad ausgesetzt.
«Den «richtigen» Weg zwischen dem erhöhten Anpassungsdruck und den Optionen zu finden, der einerseits biografische Kontinuität und Kohärenz verspricht, andererseits nicht zu Ausgrenzung führt, erfordert ein hohes Mass an individuellen Leistungen bei gleichzeitig eingeschränktem Handlungsspielraum.» (Schaffner, 2008, 64)
Die zu erfolgende (Re-)Integration in den Arbeitsmarkt wird dabei als “eher prekär als stabil” (Schaffner/Drilling, 2013, 317) bezeichnet. In diesem Zusammenhang wird ein erweitertes Verständnis von Armut dringlich gemacht, welches über eine Reduktion ökonomischer Knappheit hinaus auch soziale und kulturelle Formen der Armut dynamisch im Blick hat (ebd. 319).
Bezogen auf die psychosoziale Lage junger Erwachsener in der Sozialhilfe ist zunächst festzuhalten, dass ein überwiegender Teil der Klient*innen in problematischen familiären Verhältnissen lebt. Schaffner schreibt dazu:
“Diese problematischen Erfahrungen auf der Beziehungs- oder Bedingungsebene führten zu selbstwertgefährdenden Erfahrungen und/oder Orientierungsverlust, Ohnmacht und Verlust des sozialen Rückhalts. Um die hohen Entwicklungsanforderungen unter diesen Bedingungen bewältigen zu können, das Selbstwertgefühl zu schützen und das Bedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit zu befriedigen, begannen die Jugendlichen ein Verhalten zu zeigen, das in der Regel von der sozialen Umwelt als Verhaltensauffälligkeit taxiert wurde.“ (Schaffner/ Drilling, 2013, 316)
Bezogen auf diese Zuschreibung der Verhaltensauffälligkeit sind zwei Handlungsstrategien festzustellen. Dabei handelt es sich um Strategien der Verweigerung einerseits und des depressiven Rückzugs andererseits (Schaffner/ Drilling 2013, 314f, 316.).
Strategien der Verweigerung können offensiv auftreten, insofern Menschen auf jede Verhaltenserwartung mit Aggression, Rebellion, Abgrenzung und trotziger Demonstration reagieren. Verweigerung kann aber auch defensiv bzw. still durch Flucht oder durch Unterlaufen von Erwartungen ausgelebt werden. Andere mit depressivem Rückzug auf den Handlungsdruck, welcher oft im Konsum von Drogen oder Tabletten ausgelebt wird.
Die Handlungsstrategien können sich im Lauf einer Biografie auch verändern. In gewissen Fällen handeln die Betroffenen bewusst auffällig, um auf ihre Schwierigkeiten hinzuweisen. In anderen Fällen kann nur vermutet werden, dass die Verhaltensauffälligkeit eine Signalfunktion hat, worauf in der nächsten Überschrift näher eingegangen wird.
Mit anhaltender Dauer zeigt sich jedoch, dass die Bewältigungsstrategien, welche zunächst eine klare Funktion wie z.B. Stressabbau oder Vermeidung haben, mit der Zeit zu einem zusätzlichen Bewältigungsproblem werden. So gesehen werden die Handlungsstrategien, welche ursprünglich zur Bewältigung von Problemlagen entwickelt wurden, selbst zu einem Problem. In diesem Licht wird darum von sogenannten dysfunktionalen Bewältigungsstrategien gesprochen. Wenn beispielsweise aggressives Verhalten gegenüber Verhaltenserwartungen anfänglich zu einer Selbstbehauptung oder Anerkennung beiträgt, kann diese Strategie längerfristig zu noch mehr sanktionierenden Massnahmen, sei es durch die Sozialhilfe oder im Beziehungsumfeld, führen.
Nicht zuletzt soll darauf hingewiesen sein, dass sich bei den jungen Erwachsenen eine Gewöhnung an das Leben zwischen Sozialhilfe und Arbeitsmarkt einstellt (Schaffner/ Drilling 2013, 322). Welche Effekte diese Gewöhnung auf die Lebensbewältigung der Adressierten hat, kann hier nur fragend angedeutet werden.
Nichtsdestotrotz betonen Schaffner/Drilling neben der doppelten Problematik des Übergangs auch den Chancencharakter der Situation von jungen Erwachsenen in der Sozialhilfe und sehen den frühen Sozialhilfebezug auch als geeigneten Interventionszeitpunkt für eine umfassende Standortbestimmung (2013, 320f.).
Devianz als Bewältigungsverhalten in krisenhaften Lebenssituationen
Im Bewusstsein der Situationsbeschreibung sowie der forschungsleitenden Fragen wurde bereits an verschiedenen Stellen das Thema des devianten Verhaltens angesprochen. Sei es im Zusammenhang mit regressiver Handlungsfähigkeit im Allgemeinen, in diskontinuierlichen Biografie-Verläufen oder spezifischen Bewältigungsstrategien gegenüber Verhaltenserwartungen: Deviantes Verhalten ist eines der zentralen, wiederkehrenden Elemente in der Lebensbewältigung von jungen Erwachsenen bei der Sozialhilfe und damit einer problembewussten Konzeptualisierung der Schlüsselsituation. Unter dieser Überschrift wird Devianz als Bewältigungsverhalten erläutert und in einen krisentheoretischen Kontext gesetzt.
Thomas Enke (Enke, 2013, 454ff.) diskutiert Devianz als Bewältigungsverhalten in krisenhaften Lebenssituationen. Dabei wird zunächst mit dem renitenten Vorurteil aufgeräumt, dass deviantes Verhalten auf das Vorkommen einer sogenannten kriminellen Energie zurückführen ist. Devianz, betrachtet als Bewältigungsverhalten, steht für “das Streben nach Handlungsfähigkeit und psychosozialer Balance in Krisen”, die “auf einen Kampf um Selbsterhalt und bedrohte Lebensziele” zurückzuführen ist (ebd.). In diesem Licht wird ein pädagogisches Verständnis von Devianz angestrebt, welches Devianz als “(vorläufiges) Resultat von misslingender Übergansbewältigung” oder “Spiegel einer misslingenden Krisenbewältigung” (ebd.) deutet.
Der Übergangscharakter der Problemlagen von jungen Erwachsenen wird dabei in den Rahmen einer durchlebten, bivalenten Krise gestellt, einem Veränderungsprozess zwischen Gefahr und Chance. In der genaueren Betrachtung von krisenhaften Bewältigungsverläufen werden bei Enke (2013, 468) vier Handlungstypen vorgestellt, welche ihrem Typ entsprechende Motoren der Veränderung sowie damit zusammenhängende Bewältigungsverläufe aufzeigen. Allen Typen gemeinsam ist die Einsicht, dass deviantes oder delinquentes Verhalten eine Signalfunktion hat, welche in der Folge einschlägig versprachlicht wird.
“Egal ob als bewusster Hilfeschrei oder durch unbewusste Signalwirkung, die Devianz erfüllt eine wichtige kommunikative Funktion, wenn Jugendliche bei den Erwachsenen kein Gehör für ihre Probleme finden.” (Stauber/ Walther, 2013, 467)
Bezogen auf Interventionen wird insbesondere der Zeitpunkt der Intervention in Bewältigungsverläufen in den Blick genommen. Effektive Krisenintervention ist gleich nach einer Eskalation – “auf dem Gipfel der Krise” – im “Moment des völligen Verlustes von Handlungsautonomie” (ebd. 468) anzusetzen.
Relationierung von Schlüsselsituation und Theorie der Lebensbewältigung
In Bezug auf die Auslegung in der Situationsbeschreibung sowie die im Reflexionsprozess aufgekommenen Fragen lassen sich (a.) Zusammenhänge zwischen dem besprochenen Fall und dem bis hierher diskutierten Wissen herstellen. Dabei geht es insbesondere um die Beantwortung der eingangs gestellten Fragen, warum der Klient die Tagesstrukturprogramme wiederholt abbricht, warum er (b.) teilweise aggresiv und impulsiv handelt und (c.) inwiefern die Funktion dieses Verhalten etwas über seine Lebenslage aussagen kann.[1]
- Der Klient befindet sich in einer (Übergangs-)Krise.
Mit Böhnischs Ansatz der Lebensbewältigung ist anzunehmen, dass der junge Erwachsene in unserem Fall in seiner Handlungsfähigkeit als regressiv wahrgenommen werden kann, insofern auch er unter sozialem Druck steht und seine situative Handlungsfähigkeit teilweise über antisozial oder selbstdestruktives Verhalten erreicht. Ein Beispiel für dieses Verhalten besteht etwa in der Eskalation, welche zum Abbruch des Programms führte. Diese Sichtweise bezüglich Bewältigungsstrategien wird bei Schaffner/ Drilling genauer auf die Gruppe der jungen Erwachsenen in der Sozialhilfe typisiert. Auch Schaffner/ Drilling stellen fest, dass die krisenhafte Lebenslage der adressierten Klientel vermehrte Verhaltensauffälligkeiten provoziert. Verhaltensauffälligkeit wird in dieser Hinsicht als Reaktion auf erhöhte Entwicklungsanforderungen in einer erschwerten Lebenssituation konzeptualisiert und genauer als Bewältigungsstrategien typisiert (vgl. Zitat, S.13). Bezieht man diese Einschätzungen auf die Biografie des Klienten – Aufenthalt in einer Hafteinrichtung, mehrere Aufenthalte in Jugendeinrichtungen, fehlende Berufsausbildung – wie sie in der Ausgangslage beschrieben wird, können diese Annahmen bestätigt werden.
- Aggressives und impulsives Verhalten sowie Abbrüche können als Bewältigungsverhalten in einer Krise gelesen werden
Wie in der ersten These bereits beschrieben, befindet sich der Klient in einer krisenhaften Lebenssituation eines erschwerten, doppelten Übergangs. Das hat zur Folge, dass die Verhaltensauffälligkeit des Klienten in den Kontext seiner spezifisch-krisenhaften Lebenssituation gelesen werden kann.
Bezogen auf die eingehende Frage nach dem aggressiven Verhalten lässt sich sagen, dass das Verhalten des Klienten an mehrere bei Schaffner/Drilling erwähnten Handlungsstrategien erinnert (vgl. S. 13f.). Einerseits wird eine Situation beschrieben, die von offensiver Verweigerung (Wutausbruche als Grund des Abbruchs, impulsiv-aggressives Verhalten als Problem in der Beratung) einerseits und depressivem Rückzug durch Cannabiskonsum gekennzeichnet ist. Obwohl dieses Verhalten nicht einer einzigen Strategie zugewiesen werden kann, bestehen doch diverse Äquivalenzen zwischen Situationsbeschreibung und mehreren typischen Bewältigungsstrategien.
- Deviantes Verhalten als Dysfunktion versus deviantes Verhalten als Signal
Hinsichtlich der Funktion des devianten Verhaltens ist mit Enke (vgl. S. 14f.) festzustellen, dass deviantes Verhalten eine Signalwirkung hat. Deviantes Bewältigungsverhalten wie etwa beim Klienten in unserem Fall strebt nach Handlungsfähigkeit und psychosozialer Balance in Krisensituationen an. Auf einer persönlichen Ebene kann der Selbstwertverlusts und Verlust der Handlungsfähigkeit durch Misserfolg in Schule- und Lehrlaufbahn und nicht-erwerbstätig-sein, möglicherweise zu dem Bedürfnis leiten, die Handlungsfähigkeit über abweichendes Verhalten wieder herzustellen. Auf einer subkulturellen Ebene kann der Ersatz bzw. Mangel an emotionale Befriedigung von der Familie in Gruppen mit Gleichaltrigen mit ebenso abweichenden Biografien gefunden werden.
Devianz kann jedoch auch als Resultat einer misslingenden Übergangsbewältigung verstanden werden. Misslingend ist an der Bewältigungsstrategie, dass diese zwar kurzfristig zu Selbstbehauptung führen kann, mittel- bis langfristig allerdings misslingt, weil deviantes Verhalten zu sozialem Ausschluss führen kann. Zielt deviantes Verhalten also darauf, sich in einem sozialen Setting kurzfristig behaupten zu können, so kann das deviante Verhalten selber mit der Zeit zu einem sozialen Ausschlusskriterium werden. Ein solches Verhalten kann als dysfunktional bezeichnet werden, weil das Ziel des Verhaltens durch das Verhalten selbst zusätzlich erschwert wird.
Einerseits hat das deviante Verhalten also eine Signalwirkung. Unabhängig davon, ob diese Signalfunktion bewusst oder unbewusst ist, sollte sie ernstgenommen werden. Andererseits ist das deviante Verhalten insofern als dysfunktional zu bezeichnen, als dass die erwähnten Nebenwirkungen des devianten Verhaltens dem Ziel der sozialen Inklusion schaden können.
- Diskussion
Junge Erwachsene in der Sozialhilfe befinden sich wie alle Jugendlichen in einem doppelten Übergang; von der Schule ins Erwerbsleben einerseits sowie entwicklungspsychologisch von der Adoleszenz ins Erwachsensein andererseits. Betrachtet man diese beiden Felder der Bewältigung, so zeigt sich, wie junge Erwachsene in der Sozialhilfe sowohl in der berufsweltlichen Integration sowie in ihren psychosozialen Lagen besonders gefordert sind. Ihre berufliche Integration ist erschwert, weil sie meistens keine Berufsausbildung abgeschlossen haben. Ihre psychosoziale Lage ist meist gezeichnet von problematischen familiären Verhältnissen.
Auf einen zweiten Blick scheint es darum sehr plausibel, dass sich junge Erwachsene bei der Sozialhilfe im Allgemeinen sowie auch der Klient in einer (Übergangs-)Krise befinden und dass das aggressive und impulsive Verhalten des Klienten als Bewältigungsstrategie dieser Krise verstanden werden kann. Besonders interessant für die weitere Bearbeitung des Falls scheint der dritte Zusammenhang, welcher die Funktion von Devianz in einem Spannungsfeld zwischen Signalisierung und Dysfunktion verortet. Wie kann die PSA einerseits auf diese Signale eingehen und sie dem KL gegenüber bewusst werden lassen? Und, wie kann vermittelt werden, dass eine deviante Bewältigungsstrategie zu misslingen scheint, wenn sie der Absicht nach Selbstbehauptung strebt, effektiv aber zu sozialem Ausschluss führt? Ein Hinweis auf diese Fragen könnte Enke (vgl. S15) liefern, der sagt, dass erst ein pädagogisches Verständnis des devianten Verhaltens eine nachhaltige Intervention ermöglicht.
