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Ausbildungsgespräch führen / Unsicherheit ansprechen – Selbstwirksamkeit stärken

  • Das reflektierende PA Gespräch dient der Reflexion, und Analyse von erlebten Situationen des professionellen Handelns und der Planung von Zukünftigen.
  • Das Gespräch ermöglicht Lernen in einem geschützten Rahmen (Vertrauen, Ausbildung, Wertschätzung, Fehlerkultur). Kooperation, Dialog und Kommunikation stehen im Zentrum.
  • PA und Studierende haben unterschiedliche Voraussetzungen (Wissen, Erfahrungen, Macht, Stellung in Organisation) und unterschiedliche Rollen.
  • Das Gespräch dient dazu, die Studierenden zu unterstützen, zu begleiten und sie anzuregen, ihre eigene authentische Haltung und Ideen zu entwickeln und einzubringen.
  • Es handelt sich um ein vereinbartes Gespräch, das in einem zeitlich definierten Rahmen durchgeführt wird.
  • Das Gespräch ist geplant, von allen beteiligten Seiten vorbereitet und wird durch die PA strukturiert und durch die Studierenden dokumentiert.
  • PA zeigt als Modell seine/ihre Kompetenzen und Wissensbestände und legitimiert die eigenen Interventionen.
  • Das Gespräch hat einen zumindest impliziten Bewertungscharakter.

Die 25-jährige Auszubildende ist bereits am Ende ihres Studiums in Sozialer Arbeit (beinahe alle Module besucht) und absolviert nun ihr erstes der beiden halbjährigen Praktika in einer Organisation die aufsuchende Sozialarbeit mit kommunikativem Ordnungsdienst (Fehlverhalten ansprechen, z.B. Drogenkonsum im öffentlichen Raum) und Mediation kombiniert. Für die PA ist es die erste Auszubildende, die von ihr alleine begleitet wird.

Während der täglichen Arbeit auf der Gasse kommt es immer wieder zu Situationen, in denen Einzelpersonen oder Gruppierungen (Jugendliche, Passanten, Süchtige, Obdachlose, andere Fachpersonen, etc.) nach dem Auftrag der Organisation fragen. Dabei muss spontan und der Situation und dem Fragesteller/ der Fragestellerin angepasst, erklärt werden, was diese Arbeit beinhaltet. Dies zu erklären ist ein Schwerpunkt der Auszubildenden im Kontext der Kompetenzerwerbsplanung.

Die Situation beschreibt ein PA-Gespräch ca. Mitte des Praktikums, in dem die PA die ihr im Alltag aufgefallene Unsicherheit der Auszubildenden, die Praxisorganisation auf der Gasse zu erklären, anspricht. Dies nachdem die vorangehenden Teilziele (sich mit dem Auftrag der Organisation auseinandersetzten, Teamkollegen beim Erklären des Auftrages beobachten, Dokument besprechen wie Institution erklärt werden kann) des Kompetenzerwerbs erfolgreich abgeschlossen sind und vermehrt aufgefallen ist, dass die Studierende unsicher reagiert, sich nicht getraut den Auftrag der Institution zu erklären und dies lieber dem Schichtpartner/der Schichtpartnerin überlässt.

Erste Sequenz – Gespräch Einleiten

Die PA leitet das Gespräch ein, fragt im gewohnten Ablauf nach der Befindlichkeit der Auszubildenden und den gemachten Erfahrungen. So wird die erlebte Woche rückblickend besprochen und Wesentliches thematisiert.