5.1.2. Motivationstheorie – Transtheoretisches Modell der Veränderung
In der Situationsbeschreibung ist zu vernehmen, dass das Thema der Motivation sich prägend auf die Lebenslage des Klienten auswirkt, was sich ebenfalls als Gesprächsgegenstand der Reflection in Action zeigt. In unterschiedlichen Lebensabschnitten des Klienten wird das Fehlen von Motivation genannt und wirkt als Faktor, welcher die wiederholten Abbrüche unterstützt. Der Unterstützungsbedarf der Adressat*innen der Sozialen Arbeit zeigt sich nicht selten darin, Veränderungsprozesse von Verhalten, welches sich negativ auf die Lebenssituation der Person oder deren Umfeld auswirkt, zu begleiten, anzuregen und zu unterstützen. Diese Prozesse zeigen sich teils ambivalent, was sich in der Diskrepanz zwischen dem zu beobachtendem Handeln und dem verbalisierten Vorhaben der KlientInnen zeigen kann. Somit ist davon auszugehen, dass die KlientInnen teils Blockaden in ihrem Veränderungsprozess erleben, was die Professionellen der Sozialen Arbeit (PSA) vor diverse Herausforderungen stellt. In diesem Spannungsfeld bietet das Transtheoretische Modell der Verhaltensveränderung nach Prochaska und DiClemente (vgl. Keller 1999: 17 vgl. nach Prochaska & DiClemente, 1984) Erklärungsansätze, um die Situation der Adressat*innen zu verstehen und Individuelle Unterstützung anbieten zu können. Das Modell beschreibt, das jede Person innerhalb einer Veränderung gewisse Prozesse durchläuft («processes of change») welche durch unterschiedliche Strategien gekennzeichnet sind, diese werden begleitet von aufeinander aufbauenden Stufen auch «stages of change» genannt, welche von allen Personen durchlaufen werden (vgl. Keller 1999: 17).
Im Folgenden werden die Stufen wie auch die Prozesse der Verhaltensveränderung erläutert, um diese anschliessend im Teil der Relativierung in mit dem Fallwissen zu verknüpfen.
Stages of change
Die Empirie zeigt, dass Personen in Veränderungsprozessen sechs aufeinander folgende Stufen durchleben. Dabei gilt zu beachten, dass die zeitliche Dimension stark vom Individuum abhängt, und es somit variieren kann, wie lange eine Stufe andauert. Gilt es ein Verhalten nachhaltig zu ändern, so bedingt es das Durchlaufen aller Stufen, diese wären die Absichtslosigkeit, die Absichtsbildung, die Vorbereitung, die Handlung, die Aufrechterhaltung und die Stabilisierung (vgl ebd.: 18f.).
Absichtslosigkeit
In der Stufe der Absichtslosigkeit auch «precontemplation» genannt, ist keine Veränderungsintention zu erkennen. Die Personen geben an, im Zeitraum der nächsten sechs Monate, keine Veränderung vornehmen zu wollen. Es wird davon ausgegangen, dass Personen, welche sich in dieser Stufe befinden zu wenig Informationen über das Problem haben oder die Konsequenzen dessen nicht genügend kennen. Ebenfalls ein Merkmal der Absichtslosigkeit ist die Resignation, was vermehrt bei Personen zu erkennen ist, die bereits im Veränderungsvorhaben gescheitert sind und sich somit keinen Erfolg mehr versprechen. Die Stufe der Absichtslosigkeit zeigt sich als die stabilste innerhalb des Modells. Aus der Forschung zeigte sich, dass bis zu zwei Drittel in dieser Stufe bleiben.
Absichtsbildung
Im Gegensatz zur Stufe der Absichtslosigkeit, ist in der Stufe der Absichtsbildung auch «contemplation», ein Wunsch zur Veränderung zu erkennen. Die befragten Personen geben an, eine Veränderung in den nächsten sechs Monaten angehen zu wollen, was jedoch nicht zu konkreten Schritten führt. Diese Stufe zeigt sich ebenfalls als sehr stabil und die Personen können sich für eine lange Zeit darin aufhalten, da sie die Vor- und Nachteile der Veränderung in einer Balance sehen.
Vorbereitung
Die Stufe der Vorbereitung ist geprägt von hoher Motivation, was sich darin zeigt, dass die Personen in den nächsten 30 Tagen eine Veränderung angehen wollen. Es werden konkrete nächste Schritte geplant und klare Entscheidungen werden getroffen, ohne dass dies zum Zielverhalten beisteuert.
Handlungsstufe
In der Handlungsstufe erfolgen aktive Versuche das Zielverhalten zu erreichen. Diese Phase beginnt, sobald die Person sich aus der Vorbereitung in die Umsetzung bewegt, was sich als der aktivste Teil des Modells zeigt. Da die kognitiv-affektive Ebene verlassen wird, und sich die Prozesse in konkreten Handlungen abspielen, was mit einer direkteren Sichtbarkeit einhergeht, erhalten die Personen mehr Reaktionen von aussen. Der mit der Handlung deutlich verbundene Aufwand bewirkt, dass dieser Prozess den Personen ein hohes Mass an Entschlossenheit sowie Engagement abverlangt, daher besteht ein grösseres Risiko der Regression, sprich des Rückfalls in eine vorherige Stufe.
Aufrechterhaltung
Die Stufe der Aufrechterhaltung tritt ein, sobald das Verhalten für mindestens sechs Monate konsequent geändert wurde. Dabei gilt zu beachten, dass es sich bei diesen sechs Monaten um einen Richtwert handelt, es gibt durchaus Stimmen, welche betonen, dass bei gewissen Verhaltensänderungen ein längerer Zeitraum eingehalten werden muss, um in die fünfte Stufe überzugehen (Bsp. Ernährungsverhalten). Auch diese Stufe wird als aktiv betrachtet, da die Personen sich bemühen, Massnahmen zu ergreifen, um Rückfälle zu verhindern.
Stabilisierung
Bei gewissen Verhaltensveränderungen bewährt sich das Einführen einer sechsten Stufe, welche die Merkmale einer nullprozentigen Rückfallwahrscheinlichkeit aufweist, was sich jedoch nicht generell abzeichnet und nicht auf alle Fälle anwenden lässt. Abschliessend lässt sich sagen, dass gewissen Verhaltensveränderungen – wie beispielsweise die Veränderung des Essverhaltens – mit einer lebenslangen Bemühung zur Umsetzung sowie eine Auseinandersetzung mit dem Zielverhalten verlangen, um die Rückfallwahrscheinlichkeit einzuschränken.
Relationierung
Bit dem Blick auf die Situationsbeschreibung sowie die Reflection in Action kann davon ausgegangen werden, dass der Klient sich in der zweiten Stufe befindet; der Absichtsbildung. Dies zeigt sich anhand der genannten Veränderungsmotivation resp. äussert der Klienten, dass er eine gewisse Sinnhaftigkeit im Wahrnehmen einer Tagesstruktur erkennen und gewillt ist eine solche wahrzunehmen. Das Konkretisieren von nächsten Schritten bleibt jedoch aus, was eine Eigenschaft der dritten Stufe, der Vorbereitung, ist. Die gegenwärtige Stufe zeigt sich als stabil, somit kann der Klient sich eine längere Zeit darin befinden. Das Konkretisieren von nächsten Schritten, sowie das gemeinsam Reflektieren von Vor- und Nachteilen der Lebenslage, könnte den Klienten unterstützen in seiner Verhaltensveränderung.
5.1.3. Erlernte Hilflosigkeit und Empowerment
“Erlernte Hilflosigkeit – so die theoretische Kernaussage – nimmt ihren Ausgang in der wiederholten Erfahrung der Person, dass alle Anstrengungen, belastende Ereignisse und Situationen ihrer Umwelt zu beeinflussen, fehlschlagen. Wenn auch wiederholte Versuche, die Kontorolle über die Umwelt zurückzugewinnen, sich als erfolglos erweisen, so führt dies zu einer spezifischen Verletzlichkeit: die Motivation der Person, Einfluss auszuüben und gestaltend zu handeln, vermindert sich; die zukunftsgerichteten Erfolgserwartungen im Hinblick auf das eigene Kontrollhandeln färben sich negativ; das Vertrauen in die eigenen Handlungsfähigkeiten und Bewältigungsressourcen schwindet; sozialer Rückzug, Depressivität und Hoffnungslosigkeit kehren ein.” (Herringer, 2014, 55f.)
Der Empowerment-Ansatz konzentriert sich in der Auslegung seiner Praxis auf die erlebte Ohnmacht von Menschen, welche übergreifend als “biografische Nullpunkt-Erfahrungen“ (Herringer, 2014, 53) klassifiziert werden. Den Adressat*innen dieses Ansatzes gemeinsam ist eine Perspektive, welche umgangssprachlich mit no future gut zusammengefasst werden kann. Auf einer analytischen Ebene kann das Gefühl der Ohnmacht auf eine Summe von paradigmatischen Erfahrungen wie Resignation, Misstrauen, Schuld- und Schamgefühle, Ausgeliefert-Sein etc. gebracht werden (Herringer, 2014, 54f.).
Wegbereitend für die Auslegung dieser sich akkumulierenden Erfahrungen der Ohnmacht ist die Theorie der erlernten Hilflosigkeit, wie sie erstmals vom klinischen Psychologen und Depressionsforscher Seligman 1975 verschriftlicht wurde. Die Theorie der erlernten Hilflosigkeit ist für unsere Schlüsselsituation von Bedeutung, weil sie der Frage nachgeht, inwiefern eine Person, die über längere Zeit widerholte Erfahrungen der Ohnmacht macht, sich an diesen Zustand gewöhnt und wie diese Erfahrung der Hilflosigkeit, welche sie in bestimmten Situationen erlebt hat, sich mit der Zeit zu einer erlernten Hilflosigkeit entwickelt, welche sich nicht mehr nur auf diese Situationen beschränkt, sondern sich im Alltagserleben dieser Person ausbreitet oder beständiger bleibt, als dass sie es eigentlich sein müsste.
Der Entstehungsherd von erlernter Hilflosigkeit besteht im “Eintreten eines belastenden Lebensereignisses” (Herringer 2014, 56). Ein solches einschneidendes Ereignis hat viele Gesichter. Ihnen gemeinsam ist die Tatsache, dass sie ein Ungleichgewicht in den Alltag bringt, worauf mit individuellen Strategien der Bewältigung reagiert wird. In den meisten Fällen führt das individuelle Bewältigungsverhalten dazu, dass ein belastendes Ereignis mit der Zeit überwunden oder mindestens so bewältigt werden kann, dass der Alltag aufrechterhalten werden kann. Erlernte Hilflosigkeit entsteht, wo die Bewältigungsversuche scheitern. Das Resultat dieser gescheiterten Bewältigungsversuche führt zu einer Erfahrung der “Unkontrollierbarkeit eines Ereignisses” und schlussendlich zu einer “Generalisierung von Hilfslosigkeitserwartungen” (Herringer, 2014, 56). Die Erfahrung, dass ein einschneidendes Ereignis nicht bewältigbar ist, überträgt sich auf andere Ereignisse. Oder anders gesagt: das Gefühl der andauernden Ohnmacht breitet sich auf andere Lebensbereiche aus. Herringer (2014, 57) bezeichnet diesen Prozess auch als “ein sich immer schneller drehendes Karussell der Entsozialisierung von Kompetenzen, Motivationen und Selbstregulierungsfähigkeiten”. Damit ist gemeint, dass Betroffene durch die andauernde Ohnmacht ihre ursprünglich funktionierenden Bewältigungsstrategien verlernen. Das Bild des Karussells eignet sich in der Weise, dass Erlernte Hilfslosigkeit analog zur Zentrifugalkraft immer stärker wirkt, wenn sie einmal angestossen und nicht ausgebremst wird.
Erlernte Hilfslosigkeit ist ein Prozess, der durch eine Krise ausgelöst wird. Durch die fehlgeschlagenen Versuche, eine Krise zu bewältigen, wird sie permanent. Das Gefühl der Ohnmacht überträgt sich auf andere Lebensbereiche und führt dazu, dass Menschen ihre Erwartung der Hilfslosigkeit generalisieren. Diese Prozesse können auch als „Prozesse der subjektiven Interpretation, Bewertung und Erklärung der Nichtkontrolle” (Herringer, 214, 57) gefasst werden, welche als Attributionsmuster ein Teil der Konzeption von Erlernter Hilfslosigkeit sind.
Die Attributionsmuster spielen eine zentrale Rolle in der Erklärung von Erlernter Hilfslosigkeit, weil sie eine Verbindung machen zwischen der Erfahrung der misslingenden Bewältigung eines Ereignisses und dem graduellen Verlust von Selbstwirksamkeit und Selbstwertgefühl. Betroffene stellen sich nach einem unkontrollierbaren Ereignis zurecht die Frage, warum gerade ihnen dieses Ereignis widerfahren ist. Der Möglichkeitsraum, innerhalb dessen Betroffene nach Gründen suchen, kann dabei etwas über ihre Bewältigungsstrategien, aber auch ihre Tiefengeschichte aussagen. Ich beziehe mich im Folgenden auf die rezitierte Darstellung von Herringer (2014, 58f.).
- Personalisierung von Verantwortung steht für das Spektrum “internal vs. external“. Wird die misslingende Bewältigung eines Lebensereignisses auf die eigene Person bezogen, in der Hinsicht, dass andere Menschen in der gleichen Situation hätten damit umgehen können, spricht Seligman von persönlicher Hilfslosigkeit. Wird eine misslingende Bewältigung dieses Lebensereignis auf Umweltfaktoren zurückgeführt, so spricht man von universeller Hilfslosigkeit.
- Mit der Reichweite der Nichtkontrolle verorten sich Betroffene auf dem Spektrum von “universell/global vs. spezifisch“. Damit ist gemeint, ob bzw. wie umfassend die Erfahrung der Ohnmacht ist. Bezieht sich die Nichtkontrolle nur auf einen spezifischen, abgrenzbaren Teilbereich des Lebens oder umgreift er einen Grossteil des Alltags?
- Zeitliche Stabilität der Hilfslosigkeitsursachen bezeichnet die Dauer der misslingenden Bewältigung auf einem Spektrum von “stabil vs. variabel“. Wie lange dauert es, bis eine Person eine gelingende Strategie entwickelt hat?
Attributionen bilden in ihrer Gesamtheit einen Erklärungsstil, der in seiner Tendenz entweder einer optimistischen oder pessimistischen Ausdruckweise folgt (Herringer, 2014, 59). Gelingt es einer betroffenen Person, sich auf optimistische Weise gegenüber einem Bewältigungsmisslingen zu verhalten, so läuft sie weniger Gefahr, dass das Karussell der Entsozialisierung von Kompetenzen ein Drehmoment entwickelt, welches sich nicht mehr aus eigener Kraft stoppen lässt. Seligman sagt über den optimistischen Erklärungsstil, dass er aus dem Attributionsmuster external/spezifisch/variabel besteht und wie ein immunisierender Schutzschild wirkt (Herringer, 2014, 59).
Erlernte Hilfslosigkeit als Grundlage für die Auslegung des Empowerment-Ansatzes steht zusammengefasst für biografische Nullpunkt-Erfahrungen, welche ihren Anfang in einem belastenden Lebensereignis nehmen. Wenn die Bewältigung eines solchen Ereignisses misslingt, kann sich ein Gefühl von Ohnmacht oder Demoralisierung auf Handlungsfelder ausdehnen, welche bisher als bewältigbar wahrgenommen wurden. Diese Generalisierung der Hilfslosigkeitserwartungen kann dazu führen, dass funktionierende Bewältigungsstrategien verlernt werden. Erlernte Hilfslosigkeit ist insbesondere dann zu beobachten, wenn Attributionsstile insgesamt pessimistisch ausfallen.