Reflection in Action

  • Emotion Auszubildende: fühlt sich sicher, wohl, ernst genommen, ist eine ihr vertraute Situation, nichts Spezielles vorgefallen um länger zu besprechen
  • Emotion Professionelle/r: empathisch, wohlwollende und interessierte Haltung gegenüber Auszubildender, etwas angespannt gleich etwas Unangenehmes ansprechen zu müssen
  • Kognition Professionelle/r: weiss um Ablauf des Gesprächs, ist gut vorbereitet, wünscht sich, dass von Auszubildender etwas mehr kommt, fragt sich ob Auszubildende ihre eigene Unsicherheit selber auch bemerkt hat und etwas sagen wird

Zweite Sequenz – Unsicherheit ansprechen 

Im Rahmen der Besprechung der Kompetenzerwerbsplanung spricht die PA die ihr aufgefallene Unsicherheit und das ausweichende Verhalten im Institution Erklären der Auszubildenden an und unterlegt diese mit konkreten Beispielen. Die Auszubildende wird nach ihrer Selbsteinschätzung gefragt und es entsteht eine längere Diskussion über die Gründe der eigenen Unsicherheit. Hierbei erwähnt die Auszubildende eine negative Erfahrung im Institution Erklären an eine Gruppe Jugendlicher. Zudem habe sie Mühe mit dem Gefühl der ständigen Beobachtung durch Passanten auf der Gasse wegen des Tragens von Arbeitskleidung mit der Aufschrift der Institution. Zudem fühle sie sich unter Druck gesetzt, durch die Beobachtung durch den/die SchichtpartnerIn, so habe sie Angst, etwas Falsches zu sagen und sich zu blamieren.

Reflection in Action

  • Emotion Auszubildende: fühlt sich ertappt und verunsichert, ist ihr unangenehm über eigene Schwächen zu sprechen, gleichzeitig erleichtert über die Gründe ihrer Unsicherheit sprechen und ihr ausweichendes Verhalten erklären zu können, interessiert an Kompetenzerwerb
  • Emotion Professionelle/r: Angst die Auszubildende zu verletzen, ihr zu Nahe zu treten, unangenehm in dieser Rolle zu sein, dann sehr erleichtert über die Offenheit und Ehrlichkeit der Auszubildenden, darin bestärkt Dinge offen anzusprechen, erfreut über die daraus resultierende Diskussion, etwas enttäuscht das Auszubildende es nicht selber angesprochen hat
  • Kognition Professionelle/r: weiss, dass es zu PA Funktion dazugehört, auch Irritationen und Unangenehmes anzusprechen, ruft sich gemachte Beobachtungen in den Sinn, ist sich der Unsicherheit der Auszubildenden und der Sensibilität des Themas bewusst, kennt Situation aus eigener Erfahrung, zieht auch den Vergleich mit anderen neuen Mitarbeitenden in der Situation heran, daran interessiert, zu erfahren wie Auszubildende ihr Verhalten einschätzt, Reflexionsfähigkeit abrufen, hat eine Idee, wie dies in geschütztem Rahmen angegangen werden kann, Bedürfnis den Selbstwert der Studierenden zu stärken

Dritte Sequenz – Angehen der Unsicherheit anhand von Rollenspielen

Nach längerer Diskussion in der die PA versucht der Auszubildenden zu erklären, dass diese Unsicherheit ganz natürlich ist und auch andere Teammitglieder zu Beginn damit Mühe hatten, will sie ihr zeigen, dass sie wohl in der Lage ist, die Institution spontan und dem Fragesteller entsprechend zu erklären. Die PA fragt die Auszubildende ob sie dazu bereit sei, einige Situationen anhand von Rollenspielen zu üben. Die Auszubildende willigt etwas zögerlich ein und so werden unterschiedliche Situationen mit wechselnden Rollen gespielt.

Reflection in Action

  • Emotion Auszubildende: ist erleichtert, dass andere die gleichen Probleme haben/hatten, fühlt sich verstanden und ernst genommen, hat nicht wirklich Lust auf Rollenspiel, kennt dies von FH zur genüge, etwas peinlich berührt, braucht Überwindung den Nutzen für sich darin zu sehen
  • Emotion Professionelle/r: Mitgefühl für Auszubildende, wünscht sich Überwindung der Auszubildenden, muss sich selber etwas überwinden für Rollenspiel
  • Kognition Professionelle/r: Will der Auszubildenden Unsicherheit nehmen, findet Rollenspiele eine gute Sache, ist sich jedoch bewusst, dass dies nicht allen leicht fällt, bemerkt Widerwillen der Auszubildenden, weiss um Inhalt der PA Funktion und will ihren Job gut machen