An dieser Stelle könnten sich Lesende nun fragen, ob Erlernte Hilfslosigkeit Klient*innen auf ihre psychologische Situation reduziert. Weil in diesem Kapitel vor allem die psychosoziale Lage von Klient*innen beschrieben wird, wird der Einwand der Psychologisierung noch verstärkt. Erlernte Hilfslosigkeit beschränkt sich allerdings nicht nur auf die Beobachtung von biografischen Nullpunkterfahrungen und deren Verlauf. Erlernte Hilflosigkeit soll hier als Konzept verstanden werden, welches dem Rahmenkonzept Empowerment ein differenziertes psychosoziales Problembewusstsein liefern soll.
Für die deskriptive Einordnung und Relationierung mit der Schlüsselsituation wird hier nun der Empowerment-Ansatz in einer Analyse des Defizit-Blicks erörtert. Vorwegnehmend kann diesbezüglich angekündigt werden, dass die eingangs gestellten Fragen, welche sich auf Defizite des Klienten konzentrieren, aus der Warte des Empowerment-Ansatzes frisch gerahmt und damit neu gestellt werden müssten.
Der Defizit-Blickwinkel im Setting der Sozialhilfe
Folgt mensch der bisher gemachten Analysen, so könnte der Eindruck entstehen, dass Erlernte Hilfslosigkeit ein Phänomen ist, welches ausschliesslich von Klient*innen ausgeht. Ein kritisches Verständnis von sozialarbeiterischen Settings im Sinne des Empowerment-Ansatzes verlangt allerdings, der Frage nachzugehen, inwiefern die Praxis der Sozialen Arbeit nicht nur unterstützend in der Lösung eines Problems sein kann, sondern auch, inwiefern Soziale Arbeit ein Teil des Problems ist. Freilich immer noch mit dem Ziel, Leiden zu mindern und Notlagen durch Hilfeleistung aufzulösen. In diesem selbstkritischen Licht spricht Herringer (2014, 64ff.) den Defizit-Blick an, durch den Sozialarbeiter*innen in Gefahr laufen, das Gefühl der Hilfslosigkeit weiter zu verstärken.
Herringer (ebd. 66) geht davon aus, dass in der Übersetzungsarbeit, welche im Setting der Hilfeleistung vollbracht wird, ob mensch will oder nicht, ein Vorstellungsbild eines defizitären und tief beschädigten Lebens entsteht. Diese Übersetzungsarbeit, welche auch im Setting der Sozialhilfe stattfindet, ist einerseits nötig, um die Notlage einer Person nicht nur als individuelle Lebensrealität, sondern auch als “behörden-offizielles” (ebd. 66) Problem zu klassifizieren. Die Nebeneffekte, welche durch die rechtliche Anerkennung einer Notlage entstehen, werden im Folgenden anhand zweier Deutungsfolien des Defizit-Blicks nach Herringer (ebd. 67 – 69) paraphrasiert.
Auf einer medizinischen Ebene kann beobachtet werden, dass Betroffene sowie Unterstützende Gefahr laufen, dass körperliche wie seelische Empfindungen von Menschen in einer Notlage pathologisiert werden. Es kann sehr befreiend oder zumindest bestätigend sein, wenn medizinische Defizite diagnostiziert werden. Gleichzeitig kann dieser Blickwinkel dazu führen, dass der Zusammenhang von Gesundheit und sozialer Lage vergessen wird. Oder, dass der Handlungsspielraum, auf dessen Grundlage Interventionen möglich sind, auf ein Individuum beschränkt wird, ohne dessen Umfeld mitzudenken. So ist es in der Situationsbeschreibung unserer Schlüsselsituation beispielweise der Fall, das Rückenprobleme und Cannabiskonsum als Defizite benannt werden. Einerseits ist dabei unklar, inwiefern diese Defizite unabhängig voneinander betrachtet werden können bzw. inwiefern Cannabiskonsum, Rücken- sowie Übergangsprobleme zusammen als Symptome von Armut und Arbeitslosigkeit betrachtet werden können.
Unklar ist auch, welche Zusammenhänge diese Dinge zum sozialen sowie strukturellen Umfeld des Klienten haben und ob, wie und mit wessen Hilfe er diese Schwierigkeiten überwinden könnte. Oder anders gesagt wäre es auch denkbar, dass die wiederholten Abbrüche von Programmen auf eine Suchterkrankung zurückzuführen sind. Ferner ist zu bedenken, dass eine medizinische Diagnose wie Rückenprobleme eine ebenso selbst-schützende wie defizitäre Funktion haben kann und es unklar ist, inwiefern diese Abwägung im Prozess der sozialarbeiterischen Einschätzung stattfindet.
Auf einer sozialisationstheoretischen Ebene kann davon ausgegangen werden, dass Sozialarbeiter*Innen in der Aufarbeitung der Biografien Gefahr laufen, den Betroffenen ihre eigene Geschichte aus den Händen zu nehmen oder schlimmer noch, das Scheitern ihrer Biografie zu determinieren. Dabei geht es darum, dass einschneidende Erlebnisse und Eckpunkte einer Biografie in den Augen von Betroffenen oder Unterstützenden teilweise unterschiedlich wahrgenommen werden. Weil die unterstützende Person kraft ihrer Manifestationsmacht im Hilfesystem das letzte Wort hat, kann es vorkommen, dass Ereignisse oder Verläufe umgedeutet werden. So wird in der Situationsbeschreibung dieser Schlüsselsituation beispielsweise grösstenteils über die Defizite sowie ausserordentlichen Aufenthalte in Anstalten gesprochen. Über Ereignisse, welche ermächtigend oder entwicklungsfördernd für den Betroffenen, geschweige denn über seine Stärken, wird nicht geschrieben. Genauso denkbar wäre auch, dass die Abbrüche als tatsächlich ermächtigende Handlungsversuche verstanden würden, durch die der Klient wieder das Gefühl der Kontrolle oder des bewussten Umgangs mit seiner Alltagsstruktur erlangte.
Im Fall, dass Soziale Arbeiter*innen nicht auf diese blinden Flecken sensibilisiert sind, lauert generell die Gefahr, dass eine Gewöhnung an die Defizit-Perspektive stattfindet und Klient*innen sich in ihrer Rolle weniger handlungsmächtig, sondern zusätzlich passiv erleben und werden. Sie gewöhnen sich an eine passiv-abhängige Rolle. Ergreift diese demoralisierende Dynamik den Hilfeprozess, so verstärkt auch die Sozialhilfe die Generalisierung der Hilflosigkeitserwartung bei Klient*innen.
Relationierung Erlernte Hilfslosigkeit auf die Schlüsselsituation
Für die Relationierung mit der Schlüsselsituation wird hier in einem ersten Schritt gefragt, ob und wie der Klient von erlernter Hilfslosigkeit betroffen sein könnte. In einem zweiten Schritt geht es darum, inwiefern die Defizit-Orientierung auch im hier vollbrachten Reflexionsprozess reproduziert wird.
Bezüglich der Relationierung der zuvor gemachten Erläuterungen mit dem konkreten Fall lässt sich zunächst in Erinnerung rufen, dass es um eine junge Person geht, die bereits mehrere, tiefgreifende und wohl auch stigmatisierende Ausschlusserfahrungen in verschiedenen Lebensbereichen gemacht hat (bspw. Familie, Schule, Hafteinrichtung, Sozialhilfe). Diese Erfahrungen des Ausschlusses bzw. Der Isolation deuten darauf hin, dass Hilfslosigkeit eine Erfahrung ist, welche im Leben des jungen Erwachsenen mindestens mehrmals und für begrenzte Zeit eine schwerwiegende Emotion seines In-der-Welt-Seins ausmacht. Ob sich diese Hilfslosigkeit generalisiert hat, d.h. ob sie sich auch auf andere Lebensbereiche ausgebreitet haben, lässt sich hier nur vorsichtig vermuten.
Der Klient sagt über den Rausschmiss aus der Tagesstruktur, dass es dumm gelaufen sei und er sich wehren musste. Seine eigene Involviertheit nimmt er weniger zur Kenntnis. Die Attribution verortet sich auf dem Spektrum der Personalisierung also eher auf Umweltfaktoren als auf Internalisierung. Auch die Motivation, wieder in eine Tagesstruktur einzusteigen, ist nicht intrinsisch, sondern extrinsisch durch seine Beziehungspersonen (Freundin, Mutter) angetrieben.
Über die Reichweite der Nichtkontrolle lässt sich auf der Grundlage der Situationsbeschreibung nur werweissen. Allerdings steht fest, dass die Kontrollverluste mit den verschiedenen Abbrüchen von Brückenangeboten sowie dem Gefängnissaufenthalt darauf hinweisen, dass der Klient bereits von starken Einschränkungen seiner eigenen Handlungsfähigkeit und -Freiheit geprägt ist.
Gleichzeitig sei hier angefügt, dass aus Sicht des Autors dieser Zeilen es auch anmassend wäre, eine psychologische Diagnose zu stellen. Aus den bisher gemachten Beobachtungen (deviantes Verhalten, Gefängnis, Abbrüche, Cannabiskonsum, Sozialhilfebezug) kann aus sozialarbeiterischer Warte heraus darum vor allem festgestellt werden, dass der Klient offenbar auf verschiedenen Ebenen um seine Handlungsfähigkeit ringt. Das bedeutet, dass der Klient nicht nur in einer finanziellen Notlage ist, sondern auch biografische Nullpunkt-Erfahrungen macht. Es ist wahrscheinlich, dass er das paradoxe Gefühl der Hilflosigkeit im und gegenüber dem Hilfesystem wahrnimmt.
Mit Blick auf den Defizit-Blickwinkel kann zunächst festgestellt werden, dass die Situationsbeschreibung dieser Schlüsselsituation sich als eine Liste von defizit-orientierten und problematisierenden Feststellungen lesen lässt. Für den Reflexionsprozess kann darum festgehalten werden, welche Fragen eine ressourcenorientierte Perspektive bestärken würden, welche hier exemplarisch ausformuliert sind.
- Was für ein Ziel wurde in den Beratungsgesprächen mit dem Klienten festgelegt?
- Inwiefern fühlt sich der Klient involviert in der Zielsetzung im Hilfesystem?
- Wie Rolle spielt die Biografie des Klienten im Hilfesystem? Welche Kompetenzen wurden in der Beratung festgestellt? Wie können diese Kompetenzen für eine ermächtigende Handlungsweise genutzt werden?
- Erlebt sich der Klient als passiv und abhängig im Hilfeprozess? Was braucht der Klient, damit er sich seiner Autorenschaft seiner Biografie begreift? Was braucht die PSA, damit sie ihre Machtposition entschärfen kann?
- Was tut die PSA, um aus einer Defizit-Orientierung herauszukommen? Welche Methoden stehen ihr zur Verfügung, um die Stärken des Klienten zu erforschen und unterstützen?
Diese und andere Themen der Intervention werden im weiteren Verlauf dieser Arbeit, insbesondere im Kapitel über das biografische Lernen, weiterverfolgt. Für das Kapitel Intervention ist grundsätzlich zu klären, inwiefern der Prozess des Verlernens von funktionierenden Bewältigungsstrategien gestoppt werden kann. Es fragt sich ausserdem, ob der sozialpolitische und sozialrechtliche Kontext der Sozialhilfe die sozialarbeiterischen Methoden einschränkt, die einen Prozess des Verlernens in Gang setzen könnte.
5.1.4 Stigmatisierung
In diesem Kapitel versuchen wir die Fragen, die aus dem Reflection in Action entstanden sind, zu beantworten anhand der Theorie der Stigmatisierung von Goffman. Mit dieser Theorie wird beschrieben und erklärt, wie Personen, die von einer Stigmatisierung betroffen sind, diese Situation bewältigen. Diese Theorie eignet sich gut, um die Fragen in der Schlüsselsituation zu beantworten, weil diese Theorie versucht zu erklären, wie abweichendes Verhalten entstehen kann, und warum bestimmtes Verhalten als abweichend definiert wird.
Stigmatisierungs-Theorie nach Erving Goffman
Das Wort Stigma stammt aus dem griechischen und beschreibt die körperlichen Zeichen, die Menschen als Sklaven, Verbrecher oder Verräter erkennen liess (Goffman, E., 2018, S. 9). Später wurde der Begriff auch benutzt für andere Formen von Unehre, die je nach Gesellschaft und Epoche anders definiert waren.
In jeder Gesellschaft, wo viele unterschiedliche Menschen zusammenleben, teilen Menschen einander in Kategorien ein. Das erlaubt den Mitgliedern der Gesellschaft eine Routine in dem Umgang mit anderen. Bei dieser Kategorisierung werden Individuen auch den Eigenschaften zugeteilt, die man für die Mitglieder diese Kategorien als gewöhnlich und natürlich empfindet. Diese Kategorisierung kann man, als die „soziale Identität“ von Personen deuten (ebd., S10), weil es ebenso Charaktereigenschaften betrifft als strukturelle Merkmale wie zum Beispiel Beruf, Geschlecht, Herkunft oder Armut. Unbewusst werden diese Erwartungen der Gesellschaft in Anforderungen umgewandelt.
Wenn eine Person eine Eigenschaft besitzt, die ihn negativ unterscheidet von den Anforderungen seiner Kategorie wird diese Person von einer gewöhnlichen Person zu einer befleckten Person mit einem Stigma (vgl. ebd., S. 11). Es besteht eine Diskrepanz zwischen der „virtualen sozialen Identität“ und der „aktualen sozialen Identität“. Es spielt dabei keine Rolle, ob es eine, als positiv oder als negativ bewertete Eigenschaft betrifft. Es geht darum, ob die Eigenschaft abweicht von den Erwartungen; vom Stereotyp-Bild. Eine und selbe Eigenschaft kann für eine Gruppe “Normal” sein, wo es in eine andere Gruppe ein Stigma bedeutet (ebd., S. 11).
Wenn eine stigmatisierte Person sich bewusst ist, dass anderen Bescheid wissen über ihr Anderssein, spricht Goffman (ebd., S12) von einer diskreditierten Person. Wenn die Person annimmt, dass sie den anderen unbekannt ist, spricht er von ein diskretitierbaren Person.
Dieser Unterschied ist wichtig, weil es beeinflusst wie Personen, die von einer Stigmatisierung betroffen sind, mit ihrem Stigma umgehen (Tröstler, H. & Pulz, I., 2020, S. 176).
Goffman unterscheidet drei Typen von Stigmata. Zum ersten die Stigmata mit körperlichen Beeinträchtigungen. Zweitens beschreibt er die Stigmata, die mit Eigenschaften zusammenhangen, die als Charakterfehler gelten. Wie zum Beispiel Faulheit oder Rückgratlosigkeit. Die dritte Gruppe betrifft die Stigmata an Grossgruppen. Diese Stigmata werden von Generation zu Generation vererbt (Engelhardt, M., 2010, S129).
Umgangsweisen mit den „Normalen“
Die Situation der diskreditierten Personen bedeutet für Betroffenen, dass sie von den „normalen Personen“ diskriminiert werden können oder dass „normale Personen“ nicht bereit sind, sich auf der gleichen Ebene mit Betroffenen zu begegnen (Goffman, E., 2014, S. 16).
Soziale Kontakte zwischen „normalen Menschen“ und einer stigmatisierten Person sind darum geprägt von Unsicherheiten für die stigmatisierte Person. Diese Unsicherheiten betreffen sowohl die Frage in welcher Kategorie die stigmatisierte Person platziert wird als auch die Frage was die wirklichen Gründe vom Verhalten des Gegenübers sind (ebd., S.24).
Für beide Seiten stellt die Interaktion zwischen Stigmatisierten und nicht-Stigmatisierten ein Problem da. Unterschiedliche Weise von Interaktion-Gestaltung sind möglich (von Engelhardt, M., 2010, S. 134).
- „Normale können die Stigmatisierte Person entsprechend der Gesellschaftsnormen diskriminieren.
- In einer Art Umkehrung können „Normale“ sich auch bemühen, Stigmatisierte bewusst besser zu behandeln.
- „Normale“ können versuchen, der Interaktion mit Stigmatisierten zu entgehen.
- „Normale“ können sich für die stigmatisierte Person oder Gruppe einsetzen.
- „Normale“ können zur Beseitigung, Normalisierung des Stigmas beitragen.
Bewältigung der Stigmatisierung
Betroffene von Stigmatisierung müssen sich möglicherweise ihre „Makel“ öffentlich eingestehen, was Schamgefühle auslösen, und das Selbstbild der Person beeinflussen kann (Goffman, E., 2014, S. 16). Die stigmatisierte Person kann zur Bewältigung dieser Situation verschiedene Strategien anwenden.
- Stigmatisierten können sich aus stigmatisierenden sozialen Kontakten zurückziehen. Betroffene meiden dann soziale Kontakte, in denen sie Zurückweisung und Ausgrenzung erwarten.
- Der stigmatisierte Person kann versuchen das Stigma direkt oder indirekt zu beheben oder abzuschwächen. Oder die Person kann sich von der stigmatisierten Gruppe distanzieren (Tröster, 2020, S. 177).
- Zurücknahme des persönlichen Engagements (Tröster, S. 176). Stigmatisierte können Selbstwertbedrohungen abwehren, indem sie sich innerlich von den Erwartungen und Zielen in den stigmatisierten Lebensbereichen distanzieren.
- Pflege alternativer Beziehungen. Stigmatisierte können sich verstärkt soziale Beziehungen suchen, in denen sie Wertschätzung und Anerkennung erfahren (Tröster, S176).
- Das stigmatisierte Individuum kann sein Stigma als Entschuldigung für Misserfolge benutzen (Goffman, E., 2014, S. 20). Die stigmatisierte Person kann argumentieren, dass er/sie viel zusätzlich leistet, weil das Stigma eine zusätzliche Herausforderung bedeutet, und so das Selbstwertgefühl verbessern. Die stigmatisierte Person kann auch versuchen, das Stigma mit anderen Leistungen zu kompensieren.
- Offene Feindseligkeit. Stigmatisierte Personen können auch offen feindselig und aggressiv reagieren auf soziale Kontakte mit nicht-stigmatisierten Personen (vgl. Goffman, 2014, S. 28).
- Betroffene suchen sich oft einen Freundes- und Bekanntenkreis mit Personen, die das gleiche Stigma besitzen (Tröster & Pulz, 2020, S. 176). Die Zugehörigkeit einer Gruppe von Personen, die sich in einer ähnlichen Lage befinden, erleichtert es ein Selbstkonzept aufzubauen, das nicht von negativen Bewertungen geprägt ist. Durch die Identifikation mit der Gruppe der Stigmatisierten kann die Selbstwertbedrohung, die Stigmatisierte im Kontakt mit Nicht-Stigmatisierten erfahren, kompensiert werden.
- Diskreditierbare Personen, deren Stigma der sozialen Umwelt nicht bekannt ist, haben die Möglichkeit ihr „Makel“ zu verheimlichen. Diskreditierbare Personen, die versuchen als „normal“ wahrgenommen zu werden, leben dann aber mit dem Stress dass sie immer “entlarvt” werden können (Goffman, E., 2014, S. 56).
Entwicklungsverlaufe mit Stigmatisierung
Es ist bei der Bewältigung von Stigmatisierung auch von Bedeutung, ob eine stigmatisierte Person sich ihr Stigma schon während ihrer Kindheit und Jugendzeit bewusst war. In dem Fall hat die Person ihr Stigma wie verinnerlicht. Wenn der Person, während dem Aufwachsen, in einer gewissen Normalität gelebt hat, ergebt sich eine Konfrontation mit den Normalitätsstandards, die aber mehr oder auch weniger drastisch erfahren wird (von Engelhardt, M., 2010, S131).
Relationierung von der Schlüsselsituation mit der Stigmatisierungstheorie
In der heutigen Gesellschaft, wo Ausbildung, Beruf und Erwerbstätigkeit wichtige Faktoren der gesellschaftlichen Teilhabe sind, ist es für Personen, die diese Normen nicht erfüllen schwierig ihr Selbstwertgefühl aufrecht zu halten. Arbeitslose und Sozialhilfebezieher*innen ohne abgeschlossene Berufsausbildung haben Schwierigkeiten sich auf dem Arbeitsmarkt die Ziele der Erwerbstätigkeit zu erfüllen. Das kann dazu führen, dass diese Personen Strategien anwenden müssen, um ihr Selbstwertgefühl zu sichern.
Die Informationen über den Klienten in der Schlüsselsituation weisen vor allem auf eine Betroffenheit von Stigma aus der zweiten Kategorie von Goffman, die psychosozialen Eigenschaften. Die Beschreibungen deuten zwar auch auf körperliche und psychische Beschwerden (Rückenschmerzen, Therapie und Medikament Bedarf). Es ist aber nicht klar, ob das in seiner Stigmatisierung eine grosse Rolle spielt. Klar ist aber, dass die Biografie des Klienten mit delinquentem Verhalten, Schul- und Lehrlabbruch, und seine Situation (ausbildungslos, armutsbetroffen, Sozialhilfebezieher) ihn zu einer diskreditierten Person machen.
Zusätzlich werden Klient*Innen der Sozialhilfe einer pauschalisierten Stigmatisierung und einem generellen Missbrauchsverdacht ausgesetzt. Als Klient*in der Sozialhilfe kann man nur eine minimale Privatsphäre aufrechterhalten. AvenirSozial hat dazu die Position, dass diese Aussetzung von generellem Missbrauchsverdacht das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Leben und das Recht auf den Schutz der Privatsphäre vergessen lässt (AvenirSocial, 2014, S1).
Wie oben besprochen, kann eine von Stigmatisierung Betroffene verschieden Strategie anwenden um mit dieser Situation um zu gehen. Eine Möglichkeit ist das zurückziehen aus Situationen, wo Zurückweisung platzfinden kann, und deswegen das Selbstwert bedroht wird. Weiter kann es eine Strategie sein sich im persönlichen Engagement zurückzunehmen, und sich innerlich von den Erwartungen und Zielen in den stigmatisierten Lebensbereichen zu distanzieren.
Die Biografie der Klient weist auf, dass dieser in seiner Kindheit schon von ein „Normale Biografie“ hat abgewichen. Er war in seine Jugend eine Periode fremdplaziert und hat eine Periode in ein stationäre Jugendeinrichtung verblieben. Er war mit dieser Biografie schon jung von einer Stigmatisierung betroffen.
Warum kommt es zu den vielen Abbrüchen?
Der Klient wendet als diskreditierte Person verschiedene Bewältigungsstrategien an. Diese Strategien können alle eine Rolle spielen in das Verursachen von Abbrüchen. So kann der Klient zum Beispiel:
- Sich zurückziehen aus stigmatisierenden sozialen Kontakten.
- Sich zurücknehmen im persönlichen Engagement, durch sich innerlich von den Erwartungen und Zielen in den stigmatisierten Lebensbereichen zu distanzieren.
- Alternative Beziehungen pflegen.
- Das Stigma als Entschuldigung für Misserfolge benutzen.
Warum reagiert der Klient aggressiv und impulsiv?
Stigmatisierte Personen können, weil ihn das Aufrechterhalten vom Selbstwertgefühl so viel Stress erzeugt, auch feindselig und aggressiv auf gemischte soziale Interaktionen reagieren (vgl. Goffman, 2014, S. 28).
Welche Funktion haben die Abbrüche und aggressiven Verhaltensweise für den Klienten?
Die Abbrüche und die aggressive Verhaltensweise haben im Licht des Stigmatisierungs-Ansatzes eine Selbstschutzfunktion. Durch das Zurückziehen aus Situationen die Stigmatisierung verstärken, kann der Klient sein Selbstwertgefühl schützen. Auch aggressives Verhalten kann als Bewältigungsstrategie verstanden werden, wenn das Selbstwertgefühl akut bedroht wird.
5.2 Interventionswissen – Wie kann ich als PSA handeln?
Das Kapitel Interventionswissen folgt den Fragestellungen, die in der Reflection in Action aufgekommen sind.
Warum verhält sich die PSA zurückhaltend in der Situation?
Wie kann die PSA die Arbeitsbeziehung aufrechterhalten und gleichzeitig die Motivation des Klienten stärken/fördern?
Vor dem Hintergrund der genannten Erklärungsansätze aus dem Kapitel des Erklärungswissens, wie auch der Reflection in Action, bildet sich das Interventionswissen, somit werden mittels der gewonnenen Erkenntnisse Interventionsansätze der Sozialen Arbeit im Kontext des Falles beschrieben.
Aus der Reflection in Action lässt sich eine Diskrepanz zwischen dem Verhalten und dem Vorhaben des Klienten erkennen, deutlich wird dies durch das Verhältnis zwischen dem Wunsch nach einem tagesstrukturierendem Angebot und dem regelverletzenden Verhalten, welches in seinen Folgen zu einem Abbruch führt. In diesem Spannungsfeld befindend, versteht sich die Rolle der PSA, als beratend, was das Ansprechen von normabweichendem Verhalten verlangt. Mittels der Methode der motivierenden Gesprächsführung wird im Folgenden vertieft, welche Form der Konfrontation den Klienten in seinen Themen unterstützen und inwiefern das Zurückhalten der PSA als fachliche Intervention verstanden werden kann.
Ebenfalls wird untersucht, welche Eigenschaften in der Gesprächsführung mit dem Klienten als motivierend zu bewerten sind, um Herrn B. in seinem Vorhaben zu unterstützen.
Anschliessend wird die Methode der motivierenden Gesprächsführung vertieft.
5.2.1 Motivierende Gesprächsführung
Vor dem Hintergrund, dass der Mensch als Wesen generell mit Ambivalenzen konfrontiert ist und diese in Entscheidungsprozesse einziehen, zeigt es sich als zielführend, wenn die Soziale Arbeit sich in dieser Herausforderung unterstützend zeigt. Gerade in Veränderungsprozessen zeigt sich Unterstützungsbedarf, da sich die Herausforderung in der Adaption von Neuem sowie dem Überwinden destruktiver Verhaltensweisen zeigt. Diese lässt sich in der oben genannten Situation deutlich erkennen, in welcher die Realitätskonfrontation teils starke Diskrepanzen sichtbar macht. Diese Dynamiken innerhalb eines Gesprächs anzusprechen, ohne die Person zu bewerten, jedoch die Thematik zu platzieren, ist die Herausforderung, mit welcher sich die PSA konfrontiert sieht. Innerhalb dieser Gegebenheit kann die motivierende Gesprächsführung (MI) als Methode eingesetzt werden, um dem Klienten die Möglichkeit zu geben die Veränderung, mittels eigener Wertevorstellungen und Interessen, Gegenstand des Gesprächs werden zu lassen (vgl. Miller/Rollnick 2015: 18).
Im Folgenden werden wichtige Aspekte der Methode der MI hervorgehoben, um diese anschliessend im Kontext des Falles zu verorten. Dabei ist der Blick aus der Retrospektive von zentraler Bedeutung, wo das Verhalten der PSA begründet wird, um in einem nächsten Schritt weiterführende Gedanken zu formulieren.
Einführung in die Motivierende Gesprächsführung
Im Rahmen der Gesprächsführung lassen sich verschiedene Stile erkennen, welche sich auf einem Spektrum, von lenkendem- bis hin zu dem im Folgenden dargestellten Vorgehen einordnen lassen. Da in der verwendeten Literatur von Helfenden, im Sinne der PSA, die Rede ist, wird im folgenden ebenfalls von dieser Begriff verwendet. Der lenkende Stil zeigt sich, indem die Helfenden Informationen, Instruktionen sowie Empfehlungen aussprechen, wodurch das Gegenüber die Rolle des Gehorchenden einnehmen muss; was bei Ärzten/Ärztinnen in medizinischen Gesprächen beobachtet werden kann. Eine Polarität zum genannten Stil, stellt der folgende Stil dar, in welchem die Helfenden Anteil am Gesagten nehmen, und versuchen dieses zu verstehen. Dabei wird das Einbringen von eigenen Standpunkten grösstenteils vermieden. Mittig im Spektrum befindet sich der geleitende Stil, bei welchem die Führung des Gesprächs durch aktives Zuhören erfolgt, um bei Bedarf Fachwissen einfliessen zu lassen. Die MI nutzt Elemente aus allen Stilen (vgl. ebd.: 18f.).
Ambivalenzen
In Veränderungsprozessen können Menschen innere Ambivalenzen verspüren, da Veränderungswünsche wie auch der Wunsch nach Stagnation parallel stattfindet. Anhand dieser Dynamik lässt sich erklären, dass Personen in einem Veränderungsprozess teils zwei verschieden Perspektiven vertreten. Miller und Rollnick (ebd.: 21) beschreiben dies als Change Talk, welcher sich mit den veränderungsbefürwortenden Argumenten befasst und den Sustain Talk, der die Argumentation für das Beibehalten des Status quo vertritt. Am Beispiel der Rauchentwöhnung lässt sich dies wie folgt erkennen:
„Ich möchte aufhören zu rauchen, da es meiner Gesundheit schadet (Change Talk), doch auf die Zigarette nach dem Essen kann ich nicht verzichten (Sustain Talk).“
Für die MI ist dabei wichtig zu beachten, dass nicht Partei ergriffen wird (vgl. ebd.: 22). Helfende Personen können dazu tendieren in den Korrektur-Reflex zu verfallen – was bedeutet, dass eine Person mit bester Intension auf den richtigen Weg gebracht werden möchte, was oftmals den Einsatz eines lenkenden Stiles mit sich bringt (vgl. ebd.: 20) – wodurch eine Parteilichkeit entsteht, die das Gegenüber ebenfalls dazu drängt, sich auf eine Sichtweise einzugrenzen und diese zu verteidigen. Wenn eine Person ihre Meinung oder Überzeugung verbalisiert, verstärkt dies tendenziell ihre Haltung in diese Richtung. Daher ist es zielführend, wenn Klienten selbst für Veränderungen argumentieren. (vgl. ebd.: 22).