Vierte Sequenz – Ausblick

Im Anschluss reflektieren PA und Auszubildende die gemachten Rollenspiele und besprechen das weitere Vorgehen betreffend dieser Kompetenz. Es wird besprochen, das die Auszubildende möglicherweise noch weitere Lernsituationen in geschütztem Rahmen braucht, um in kommenden Situationen auf der Gasse selbstsicherer auftreten zu können. Hierzu formulieren die Auszubildende und die PA neue Teilziele und konkrete Schritte werden geplant. Hierbei sind Rollenspiele mit anderen Teammitgliedern vorgesehen und konkrete Anliegen der Auszubildenden an die Schichtpartner in der Situation auf der Gasse werden formuliert (z.B. etwas Abseits hinstellen des Schichtpartners) sowie ein differenziertes PA-Gespräch zum Thema “Arbeitskleidung ist nicht gleich Uniform” wird geplant.  

Reflection in Action

  • Emotion Auszubildende: erleichtert dass die Rollenspiele vorbei sind, stolz auf sich, etwas genervt über Hartnäckigkeit von PA und das dieses “sich hinstellen und Institution erklären” so hoch gewichtet wird, zuversichtlich das ihr das was bringen wird, fühlt sich ernst genommen
  • Emotion Professionelle/r: erfreut über aktive Teilnahme der Auszubildenden, froh um sauberen Abschluss und Klärung der Situation, zuversichtlich das Auszubildende etwas davon mitnimmt und ein Stück weitergekommen ist, erleichtert dass das Gespräch bald zu Ende ist
  • Kognition Professionelle/r: will die Auszubildende in ihrer Weiterentwicklung unterstützen, sie fördern und in gemeinsam beschlossenen Schritten daran arbeiten, in Gedanken beim Abschluss des Gespräches und darauf bedacht die Auszubildende für ihre Offenheit und das Engagement zu loben.

5.1      Erklärungswissen – Warum handeln die Personen in der Situation so?

Die PA hat grundsätzlich ein humanistisches Menschenbild und orientiert sich in ihrer Arbeit unter anderem am personenzentrierten Ansatz nach Carl Rogers (2007). Sie geht davon aus, das der Mensch von Natur aus gut und konstruktiv ist und die Fähigkeit hat sich zu entwickeln. Die Grundlage dieses Ansatzes ist ein positives Menschenbild und im Zentrum stehen die Entwicklungs- und Beziehungsorientiertheit. Es wird davon ausgegangen, dass jedem Menschen ein Wachstumspotential zu eigen ist, welches in der Beziehung zu anderen Personen freigesetzt werden kann. Es geht um Selbstwirksamkeit und um die Unterstützung und Förderung von positiven Entwicklungen. So hat sie auch in der Rolle als PA die Haltung, dass die Auszubildende die Fähigkeit hat sich zu entwickeln und ihr ein Wachstumspotential zu eigen ist, welches in der Beziehung zu ihr (PA) freigesetzt werden kann. Insbesondere im Klientenkontakt richtet sie ihr Handeln auf die “Hilfe zur Selbsthilfe” aus. Sie ist der Ansicht, dass keiner besser weiss was für ihn/sie besser ist, als der/die Betroffene selbst. Die Professionellen können aber die Klienten dabei unterstützen, es selbst herauszufinden. Auch die PA Tätigkeit ist von dieser Haltung geprägt.

Warum weicht die Auszubildende in der Situation auf der Gasse aus, die Institution dem Fragesteller zu erklären?