Die vier Grundhaltungen der motivierenden Gesprächsführung
Miller und Rollnick (ebd.: 30–38) gehen bei ihrer Methode von vier Grundhaltungen aus, welche sie als Schlüsselelemente beschreiben, was Erlebens- und Verhaltenskomponenten umfasst, die entscheiden, wie wir einer Person begegnen.
Partnerschaftlichkeit: Es soll eine Begegnung auf Augenhöhe stattfinden gefolgt von einem tiefen Respekt gegenüber der Person und der Veränderungen. Die MI zeigt sich als Methode, die in Zusammenarbeit mit den AdressatInnen und nicht an den AdressatInnen angewendet wird.
Akzeptanz: Das Verständnis von Akzeptanz begründet die Anschauung von Carl Rogers, welche sich auf die Würdigung, die bedingungsfreie Wertschätzung, die Empathie und die Unterstützung der Autonomie konzentriert.
Mitgefühl: Diese Grundhaltung besinnt sich nicht auf eine persönliche Sympathie, vielmehr steht, fern von subjektiven Präferenzen, das generelle Wohl des Gegenübers im Zentrum des eigenen Handelns.
Evokation: Es wird davon ausgegangen, dass die KlientInnen die Ressourcen, Argumente sowie die Motivation für eine Veränderung in sich tragen. Dabei besteht die Aufgabe der helfenden Person darin, diese Kräfte zu aktivieren. Die Evokation stellt einen zentralen Aspekt der MI dar und wird in einem späteren Teil nochmals detaillierter hervorgehoben.
Die Methodik der Motivierende Gesprächsführung
Um die Methode der motivierende Gesprächsführung (MI) effektiv zu gestalten, beschreiben Miller und Rollnick (2015) vier Prozesse: Beziehungsaufbau, Fokussierung, Evokation und Planung. Diese Prozesse, die als Stufen aufeinander aufbauen, können im Laufe eines Gespräches oder einer Therapie auch mal überlappen oder sich wiederholen (Miller/Rollnick, 2015, S. 43)
Beziehungsaufbau
Der erste MI-Prozess ist der Aufbau und Stabilisierung einer funktionierenden Kooperationsbeziehung. Der Aufbau einer tragfähigen Beziehung ist eine Voraussetzung für gelingende Hilfe. Miller & Rollnick definieren Beziehungsaufbau als den Prozess, der zur Herstellung einer von gegenseitigem Vertrauen und Respekt bestimmten und unterstützenden Beziehung führt (ebd., S. 60).
Der Aufbau der Beziehung zum Klienten ist ein entscheidender Faktor, unabhängig davon, in welchem Rahmen das Gespräch stattfindet. Die Psychotherapieforschung hat gezeigt, dass die Qualität des Bündnisses zwischen Klientel und Therapeut*innen in direktem Zusammenhang damit steht, ob die Therapie zu Ende geführt wird, und wie erfolgreich sie ist (ebd., S. 59).
Entscheidend für den Aufbau einer Beziehung ist die Haltung der PSA. Wenn das Klientel die implizite Botschaft empfängt, dass keine wirkliche Gegenseitigkeit zu erwarten ist, erzeugt das beim Klientel Passivität und innere Distanz.
Für den Beziehungsaufbau können die PSA verschiedene Kernkompetenzen benutzen. Die Kernkompetenzen der MI sind: Reflektierendes Zuhören, Offene Fragen stellen, Zusammenfassen und Würdigen.
Fokussierung
Der Prozess des Beziehungsaufbaus führt zu einer Auswahl der Themen, die durch das Klientel und der PSA eingebracht wurden. Der Fokussierungsprozess unterstützt das Formulieren von Veränderungszielen. Die Veränderungsziele sind dann noch nicht notwendigerweise mit einer Verhaltensveränderung verknüpft.
Evokation
Evokation ist der Kernprozess der MI. MI geht davon aus, dass Menschen nicht unmotiviert sind, sondern ambivalent. Evokation ist der Prozess vom Hervorrufen der Selbstmotivation des Klientels zur Veränderung. Der Schlüssel zu der Motivation kann gefunden werden in den Wertvorstellungen und grundlegenden Zielen der Menschen (vgl. ebd., S. 100). Bei der Erkundigung von Wertvorstellungen ist es wichtig Akzeptanz und Respekt zu vermitteln (Miller/Rollnick, 2015, S. 100). Manchmal sind Diskrepanzen festzustellen zwischen den Wertvorstellungen der Person und dem tatsächlichen Verhalten. Mit Hilfe der vorher genannten Kernkompetenzen können dann diese Diskrepanzen mit dem Klientel exploriert werden.
Wenn die Fokussierung auf bestimmte Veränderungen erreicht ist, können Ideen und Gefühle des Klientels über den Argumenten, die für die Veränderung sprechen, formuliert werden. Auch wie die Veränderung angegangen werden kann, kann formuliert werden. Bei individueller Lebensveränderung ist die aktive Teilnahme der Betroffenen immer erforderlich. Der MI versucht deswegen Menschen dazu zu motivieren, selbst die Argumenten für Veränderung zu formulieren. MI unterstützt so das Klientel dabei die Ambivalenzen zu Gunsten einer Veränderung abzubauen (Beck/Borg-Laufs, 2021, S. 93).
Planung
Wenn die Motivation der Klient*innen eine bestimmte Schwelle der Bereitschaft erreicht, fängt der Klient an darüber nachzudenken, wie eine Veränderung umzusetzen ist (Miller/Rollnick, 2015, S. 48). In der MI bedeutet der Planungsprozess, dass der Berater / die Beraterinnen das Klientelbeim Entwerfen eines erfolgversprechenden Veränderungsprozess begleiten (ebd., S. 316). Auch hier wird davon ausgegangen, dass Menschen gut ihre eigene Veränderung planen können.
Relationierung der Motivierende Gesprächsführung in der Sozialberatung der Sozialhilfe
In diesem Abschnitt kommen wir zurück auf die am Anfang des Kapitels gestellte Fragestellungen zum Interventionswissen, und bearbeiten diese anhand der Theorie der Motivierenden Gesprächsführung.
Warum verhält sich die PSA zurückhaltend in der Situation?
Die Motivierende Gesprächsführung geht davon aus, dass das Klientel die Ressourcen, Argumente sowie die Motivation für eine Veränderung in sich tragen. Dabei besteht die Aufgabe der helfenden Person daraus, diese Kräfte zu aktivieren. Deswegen ist die PSA zurückhaltend mit dem Geben von Lösungswegen. Ausserdem kann es zu einer Gegenreaktion kommen, wenn man sich zu stark positioniert.
Wie kann die PSA die Arbeitsbeziehung aufrechterhalten und gleichzeitig die Motivation des Klienten stärken/fördern?
Wie erwähnt, ist der Aufbau einer tragfähigen Beziehung eine Voraussetzung für gelingende Hilfe. Die PSA benutzt verschiedene Interventionen, die die Aufrechterhaltung der Beziehung fördern, wie offene Fragen stellen und zuhören, Würdigen und Unterstützen der Autonomie des Klienten.
Der Klient reagiert positiv darauf, indem er seine Situation reflektiert und bereit ist über Folgeschritte nachzudenken. Da die Beziehung gut ist, lässt er auch zu, dass die PSA die Diskrepanzen in den Perspektiven benennen kann.
Offene Fragen stellen und zuhören
“Die PSA lädt Herr B. dazu ein, die Geschehnisse der letzten Tage aus seiner Sicht zu schildern.”
Der Klient reflektiert die Situation
“Herr B. meint, dass das Ganze «blöd gelaufen» sei. Herr B. fügt an, dass er es schade fände, dass der ganze Aufwand der letzten 4 Monate nun für nichts gewesen sei.“
Würdigung
“Die PSA zeigt Herrn B. auf, dass er in den letzten Monaten viele Entwicklungsschritte gemacht habe, welche für seine persönliche Entwicklung wichtig sind. Er sei grundsätzlich auf einem guten Weg. Sie bestärkt ihn, indem sie ihm mitteilt, dass er auch stolz auf sich sein könne.”
Die Beziehung lässt auch zu, dass die PSA die Diskrepanzen in den Perspektiven benennen kann.
“Gleichzeitig zeigt die PSA Herrn B. auf, dass seine mangelnde Impulskontrolle ihm immer wieder im Wege steht. Aufgrund dieser gerät er immer wieder mit Autoritätspersonen aneinander.”
Die PSA unterstützt die Autonomie der Klient*in, indem sie ihm die Wahl über die nächsten Schritte gibt und eine Bedenkzeit
“Die PSA stellt Herrn B. die anderen beiden Tagesstrukturangebote vor und schickt ihm die Links zu deren Homepages per Mail zu.
Der Klient reagiert positiv darauf, indem er seine Situation reflektiert und bereit ist über Folgeschritten nachzudenken.
“Herr B. möchte sich diese in Ruhe anschauen und der PSA in 4 Tagen Bescheid geben, welches Angebot er in Anspruch nehmen möchte.”
5.3 Erfahrungswissen – Woran erinnere ich mich, was kenne ich aus ähnlichen Situationen?
In diesem Kapitel werden Themen zusammengefasst, welche die PSA in ihrem Denken und Handeln beeinflussen:
- Stigmatisierung der Klientel aufgrund von Fallübergaben durch PSA oder durch Aktenstudium. Die PSA kann sich bereits vor dem ersten Kontakt ein Bild von den Personen und Situation machen (eine Art asynchrone Situationserfassung). Dabei besteht die Gefahr, dass Informationen und Eindrücke zu KL von bisher im Fall involvierten PSA ungefiltert und unreflektiert übernommen werden, ohne dass die Wahrnehmung der KlientInnen oder die aktuelle (vielleicht mittlerweile veränderte) Sachlage der KL berücksichtigt werden. Dadurch kann der Beziehungsaufbau mit den KL von Beginn weg gestört werden.
- In dem man bereits zu Beginn der Arbeitsbeziehung über die Rechte und Pflichten der Klientel wie auch der PSA spricht und deren Aufgabenverteilung klar vornimmt (wer muss was, wann wie bringen / erledigen), können Störungen der Arbeitsbeziehungen durch Missverständnisse bereits früh umgangen werden. Die aus dem Handeln oder auch Nichthandeln entstehenden positiven und negativen Konsequenzen können gleich zu Beginn aufgezeigt und diskutiert werden. Es gibt der Klientel aber auch die Möglichkeit, bereits zu Beginn mitzuteilen, was aus ihrer Perspektive her umsetzbar ist, wo Barrieren vorliegen oder auch Wünsche da sind.
- Die PSA erlebt immer wieder eigene Unstimmigkeiten im Umgang mit den verschiedenen Rollen und Aufträgen, die sie als PSA in der Sozialberatung der Sozialhilfe innehat (Tripelmandat). So hat sie als PSA einerseits den Auftrag der Sozialhilfe, die Klient*innen so schnell wie möglich von der Sozialhilfe abzulösen, andererseits sollte die Ablösung nachhaltig sein. Der Schwerpunkt des Fokus der Profession liegt dabei auf einer möglichst klienten*innen-orientierten Begleitung/Unterstützung, welche mit den knappen zeitlichen Ressourcen in Konflikt steht. Die KL hingegen haben häufig nochmals andere Bedürfnisse und Wünsche und stellen andere Erwartungen an die PSA. Das Spektrum reicht hier von intensiver Unterstützung und Abnahme von Aufgaben bis hin zum Wunsch, nichts mit der PSA zu tun zu haben bzw. in Ruhe gelassen zu werden.
- Die PSA hat die Erfahrung gemacht, dass es sich kontraproduktiv auf die Zusammenarbeit mit der Klientel auswirken kann, wenn der/die PSA bereits zu Beginn des Arbeitsbündnis Druck auf die KL ausübt.
- Die PSA hat die Erfahrung gemacht, dass, wenn einmal ein Fundament in der Beziehung zu den KL besteht, diese besser mit Drucksituationen oder Forderungen von Seite der PSA umgehen können.
- Eine transparente und kongruente Kommunikation in herausfordernden und von gegenseitigem Unverständnis geprägten Gesprächssituationen kann unterstützend sein bzw. deeskalierend wirken und den Beziehungsaufbau unterstützen.
- Eine Verlagerung des Fokus kann eine Veränderung der Gefühlslage bewirken. So kann der Fokus auf positive Ereignisse die Stimmung heben, während der Fokus auf negatives die Gefühlslage verschlechtern kann.
- Personen, die regelmässig Cannabis konsumieren, leben im Moment und es fehlt ihnen häufig eine Zukunftsperspektive. Es fällt ihnen schwer, sich an Verbindlichkeiten zu halten, anstehendes zu erledigen und ihre Themen aktiv anzugehen. Der Cannabiskonsum kann eine Problemlösungsstrategie sein und/oder als Emotionsregulation dienen. Personen mit psychischen Problemen konsumieren z. T. auch Cannabis im Sinne einer Selbstmedikation.
- Jungen Erwachsenen fällt es teilweise besonders schwer, ihre Probleme zu reflektieren und ihr Anliegen klar zu formulieren, weil sie sich noch in der Übergangsphase vom Jugend- ins Erwachsenenalter befinden und sie mit vielfältigen Entwicklungsaufgaben konfrontiert sind und weil ihnen in vielen Hinsichten noch entsprechende Erfahrungen fehlen. Das Annehmen von Hilfsangeboten ist für junge Erwachsene eine grosse Herausforderung, weil sie sich z. T. noch im Ablösungsprozess von den Eltern befinden oder sich gerade erst vom Elternhaus gelöst haben. Sie wollen häufig viel Autonomie ausüben und sich und dem Umfeld beweisen, dass sie ihr Leben selbst gestalten können und allein zurechtkommen. Gleichzeitig müssen sie auch lernen, mit der durch das Erreichen der Volljährigkeit erhaltenen (Selbst-)Verantwortung umzugehen.
- Junge Erwachsene mit Heim- und/oder Hafterfahrungen haben aufgrund ihrer Erfahrungen häufig besonders Mühe, mit von aussen an sie herangetragenen Anforderungen umzugehen. Druck führt häufig zu Widerstand. Klare Strukturen, Verlässlichkeit und Transparenz sind hier besonders wichtig einzuhalten, um einen stabilen Rahmen und Sicherheit zu vermitteln. Gleichzeitig sollte den Personen möglichst viel Selbstbestimmung zugesprochen werden.
- Die Diagnose von psychischen Beeinträchtigungen wie auch der Bezug von Leistungen aus der Invalidenversicherung können für betroffenen Personen stigmatisierend wirken und ihren Selbstwert bedrohen. Die Auseinandersetzung mit einem möglichen IV- Bezug verlangt, sich einzugestehen, in einem bestimmten Bereich vielleicht nicht fähig (also nicht arbeitsfähig) zu sein.
- Widerstand gegenüber der PSA ist meistens eine Reaktion dafür, dass die KL sich der Macht von Behörden ausgeliefert bzw. sich in seiner Handlungsfähigkeit eingeschränkt und bedroht fühlen. Durch negative Erfahrungen in der Vergangenheit wird das Gefühl noch gestärkt. Menschen mit einem unsicheren Selbstbild, die sich bedroht fühlen, treten nach aussen häufig klar auf, um sich selbst zu schützen. Das Nicht-Gelingen eines Vorhabens auf äussere Faktoren zu schieben, schützt ebenfalls das eigene Selbstbild.
- Bei Personen mit dissoziativem Verhalten ist es wichtig, zwischen dem dissoziativen Verhalten der Person und der Person selbst zu unterscheiden. Es ist wichtig den Personen zu zeigen, dass ihr Verhalten nicht akzeptiert wird, sie als Person jedoch schon.
- Die PSA hat die Erfahrung gemacht, dass wenn KL laut und aggressiv werden, es hilfreich und deeskalierend wirken kann, die KL ernst zu nehmen, ihre Emotionen zu verbalisieren und durch Fragestellen ihre Situation möglichst gut verstehen zu wollen.
- Bestimmte Begriffe können bei unterstützen Personen starke Widerstände auslösen (wie z. B. KESB, Beistandschaft, Therapie), weil sie eine Bedrohung für die Personen darstellen. In diesen Situationen ist es wichtig, die Bedeutung der Begrifflichkeiten mit den Personen genau zu klären, um die Bedrohungen zu entschärfen und Missverständnisse zu verhindern.
Relationierung des Erfahrungswissen mit der Schlüsselsituation
Die PSA weiss aus Erfahrung, dass der KL in Situationen, in welchen er kritisiert wird oder sich in die Enge getrieben fühlt, aggressiv und/oder abwertend reagieren kann. Die Situation kann so eskalieren, dass KL sich so verhält, wie er es eigentlich gar nicht möchte. In diesen Situationen ist es wichtig, möglichst unvoreingenommen die Sicht des KL anzuhören. Dies zeigt ihm, dass er ernst genommen wird. Auch kann eine transparente und kongruente Kommunikation deeskalierend wirken.
Ebenfalls unterstützend ist es, den Fokus von der schwierigen Situation auf andere Aspekte, die ebenfalls mit dem Thema in Zusammenhang stehen, zu verlagern (z. B. vom Abbruch des Programms zu den insgesamt erzielten Fortschritten).
Der KL verfügt über verschiedenste Heim- und Hafterfahrungen. Er kennt aus diesen Kontexten, dass ihm gesagt wird, was er zu tun oder zu unterlassen hat. Er hat deshalb ein hohes Autonomiebedürfnis und Mühe damit, Unterstützung anzunehmen. Er möchte sich selbst wie auch seinem Umfeld zeigen, dass er es selbst schaffen kann. Druck wirkt bei ihm deshalb kontraproduktiv und führt zu Widerstand, weil er sich in seiner Handlungsfähigkeit eingeschränkt bzw. bedroht fühlt. Der KL verfügt über ein unsicheres Selbstbild, welches er nach Aussen durch ein klares Auftreten zu verstecken versucht. Aufgrund der Widerstand-Thematik ist es zentral, dem KL möglichst viel Selbstbestimmung zuzusprechen (z. B., dass er selbst wählen kann, an welchem Programm er teilnehmen möchte).
Der regelmässige Cannabiskonsum des KL kann eine mögliche Erklärung dafür sein, dass der KL keine wirklichen Zukunftsaussichten hat und es ihm an Motivation fehlt, sich aktiv mit seinen Themen auseinanderzusetzen. Gleichzeitig könnte der Cannabiskonsum für ihn auch als Problemlösungsstrategie dienen, mit seinen negativen Emotionen und Aggressionen umzugehen bzw. diese auszuhalten.
5.4 Organisations- und Kontextwissen – Welche Rahmenbedingungen beeinflussen mein Handeln?
Menschen, die sich innerhalb des schweizerischen Staatgebiets befinden und in eine Notlage geraten – sprich nicht in der Lage sind für sich selbst Sorge zu tragen -, sollen laut Art. 12 BV Mittel erhalten, welche ein menschenwürdiges Dasein ermöglichen. Somit hat jede Person das Recht auf existenzsichernde Massnahmen, was in der Schweiz kantonal durch die öffentliche Sozialhilfe organisiert wird und das physische Überleben der Betroffenen sichert. Bezieht eine Person besagte Leistungen, geht dies mit der Verpflichtung einher, sich um eine schnellstmögliche Wiedereingliederung zu bemühen. Womit sich der Zweifachauftrag der Existenzsicherung und Integration der öffentlichen Sozialhilfe abzeichnet (vgl. Bochsler/Borrelli 2023: 155). Ebenfalls Einfluss auf den Integrationsauftrag nimmt die Idee des aktivierenden Sozialstaats, welcher im Folgenden vertieft erläutert wird. Somit stellt sich für die Schlüsselsituation die Frage, inwiefern die Idee der Wiedereingliederung, und die damit verbundene Verpflichtung der Betroffenen, Einfluss auf das Handeln der PSA nimmt.
Im folgenden Text sollen neben den Richtlinien und Prinzipien der Sozialhilfe, auch Faktoren wie der Einfluss des aktivierenden Sozialstaats und dem damit einhergehenden Sanktionscharakter vertieft werden, um die erlangten Erkenntnisse in einem letzten Teil innerhalb einer Fallrelationierung darzustellen.
Richtlinien der Sozialhilfe
Der Unterstützungskontext der Sozialhilfe kennt Richtlinien der SKOS (Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe). Diese verstehen sich als Empfehlungen, um den Kantonen in der Handhabung der Unterstützungsleistungen eine Rechtsicherheit sowie eine Rechtsgleichheit zu garantieren. Ein Bestandteil dieser Richtlinien sind die Ziele und die Prinzipien der Sozialhilfe, auf welche im Folgenden genauer eingegangen wird (vgl. SKOS/CSIAS 2023, A.3 Richtlinien).
Ziele der Sozialhilfe
- Die Sozialhilfe sichert die Existenz und stellt zugleich Angebote zur beruflichen Integration bereit.
- Die Sozialhilfe ermöglich ein menschenwürdiges Dasein, mittels Ermöglichung der Teilhabe am wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Leben
- Die Sozialhilfe versteht sich als unterstes Netz und trägt dazu bei, den sozialen Frieden zu wahren.
Prinzipien der Sozialhilfe
- Menschenwürde
Wie bereits erwähnt trägt die Sozialhilfe dazu bei, ein menschenwürdiges Leben zu garantieren. Neben den genannten Zielen zeigt sich dies darin, dass unterstütze Personen nicht zu Objekten des staatlichen Handelns deformiert werden.
- Subsidiarität
Grundsätzlich gilt laut Art. 5a BV, dass bei der Erfüllung von staatlichen Aufgaben nach dem Prinzip der Subsidiarität gehandelt wird. Im Fall der Sozialhilfe bedeutet dies, dass eine Person dann Unterstützung erhält, wenn sie sich nicht selbst helfen kann, sowie auch kein Zugriff auf Hilfe Dritter möglich ist. Die Sozialhilfe zeigt sich als letzte Instanz, womit kein Wahlrecht zu alternativen Hilfequellen besteht resp. keine Leistungen der Sozialhilfe geltenden gemacht werden können, wenn eine andere Möglichkeit der Existenzsicherung besteht. Weiterführend bedeutet dies, in Verbindung mit Art. 6 BV, dass jede Person die Verantwortung für sich selbst wahrnimmt und nach Kräften bei der Bewältigung der Aufgaben von Staat und Gesellschaft beiträgt. Somit hat jede sozialhilfebeziehende Person alles Zumutbare zu unternehmen, um die eigene Notlage auszugleichen.
- Individualisierung
Unterstützungsleistungen werden an den Einzelfall angepasst, was sich in den Bereichen des Gesundheitsbedarfs oder den Wohnkosten abzeichnen kann. Generell sind die Leistungen der Sozialhilfe in Pauschalen definiert, jedoch soll die Möglichkeit bestehen, im Einzelfall situationsbedingte Leistungen gutzusprechen. Neben den wirtschaftlichen Leistungen versteht sich die Individualisierung auch als Teil persönlicher Hilfe, was den Beziehungsaufbau, die Situationsabklärung sowie die Planung und Evaluation durch Fachkräfte betreffen.
- Bedarfsabdeckung
Die Leistungen der Sozialhilfe sollen den Bedarf des sozialhilferechtlichen Existenzminimums decken, dabei sollen Leistungsbeziehende nicht bessergestellt werden als Personen, welche in wirtschaftlich bescheidenen Verhältnissen leben, jedoch keinen Anspruch auf Leistungen haben. Grundsätzlich sieht die Existenzsicherung keine Schuldenrevision vor.
- Ursachenunabhängigkeit
Die Leistungen der Sozialhilfe erfolgen nach dem Finalprinzip, wodurch die Ursache der Notlage keine Relevanz hat, bedeutend ist nur, ob eine Notlage besteht und inwiefern es sich als nicht möglich zeigt, diese eigenständig zu beheben.
- Leistung und Gegenleistung
Zusätzlich zur Gewährleistung der Existenzsicherung strebt die Sozialhilfe auch die Integration an, wobei Leistungen zur Förderung dieses Ziels Teil der Unterstützung sein können. Somit werden Arbeits- und Integrationsangebote finanziert und von Unterstützen kann die Teilnahme verlangt werden; Dieses Verhältnis versteht sich als Leistung und Gegenleistung.
- Professionalität und Qualität
Die Sozialhilfe berät und begleitet die AdressatInnen professionell und orientiert sich dabei an einem positiven Menschenbild, wobei die Maxime des Förderns und Forderns im Zentrum steht und den Einsatz von fachspezifischen Mitarbeitenden bedingt, wobei es sich namentlich um PSA handelt.
- Koordination mir Dritten
Die Sozialhilfe wird gemeinsam mit anderen Sozialleistungen koordiniert und durch private Strukturen wie Familie, Nachbarschaft, Vereine und Freiwilligenarbeit gestärkt. Die interinstitutionelle Zusammenarbeit (IIZ) spielt eine wichtige Rolle, insbesondere bei der Integration von Unterstützten in Arbeit und Bildung. IIZ umfasst formale und informelle Kooperationsmodelle zwischen verschiedenen Institutionen, um Strategien, operative Prozesse und Angebote zu koordinieren. Auf individueller Ebene sind klare Abläufe, Zuständigkeiten und ein regelmäßiger Austausch entscheidend, einschliesslich des Daten- und Informationsaustauschs, der in vielen Kantonen durch verbindliche Vereinbarungen geregelt ist.
Neben den Prinzipen der Sozialhilfe werden in den SKOS-Richtlinien auch die Rechte und Pflichten der unterstützen Personen beschrieben. Wesentlich für die Schlüsselsituation ist die Mitwirkungspflicht und die Pflicht zur Minderung der Bedürftigkeit, welche verlangen, dass die unterstützte Person alles mögliche unternimmt, um die finanzielle Selbständigkeit wiederherzustellen, es kann demnach eine Teilnahmepflicht für allfällige Beschäftigungs- sowie Förderprogrammen zur Beruflichen (Re)Integration geltend gemacht werden.
Aktivierender Sozialstaat und junge Erwachsene in der Sozialhilfe
Wie bereits erwähnt, findet die Sozialhilfe ihren Auftrag in der Existenzsicherung wie auch in der Integration, wobei Letzteres in der Idee des aktivierenden Sozialstaats verankert ist. Beschreibend hierfür gilt, dass armutsbetroffene Personen neben der materiellen Absicherung in ihren individuellen Ressourcen und Fähigkeiten gefördert werden. Darunter verstehen sich Massnahmen zur beruflichen Integration sowie in den Bereichen Bildung, soziale Vernetzung, Gesundheit und in Aspekten des Wohnens. Besagte Aktivierungsmassnahmen sollen die Personen unterstützen, möglichst dauerhaft unabhängig von Bedarfsleistungen leben zu können. Diese Praktik versteht sich jedoch nicht als reines Angebot, viel mehr wird unter der Prämisse des «Förderns und Forderns» die Mitwirkung erwartet und mittels «Bonus-Malus-Prinzip» werden Arbeits- und Integrationsbemühungen mit Geldbeträgen belohnt, resp. das Nichterfüllen von Auflagen sanktioniert (vgl. Strohmeier 2020: 1f.). Besonders junge Erwachsene (18 bis 25-jährig) sind von den Kürzungen betroffen, denn generell erhält diese Zielgruppe einen um 20 Prozent reduzierten Grundbedarf, ausgenommen es erfolgt eine Teilnahme an Integrationsmassnahmen, sie sind erwerbstätig oder betreuen Kinder (vgl. Bochsler 2020: 20). Dies Praktik kann die PSA in der Beratung/Begleitung von sog. «Mehrfachkomplexen» Fällen, damit gemeint sind Menschen welche Benachteiligung in verschiedenen Lebensbereichen erfahren (vgl. ebd.), vor Herausforderungen stellen, da sich die Profession der Sozial Arbeit laut dem Berufskodex von AvenirSocial (2010: 11) dazu verpflichtet, Ressourcen gerecht zu verteilen, was es m. E. kritisch zu betrachten gilt, da durch hohe Falllast und Überforderung der Fachpersonen, die Gefahr besteht, dass die Mehrfachkomplexität der Fälle nicht adäquat ermittelt wird, was eine gerechte Verteilung der Ressourcen erschweren kann.
Abschliessen für dieses Kapitel erfolgt im nächsten Teil die Relationierung, wo genannte Inhalte auf Fallrelevanz geprüft werden, um mögliche Einflussfaktoren hervorzuheben. Zudem werden weiterführende Gedanken sowie Hypothesen gebildet, somit handelt es sich immer um Vermutungen, welche den Fallverlauf beeinflussen könnten und nicht um absolute Wahrheiten.
Relationierung
Die Zielsetzung der Integration hat einen unmittelbaren Einfluss auf das Handeln der PSA, da es erfordert, mit dem Klienten zusammenzuarbeiten und spezifische Themen anzugehen, die aus fachlicher Sicht die Teilhabe an der Arbeitsgesellschaft beeinträchtigen könnten. Dies lenkt den Fokus auf Beschäftigungsprogramme, die den Klienten bei der Verwirklichung dieses Ziels unterstützen. Die wiederholten Abbrüche in besagten Angeboten, kann zusätzlichen Druck sowohl auf den Klienten wie auf die PSA ausüben, da ein solcher Fallverlauf, mittels oben erwähntem «Bonus-Malus-Prinzip» zu Sanktionen führen kann.