Unsicherheit gehört zur Natur des Menschen, denn sie stellt die Kehrseite von Autonomie und Entwicklungsfähigkeit dar. Wer die Freiheit hat zu entscheiden, kennt auch das Gefühl der Unsicherheit, und wer sich selbst in Frage stellen und entwickeln kann, erfährt Unsicherheit. Der Akteur, der handelt, macht notwendigerweise auch Fehler, doch gerade durch diese Fehler erfährt er mehr über die Handlungssituation und hat zudem mehr Chancen auf Lernen und Entwicklung. Unsicherheit ist mit Angst verwandt. Während die Angst in der Regel eine emotionale Reaktion auf manifeste, materielle Bedrohungen der Umwelt darstellt, ist Unsicherheit eine Reaktion auf soziale Situationen. Unsicherheit ist ein Gefühl, ein Zweifel, den der Akteur an sich selbst richtet, ein Gefühl der Unwissenheit oder mangelnden Einsicht, das die Frage der eigenen Fähigkeiten und Kenntnisse aufwirft, sowie die Frage der sozialen Anerkennung. Das Phänomen Unsicherheit kann von einem Gefühl des Ungenügens oder sogar des Versagens begleitet werden. Im Grunde kann das Phänomen Unsicherheit selbst nicht überwunden werden, da es ein Strukturmoment menschlicher Handlung ist, das gerade in der Moderne besonders ausgeprägt ist. Was überwunden werden kann, ist die paralysierende Wirkung der Unsicherheit. Unsicherheit betrachten wir als verwandt  mit dem Gefühl der Angst. Die Angst ist eine durchaus sinnvolle Emotion, die Signal- und Warncharakter für das Individuum hat, jedoch kann sie sich lähmend auf die Handlungsbereitschaft und auf die Handlungssicherheit  im Sinne von Entschlossenheit auswirken. Um handeln zu können, muss eine Transformation der Emotionen stattfinden. Dies erfordert eine Mobilisierung einer anderen emotionalen Haltung, z.B. die Mobilisierung von Mut und Entschiedenheit trotz des Empfindens von Angst und trotz unsicherer Bedingungen. (Bosch, Aida 2015)

Das ausweichende Verhalten der Auszubildenden kann mit Unsicherheit erklärt werden. Dies kann beispielsweise auf Unwissenheit oder fehlende Strukturen in der Situation zurückgeführt werden. Es gibt in der Institution zwar ein Dokument zur “Vorstellung der Institution”, jedoch muss in Situationen auf der Gasse sehr spontan und dem Fragesteller angepasst reagiert werden. Durch die fehlende Struktur in der genannten Situation und die daraus resultierende Freiheit in der Erklärung kann die Unsicherheit wachsen. Die Unsicherheit und das damit verbundene Gefühl des Versagens kann sich in der Situation lähmend auf die Handlung auswirken. Somit zieht sich die Studierende aus der Situation zurück und überlässt dem/der Schichtpartner/in das Wort.

Das Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung nach Albert Bandura bezeichnet die Erwartung einer Person, aufgrund eigener Kompetenzen gewünschte Handlungen erfolgreich selbst bewältigen zu können. Ein Mensch, der daran glaubt, selbst etwas bewirken und auch in schwierigen Situationen selbstständig handeln zu können, hat demnach eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung. Eine Komponente der Selbstwirksamkeitserwartung ist die Annahme, man könne als Person gezielt Einfluss auf die Dinge und die Welt nehmen, statt äußere Umstände, andere Personen, Zufall, Glück und andere unkontrollierbare Faktoren als ursächlich anzusehen. Manche Psychologen vertreten die Ansicht, dass Selbstwirksamkeit(-serwartung) ein natürliches Bedürfnis des Menschen ist. In der psychologischen Forschung wird zudem zwischen den generalisierten und den diversen handlungsspezifischen Selbstwirksamkeitserwartungen unterschieden. Selbstwirksamkeitserwartung und Handlungsergebnisse wirken oft zirkulär. Eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung führt zu hohen Ansprüchen an die eigene Person, weshalb man eher anspruchsvolle, schwierige Herausforderungen sucht. Eine gute Leistung bei diesen Herausforderungen führt dann wiederum zur Bestätigung bzw. Erhöhung der eigenen Selbstwirksamkeitserwartung.