Den Informationen aus der Situationsbeschreibung ist zu entnehmen, dass bei Herrn B. eine gewisse Mehrfachkomplexität zu erkennen ist, was sich durch die Platzierung in einer Hafteinrichtung, der Fremdplatzierung im Kindesalter, der mehrfachen Therapieerfahrung und des Cannabis Konsums ablesen lässt. Somit zeigt sich die Herausforderung im Fallverständnis wie in der Angebotswahl. Denn, obwohl die PSA eine intensive psychotherapeutische Begleitung als notwendig erachtet, kann sie Herrn B. dies nicht verordnen, da das Beziehen von Sozialhilfe keine Einschränkung der Handlungsfähigkeit begründet, womit die PSA in dieser Situation nur eine beratende Rolle einnimmt.
Obwohl Herr B. mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert ist, welche ihn daran hindern, Integrationsprogramme erfolgreich abzuschliessen, obliegt ihm dennoch die Mitwirkungspflicht und er muss nach Möglichkeit Gegenleistungen erbringen, welche ihn im Prozess in die finanzielle Eigenständigkeit unterstützen.
Abschliessend lässt sich erkennen, dass die PSA als Teil der Aktivierungsmassnahmen betrachtet werden kann und somit neben der Existenzsicherung ebenfalls integrative Prozesse gewährleisten und einfordern muss, wobei die Schwierigkeit darin besteht, dass der sanktionierende Teil der Unterstützungsprozesse die Integrität des Professionsverständnisses verletzen kann.
Weiterführend würde die genauere Auseinandersetzung mit der Wahl der Methoden und Konzepte der Kommunalen und Kantonalen Sozialhilfen der Schweiz vertiefte Klarheit darüber schaffen, mit welchen Herausforderungen die PSA im spezifischen konfrontiert sind.
5.5 Fähigkeiten – Was muss ich als professionelle Fachperson können?
Mit den Klienten einen arbeitsfähige Beziehung aufbauen durch:
- Aktives Zuhören, offene Fragen stellen und reflektieren,
- Nachfragen und Unklarheiten benennen,
- Wertschätzung vermitteln,
- In der Beratung emphatisch und zugleich authentisch sein,
- Kooperativ mit den Klienten realistische Zielen entwickeln,
- Zielgerichtet und klar Informieren,
- Unterschiedliche Wahrnehmungen erkennen, gegenüberstellen und eventuell Stellung beziehen,
- Akzeptieren der Situation und unterschiedlicher Wahrnehmungen,
- Mit Widerstand umgehen können,
Ein Bewusstsein dafür haben, dass:
- Fallakten und Biografie Fakten nur ein einseitiges Bild des Klienten geben,
- Eigene Sichtweisen und Werte nicht die einzige Wahrheit sind,
- Man als PSA in einem Machtverhältnis zu Klienten steht,
- Man nicht immer alle Probleme lösen kann,
- Eigene Emotionen und Sichtweisen eine Rolle spielen.
Professionell Handeln indem der PSA:
- zusammenarbeitet mit anderen Abteilungen und Professionen,
- Verschiedene Situationen beurteilen kann und passende Strategien anwendet,
- Die gesetzlichen Rahmen und den Auftrag kennt,
- Eine Abwägung und Priorisierung machen kann zwischen verschiedenen oder widersprüchlichen Aufträgen und Anliegen.
- Methodisch strukturiert handelt und dokumentiert,
- Sich in der Beziehung professionell abgrenzen kann von der Klient*in.
5.6 Organisationale, infrastrukturelle, zeitliche, materielle Voraussetzungen – Womit kann ich handeln?
Zeitliche Ressourcen für Beratungsgespräche
Aktuell müssen die KL einmal im Jahr zur Vorsprache eingeladen werden. Weitere Termine werden nach Bedarf bzw. nach Einschätzung der PSA vereinbart. Die Gesprächszeit für Beratungen beträgt im Normalfall ca. 60 Min. Die Vorbereitungs- und Nachbereitungszeit ist individuell.
Aufgrund der hohen Fallzahl pro PSA (aktueller Richtwert in der Sozialberatung sind 60 Dossiers bei 100 Stellenprozenten), kann nicht immer in gleichem Umfang auf die verschiedenen KL und ihre Anliegen und Schwierigkeiten eingegangen werden. Die PSA priorisieren die Dossiers je nach Einschätzung des sozialarbeiterischen Handlungsbedarfs. Es ist grundsätzlich darauf zu achten, dass die nötigen Pflichten der KL eingehalten werden.
Räumliche Gegebenheiten und Beratungssetting
Die Gespräche finden in der Regel im Büro des*r PSA statt. Es stehen ein Schreibtisch, ein Laptop mit zwei Bildschirmen, ein Beratungstisch mit mehreren Stühlen, ein Flipchart und Ablagefläche zur Verfügung. Da die räumlichen Gegebenheiten einen grossen Einfluss auf die Beziehungsgestaltung haben, bietet sich in der Situation ein ruhiger Raum an, wo alle Personen genug Platz haben und sitzen können. Da es sich abzeichnet, dass es ein herausforderndes Gespräch werden könnte, sollten Störungen möglichst vermieden werden. Der*die PSA sollte sich, wenn möglich, so positionieren im Raum, dass er bzw. sie sich sicher fühlt (Fluchtmöglichkeiten).
Seit der Corona-Pandemie ist es auch möglich, Beratungsgespräche via Video-Telefonie durchzuführen. Dies wird in Ausnahmefällen nach wie vor genutzt. Hin und wieder finden Beratungsgespräche auch telefonisch statt (z. B. bei Schwierigkeiten von KL, aus dem Haus zu kommen oder bei Nichtmöglichkeit zur Durchführung des Gesprächs zu den Öffnungszeiten aufgrund anderer Verpflichtungen). Für schwierige Gespräche gibt es auch die Möglichkeit, Gespräche in Glasbüros zu führen, welche von einem Security-Mitarbeitenden bewacht werden.
Die Beratungssettings werden individuell von den PSA ausgewählt. Sämtliche Gespräche werden von den PSA im Hauptprotokoll der KL protokolliert.
Hierarchische Strukturen, Entscheidungsfreiheit, Ermessens- und Handlungsspielräume
Neben den rechtlichen Grundlagen und dem Verwaltungsverfahren stehen den PSA zur Festlegung des Vorgehens die Fallführungsstandards sowie interne Leitfäden und das Handbuch zur Verfügung.Den PSA werden grundsätzlich grosse Handlungs- und Ermessensspielräume zugesprochen. Die PSA können selbstständig eine Fallstrategie festlegen. Handlungen und Entscheide müssen jedoch immer sozialarbeiterisch begründet werden. Zur Handlungssicherheit trägt der interne Rechtsdienst bei, welcher jederzeit konsultiert werden kann. Es besteht dennoch ein internes Reglement, welches festlegt, in welchen Themenbereichen und in welchem finanziellen Rahmen die einzelnen Hierarchiestufen allein entscheiden dürfen. Oftmals werden schwierige Sachverhalte im Rahmen von Fallbesprechungen, welche wöchentlich mit der Teamleitung stattfinden, oder in den 6x jährlich stattfindenden Fall-Supervisionen besprochen. Innerhalb der Teams wie auch im ganzen Haus herrscht zudem ein unterstützender Umgang. Die Kultur des gegenseitigen Austauschs wird rege genutzt. Bei Fragen oder Schwierigkeiten ist es somit jederzeit möglich, auf Arbeitskollegen*innen zuzugehen.
Die SH arbeitet zudem mit unterschiedlichen Aussenstellen zusammen, um eine passgenaue Unterstützung der KL gewährleisten zu können (z.B. KESB, Schuldenberatung, Psychiatrische Einrichtungen, Ärzt*innen).
Relationierung
Der PSA kann Räume individuell wählen und das beste Setting für das Gespräch wählen. Um den Beziehungsaufbau und die Verständigung zu fördern, bieten sich persönliche Gespräche an. Wenn es KL einfacher fällt, Gespräche telefonisch zu führen (z.B. aufgrund einer schwierigen Thematik) ist abzuwägen, was in der individuellen Situation Sinn macht.
Die PSA haben also konkrete Vorgaben, welche eingehalten werden müssen und gleichzeitig aber auch einen Ermessens- und Handlungsspielraum. Der Ermessens- und Handlungsspielraum ermöglicht es dem*r PSA, seine Entscheidungen und sein Handeln nach den ethischen und fachlichen Standards der Profession in der Praxis umzusetzen.
So können sich die PSA z. B. mehr Zeit für Gespräche nehmen, wenn sie es für den Einzelfall als wichtig beurteilen. Auch ist es aus sozialarbeiterischen Gründen möglich, vom grundsätzlichen Auftrag der SH, die KL möglichst schnell wieder von der SH abzulösen, abzuweichen. Aufgrund der Gesamtsituation des KL sowie seiner Reaktion auf Druck ist nicht die berufliche Integration das aktuelle Hauptziel, sondern die Stabilisierung der Gesamtsituation. Die PSA konzentriert sich in der aktuellen Situation deshalb darauf, die professionelle Beziehung zu stärken und dem KL Unterstützungsmöglichkeiten anzubieten. Auf die offizielle Einforderung von Integrationsbemühungen und das Androhen bzw. Aussprechen von Sanktionen aufgrund des Programmabbruchs wird verzichtet.
5.7 Wertewissen – Woraufhin richte ich mein Handeln aus? Welche sind die zentralen Werte in dieser Situation, die ich als handelnde Fachperson berücksichtigen will?
Die Fragestellungen, die wir reflektieren möchten, sind:
Woraufhin richte ich mein Handeln aus? Was ist das Ziel der Sozialberatung der Sozialhilfe?
Welche sind die zentralen Werte in dieser Situation, die man als handelnde Fachperson berücksichtigen will?
5.7.1 Menschenbild und Grundwerte der Sozialhilfe Basel
Im Konzept der Sozialhilfe Basel-Stadt werden die Werte und das Menschenbild umschrieben, nach welchen die Sozialarbeiter*innen der Sozialhilfe Basel-Stadt handeln. Wichtig ist dabei die Wahrung der Menschenwürde. Die Sozialhilfe möchte die Autonomie und Chancengleichheit von allen Menschen fördern, wie es in einen sozialen Rechtsstaat passt. Dabei geht man von einem positiven Menschenbild aus, dass allen zutraut, einen eigenständigen Beitrag zur selbständigen Lebensführung und Eingliederung in die Gesellschaft zu leisten (vgl. Konzept SH, 2014, S.9).
Das Leitbild der Sozialhilfe Basel-Stadt ist dabei handlungsleitend im Arbeitsalltag. Das Mission-Statement enthält die nachfolgenden Grundprinzipien (vgl. ebd.., S.9):
- Grundhaltung: Wir begegnen den Bedürftigen mit Wertschätzung, wahren ihre Menschenwürde und zollen ihnen Respekt. Wir verzichten auf Werturteile über den Grund ihrer Armut. Wir erfassen ihre persönliche und soziale Situation mit einer positiven und konstruktiven Grundhaltung.
- Professionalität: Wir sind durch das Zusammenwirken von Fachleuten aus Sozialarbeit, Administration und Rechtswissenschaft erfolgreich.
- Aktivieren: Wir wirken – über die Versorgung mit materiellen Mitteln hinaus – durch Aktivierung der Betroffenen mit, dass sich die Situation der Klientinnen und Klienten verbessert.
- Methodenvielfalt: Die Vielfalt der Lebenslagen und Ressourcen der Menschen bildet die Grundlage unserer Entscheidungen. Wir wenden von Förderungsmassnahmen, Beratungstätigkeiten bis hin zur Zuweisung in Arbeit ein breites Spektrum an Methoden an.
- Wirtschaftlichkeit: Wir setzen uns mit betriebswirtschaftlichen Methoden für den Nachweis ein, dass der Einsatz der finanziellen Mittel im Verhältnis von Nutzen und Wirksamkeit gerechtfertigt ist.
- Kontrollen und Sanktionen: Wir fordern die Mitwirkung und die Durchsetzung gesetzlicher Anforderungen nach sorgfältiger Abklärung konsequent ein und nehmen diese transparent vor.
- Partnerschaft: Wir verstehen uns als Teil des Netzwerkes von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Wir beziehen unsere Partner in die Wertschöpfungsprozesse mit ein.
Relationierung Menschenbild und Grundwerte der Sozialhilfe Basel mit der Schlüsselsituation
Welche sind die zentralen Werte in dieser Situation, die man als handelnde Fachperson berücksichtigen will?
Der PSA ist es wichtig, eine vertrauensvolle und tragfähige Beziehung mit dem Klienten aufzubauen. Durch das Erkunden von Perspektive, Motivationen und Ressourcen von dem Klienten baut der PSA eine Beziehung auf und unterstützt gleichzeitig auch den Prozess von selbstbestimmter Lebensführung. Die zentralen Werte, die der PSA damit umsetzt, sind eine wertschätzende, positive Grundhaltung, um sowohl Bedürfnisse zu versorgen als auch gleichzeitig Betroffene zu einer selbstbestimmten Verbesserung der Situation zu aktivieren.
5.7.2 Berufskodex der Sozialen Arbeit Schweiz von AvenirSocial
Der Berufskodex von AvenirSocial legt die ethischen Richtlinien für das moralische Berufshandeln in der Sozialen Arbeit dar und ist ein Instrument zur ethischen Begründung der Arbeit mit Klient*innen, die in besonderer Weise verletzbar und benachteiligt sind. Der Berufskodex stärkt die Berufsidentität, formuliert dabei leitende Prinzipien und nicht verhandelbare ethische Normen, welche auf klar definierten Grundsätzen aufbauen und dient dabei der Qualitätssicherung des beruflichen Handelns in der Praxis (vgl. Berufskodex AvenirSocial 2010, S.4). Der Berufskodex basiert auf der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (1948), auf der Europäischen Menschenrechtskonvention (1953), der Europäischen Sozialcharta (1961) sowie den Grundrechten, Bürgerrechten und Sozialzielen der Schweizerischen Bundesverfassung (1999) sowie auf dem Dokument «Ethik in der Sozialen Arbeit; Erklärung der Prinzipien» der International Federation of Social Workers (2004) (vgl. ebd., S.5).
Für das Begleiten von jungen Erwachsenen und die Sozialberatung der Sozialhilfe ist unter anderem der Abschnitt über das Tripple Mandat von Bedeutung.
Soziale Arbeit ist einem dreifachen Mandat verpflichtet. Erstens das Mandat von Hilfe und Kontrolle aus der Gesellschaft und der Organisation; zweitens die (impliziten) Wünsche und Bedürfnisse der Klienten; drittens dem Professionswissen, Berufsethik und Prinzipen der Menschenrechte und die soziale Gerechtigkeit (vgl. ebd., S.7).
Relationierung Berufskodex AvenirSocial mit der Schlüsselsituation
Der Berufskodex baut auf den grundlegenden Prinzipien der Sozialen Arbeit auf und diskutiert vor diesem Hintergrund unbedingte, nicht verhandelbare berufsethische Normen, um in diesem Licht professionelle Handlungsprinzipien darzustellen (AvenirSocial, 2010, S. 4). Der Berufskodex dient als Orientierungshilfe bei der Entwicklung der Berufshaltung und hilft der PSA Stellung zu beziehen.
Woraufhin richte ich mein Handeln aus? Was ist das Ziel der Sozialberatung der Sozialhilfe?
Der PSA steht in einem Tripple-Mandat-Dilemma. Die Begleitung in der Schlüsselsituation wird durch dieses klassische Spannungsfeld von verschiedenen Mandats-Perspektiven beeinflusst und erschwert. Auf der einer Seite möchte die PSA den Anforderungen der Organisation und Gesellschaft gerecht werden und das Ziel der Beratung auf Ausbildung und Erwerbstätigkeit setzen. Auf der anderen Seite ist unklar, ob dieses Ziel realistisch ist, und ob diese Zielsetzung auch von dem Klienten angestrebt wird. Das Spannungsfeld der verschiedenen Perspektiven wird durch Unsicherheiten und Unklarheiten erschwert. Die Fragestellungen auf den drei Mandats-Ebenen sind:
- Die Anforderungen von Hilfe und Kontrolle der Gesellschaft, der Organisation. Ist die Zielsetzung der Organisation und Gesellschaft eine Ablösung von der Sozialhilfe? Deuten die Abbrüche des Klienten auf mangelnde Motivation oder mangelnde Ressourcen bei dem Klienten hin? Sind die Tagesstrukturen eine Methode, um diese Zielsetzung zu erreichen? Oder hat das Besuchen der Tagesstruktur einen anderen Zweck (Bspw. sinnvolle Beschäftigung)? Wenn das Ziel der Besuch der Tagesstrukturen eine sinnvolle Beschäftigung wäre, fragt sich, warum es so schwierig ist, eine Tätigkeit zu finden die an den Interessen des Klienten anschliesst.
- Die Frage ist, welche Zielsetzung am besten den Bedürfnissen und Wünschen des Klienten entsprechen würde. Ist es dem Klienten innerhalb des Sozialhilfe-Kontexts erlaubt, selbstbestimmt eine Zielsetzung zu definieren? Hat der Klient die Ressourcen, seine Zielsetzung umzusetzen?
- Die Frage nach der geeigneten Methode. Sollte die Zielsetzung eine Ablösung von der Sozialhilfe sein, wie ist das unter der gegebenen Situation am besten realisierbar? Sind die Tagesstrukturen oder das Folgen einer Therapie überprüfte Methoden? Im tripple Mandat Kontext sind die gewählten Methoden dauernd kritisch zu reflektieren mit der Frage, ob sie die beabsichtigte Zielerreichung unterstützt haben und inwiefern sie den Anforderungen der verschiedenen Beteiligten gerecht geworden sind.
Bei einem Konflikt zwischen dem ersten und zweiten Mandat kann das dritte Mandat die PSA durch diesen Konflikt steuern (AvenirSocial, 2010, S7). Das Professions- und Erfahrungswissen, worüber die PSA verfügt, kann der PSA helfen, Entscheidungen zu treffen oder Prioritäten zu setzen bei auseinanderlaufenden Bedürfnissen. In der Schlüsselsituation wird impliziert, dass die Zielsetzung der Organisation und Gesellschaft ist, dass der Klient eine Tagesstruktur besucht, mit dem Ziel den Klienten zu aktivieren. Der Klient erfährt das Besuchen der Tagesstruktur als schwierig und möchte sich eigentlich von der Sozialhilfe ablösen, indem er eine IV-Rente bekommt. Zwischen diesen konfliktären Anliegen muss sich die PSA bewegen.
[1] In der Diskussion der hier ausformulierten Thesen sind wiederholt Einwände formuliert worden, welche die Reduktion der vom Klienten ausgehenden Aggression auf seine psycho-soziale Lage problematisiert haben. Es scheint daher wichtig, dass den Leser*innen bewusst ist, dass die hier formulierten Vermutungen, welche das Verhalten des Klienten zu erklären versuchen, nicht notwendig und schon gar nicht hinreichend sind. Es wäre bespielsweise genauso möglich, dass der Klient auch aggressiv wäre, ohne dass er sich in einer Krise befindet oder gar ohne dass er abhängig von staatlichen Unterstützungsleistungen leben würde. Es ist allerdings wahrscheinlich, dass die analytisch gebildete Gruppe der jungen Erwachsenen in der Sozialhilfe ein solches Verhalten als Bewältigungsverhalten entwickelt.
- Verhalten von Klient*innen werden nicht bewertet, viel mehr werden sie als Bewältigungsstrategie betrachtet.
- Die Ambivalenzen in der Lebenssituation der Klient*innen werden anerkannt und ernstgenommen.
- Der PSA positioniert sich im Spannungsfeld zwischen unterschiedlichen Erwartungen, Anforderungen und Aufträgen, unter besonderer Berücksichtigung der Anliegen der Klientinnen und Klienten. Dabei werden Machtgefälle und die Wechselwirkungen in den Beziehungen zwischen Professionellen und Klientel nicht übersehen.
- Der Klient wird auf Augenhöhe beraten und es wird eine wertschätzende Beziehung aufgebaut.
- Der/die Klient*in wird mit Respekt für seine/ihre Lebenswelt und sein/ihr Autonomie-bedürfnis begleitet zur selbstbestimmten Lebensgestaltung.
- Der Handlungsspielraum der Klientinnen und Klienten unter Berücksichtigung sozialpolitischer Realitäten wird wahrgenommen und ihre gesellschaftliche Teilhabe und Integration werden unterstützt.
- Situationsbedingte sozialarbeiterische Interventionen werden rechtlichen Sanktionen vorgezogen. Die Bedürfnisse des KL werden berücksichtigt und in die Fallstrategie integriert.
- Sowohl die Biografie als auch die aktuelle Notlage von Klient*innen wird anerkannt, jedoch nicht bewertet
- Verhalten von Klient*innen werden nicht bewertet, viel mehr werden sie als Bewältigungsstrategie betrachtet.
Auf den ersten Blick wird in der Situationsbeschreibung eine beschreibend-wiedergebende Biografie des Klienten geschildert, welche für die PSA relevanten Stationen des Werdegangs zeigen. In der Reflection in Action wird stellenweise eine Zurückhaltung erwähnt, mit der auf das Verhalten des Klienten reagiert wird. Einerseits ist darin eine Sensibilität auf Bewältigungsverhalten bzw. eine wert-befreiende Haltung gegenüber dem Klienten erkennbar. Andererseits ist unklar, inwiefern sich die Zurückhaltung gegenüber dem Klienten auswirkt und ob diese einen bestärkenden Effekt hat.
- Die Ambivalenzen in der Lebenssituation der Klient*innen werden anerkannt und ernstgenommen.
Dem Klienten wird angeboten, dass er sein subjektives Erleben mitteilen kann, wodurch ihm die Möglichkeit gegeben wird die eigenen Ambivalenzen zu erkennen. Somit kann ein Raum entstehen, in welchem der Klient sein eigenes Handeln ohne äusserliche Bewertung beschreiben kann. Wenn wir dies vor dem Hintergrund der motivierenden Gesprächsführung betrachten, zeigt sich, dass der Klient durch das Handeln der PSA nicht das “Mandat” für das destruktive Verhalten einnehmen muss. Somit entsteht die Möglichkeit, dass der Klient sein eigenes Handeln reflektieren kann und nicht in die Rolle des Destruktiven gedrängt wird. Dadurch wird er in seiner Eigenmotivation bestärkt und in die Lage versetzt, seine benötigten Fähigkeiten zu zeigen.
- Die PSA positioniert sich im Spannungsfeld zwischen unterschiedlichen Erwartungen, Anforderungen und Aufträgen unter besonderer Berücksichtigung der Anliegen der Klientinnen und Klienten. Dabei werden Machtgefälle und die Wechselwirkungen in den Beziehungen zwischen Professionellen und Klientel nicht übersehen.
Die PSA unterstützt den Klienten beim kritischen Übergang des Findens eines Ausbildungsplatzes zur beruflichen Grundbildung oder in der Arbeitsmarktintegration. Das Ziel der sozialarbeiterischen Intervention besteht darin (auch aufgrund einer Auflage der IV), dass der Klient eine Tagesstruktur besucht, um diesen Prozess zu unterstützen. Die Anliegen des Klienten sind weniger klar. Der Klient besucht die Tagesstruktur hauptsächlich, weil die Sozialhilfe das von ihm verlangt. Das Besuchen der Tagesstruktur erfährt der Klient als erschwert – durch physische, medizinische und soziale Probleme. Unklar ist, ob der Klient sich für bestimmte Angebote interessiert oder am Herausfinden ist, was er möchte und welche Aspekte am Angebot er interessant oder angenehm findet.
Die PSA bemühen sich, dem Klienten mit einer Haltung zu begegnen, welche ihn einerseits darin bestärkt, sein Recht auf Unterstützung in einer Notlage wahrzunehmen. Andererseits sensibilisieren sie den Klienten auf die Schadensminderungsauflagen der IV und seine allgemeine Pflicht, zu versuchen, aus der Notlage herauszukommen. Die PSA sind sich den damit zusammenhängenden Interessenskonflikten bewusst und positionieren sich anwaltschaftlich für die Interessen, welche der Klient äussert.
- Der Klient wird auf Augenhöhe beraten und es wird eine wertschätzende Beziehung aufgebaut.
Der PSA hat eine emphatische und arbeitsfähige Beziehung mit dem Klienten aufgebaut. In der Situation stellt die PSA offene Fragen und hört emphatisch zu, würdigt den Klienten wertschätzend und lässt Raum für Autonomie. Es zeigt sich, dass der Klient Raum hat, seine Sicht offen zu kommunizieren und zu reflektieren.
- Der Klient wird mit Respekt für seine Lebenswelt und die Autonomiebedürfnisse begleitet zur selbstbestimmten Lebensgestaltung.
Der Klient befindet sich in einem kritischen Übergang und erhält dabei Unterstützung von der PSA. Weil die Entscheidungen des Klienten zur Aktivitäten- und Berufswahl in seine persönliche Lebensgestaltung eingreifen, ist Selbstbestimmung und Autonomie wichtig. Die PSA gestaltet die Begleitung – mit Raum für selbstbestimmte Entscheidungen. Dem Klienten werden die verschiedenen Möglichkeiten erklärt, um die Entscheidung beim Klienten zu lassen.
- Der Handlungsspielraum der Klientinnen und Klienten unter Berücksichtigung sozialpolitischer Realitäten wird wahrgenommen und ihre gesellschaftliche Teilhabe und Integration werden unterstützt.
In der Beurteilung des Verhaltens des Klienten findet eine fachliche Differenzierung statt. Somit wird das teils als destruktiv gelesene Verhalten, nicht als rein solches verstanden, vielmehr wird davon ausgegangen, dass es sich um eine Reaktion auf gewisse Umstände handelt. Diese Umstände werden von der PSA erkannt und adressiert, womit es dem Klienten ermöglicht werden soll, ein passendes Unterstützungsangebot für die berufliche Integration resp. zur Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe wahrzunehmen.
- Situationsbedingte sozialarbeiterische Interventionen werden rechtlichen Sanktionen vorgezogen. Die Bedürfnisse des Klienten werden berücksichtigt und in die Fallstrategie integriert.
Die Sozialhilfe BS ist relativ zurückhaltend mit rechtlichen Sanktionen und übt einen verhältnismässig sanften Druck auf junge Erwachsene aus. Sozialarbeiterische Interventionen stehen im Vordergrund, auch wenn der Zugang zum Klienten durch die limitierten zeitlichen Ressourcen stark eingeschränkt ist.
- Sowohl die Biografie als auch die aktuelle Notlage von Klient*innen wird anerkannt, jedoch nicht bewertet
Die Sozialhilfe orientiert sich am Finalprinzip, was bedeutet, dass der Grund für die Notlage keinen Einfluss auf den Entscheid der Unterstützungsleistung hat. Entscheidend ist nur die Tatsache, ob eine rechtliche Bedürftigkeit besteht. Dennoch wird die soziale Herkunft aus einer sozialarbeiterischen Perspektive anerkannt, um den Klienten zielführend zu unterstützen.
- Im Gespräch gäbe es die Möglichkeit, durch reflexives Nachfragen herauszufinden, welche Elemente der Tagesstruktur dem Klienten gut oder weniger gut gefallen hatten. Diese Information könnte beim Finden einer anderen Tagesstruktur hilfreich serin. Es ist anzunehmen, dass der Klient im Veränderungsprozess bestimmte Ambivalenzen hat. Um diese Ambivalenzen zu explorieren wäre mehr Nachfragen in der Form von Offenen Fragen sinnvoll. Auch wenn der Besuch der Tagesstruktur ein Misserfolg war, gibt es vielleicht Vorteile, die der Klient wahrgenommen hat, oder etwas, was gefehlt hat. Das Evaluieren und Explorieren von Vor- und Nachteilen kann das Reflektieren der heutigen Situation und den Prozess von Veränderungsmotivation unterstützen.
- Ein Telefongespräch hat die Eigenschaft, dass die non-verbale Kommunikation nur erschwert wahrgenommen werden kann. Gewisse Aspekte, wie die Gestik und Mimik fallen komplett weg. Daher kann ein persönliches Gespräch eine Ressource darstellen, da es der PSA die Möglichkeit gibt mehr Informationen mit dem Klienten auszutauschen. Verunsicherung, Wut, Trauer wie auch andere Emotionen können besser erkannt und adressiert werden. Vor diesem Hintergrund bietet es sich an, ein persönliches Gespräch einzufordern. Dies würde der PSA erlauben den Klienten in seiner Situation näher zu begleiten und sein Wahrnehmen zu deuten. Auch könnte das Gespräch genutzt werden, um konkrete nächste Schritte zu vereinbaren resp. gemeinsam nach passenden Angeboten zu suchen.
- Repressive Sanktionen scheinen nicht sinnvoll, Grenzen klar aufzuzeigen scheint hingegen wichtig. In der Reflexion der Qualitätsstandards wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Zurückhaltung der PSA gegenüber dem teilweise grenzüberschreitenden oder diskriminierenden Verhalten des Klienten nachvollziehbar ist. Die Entscheidung, den Klienten nicht unnötig unter Druck zu setzten, gleichzeitig aber einen reflexiven Raum für dieses Handelns zu öffnen, wurde ausserdem unter Punkt a. bereits diskutiert. Eine weitere Handlungsmöglichkeit bestünde darin, den Klienten auf die Grenzen seines Handlungsspielraums hinzuweisen. Mit Grenzen sind einerseits die Auflagen von der IV (Schadensminderung) gemeint. Andererseits ist es in Anbetracht der Gründe, warum der Klient aus der letzten Tagesstruktur ausgeschlossen wurde, auch wichtig, Grenzen bezüglich grenzüberschreitendem Verhalten klar zu kommunizieren. Das Ziel der PSA im Beratungssetting könnte sein, problematisches Verhalten zu spiegeln, ohne dass dabei repressive Massnahmen folgen müssen. Durch diesen Umgang muss der Klient sein Verhalten anpassen, ohne dafür bestraft zu werden.
- Eine Möglichkeit, sozialarbeiterische Interventionen weiter zu fördern, bestünde in der Zusammenführung von Intake und Beratung. Eine Zusammenführung würde die Arbeitsbeziehung erleichtern.
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