Nach Bandura stärken eigene Erfolgserlebnisse bei der Bewältigung einer schwierigen Situation den Glauben an die eigenen Fähigkeiten. Somit traut man sich auch in Zukunft das Beherrschen solcher Situationen zu. Während Misserfolge dazu führen können, an der eigenen Kompetenz zu zweifeln und in Zukunft vergleichbare Situationen eher zu meiden. Damit es zu einer solchen Beeinflussung der eigenen Selbstwirksamkeitserwartung durch (Miss-)Erfolgserlebnisse kommt, muss die Person jedoch diese (Miss-)Erfolge ihrer eigenen (Un-)Fähigkeit zuschreiben. Menschen mit einer hohen Selbstwirksamkeitserwartung zeigten trotz einzelner Rückschläge eine höhere Frustrationstoleranz. (vgl. Jonas/Brömer 2002, S. 277-299)

Wenn nun die Auszubildende negative Erfahrungen im Institution erklären auf der Gasse oder in vergleichbaren Situationen gemacht hat, ist  sie auch in künftigen solchen Situationen der Überzeugung, dass sie es nicht schafft, die Situation erfolgreich zu meistern. Entsprechend hat sie eine niedrige Selbstwirksamkeitserwartung. Im Gespräch stellt sich heraus, dass sie einmal von Jugendlichen blöd angegangen wurde, als sie daran war, die Institution zu erklären und dabei schön nach dem Dokument vorgegangen war. Sie geht nun bereits in die Situation mit den Gedanken, etwas Falsches zu sagen und sich zu blamieren, dies insbesondere bei Jugendlichen. Ganz nach dem Prinzip der selbst erfüllenden Prophezeiung wird es bestimmt auch schief gehen wenn bereits mit der Haltung: “das geht bestimmt schief” in die Situation gegangen wird.

5.2      Interventionswissen – Wie kann ich als professionelle Fachperson handeln?

Als Planungshilfe benutzt die PA für die regelmässig stattfindenden Gespräche einen selbst entworfenen Leitfaden für PA-Gespräche zur Standardisierung solcher Gespräche. Dies zur Vorbereitung und auch zum Notizen machen während dem Gespräch. Sowohl die Auszubildende wie auch die PA können sich somit auf das Gespräch vorbereiten und haben einen roten Faden der sie durchs Gespräch führt.  

Wie kann die PA das Problem, respektive die Unsicherheit der Auszubildenden ansprechen?

Nach Jennert (2008) werden verschiedene Ebenen der Reflexion unterschieden, da ein rein problemorientiertes Reflektieren zu wenig wirksam ist. Um selbstorganisiert zu lernen, müssen Studierende nicht nur reflektieren, was sie aus einer Erfahrung lernen, sondern auch wie, also mit welcher Lernaktivität sie bestimmte Lernziele erreichen können. Und schliesslich stellt sich die Frage, warum überhaupt gelernt wird, das heisst, welche individuellen Bildungsziele angestrebt werden. Hierbei differenziert Jennert zwei unterschiedliche Perspektiven: Die Reflexion, die sich direkt auf das Problem bezieht und diejenige die sich auf das eigene Lernen und die Lernbiografie bezieht. (vgl. Jennert 2008, S. 188)

In der beschriebenen Situation werden von der PA beide Ebenen der Reflexion einbezogen, das Problem wird angesprochen und auch die Ebene des Lernens, in dem der Bezug zur Kompetenzerwerbsplanung gemacht wird, bei der ja das Vorstellen der Institution ein Schwerpunkt darstellt. Die PA ist jedoch nicht weiter auf die Lernbiografie der Auszubildenden eingegangen und auch die eigenen Lernstrategien der Auszubildenden wurden nicht erfragt. Die PA hat die Art der Reflexion vorgegeben und das Rollenspiel als Methode vorgeschlagen.

Wie kann die Selbstwirksamkeit der Auszubildenden gestärkt werden?

Nach Bandura wird die Selbstwirksamkeitserwartung durch folgende vier Erfahrungsbereiche beeinflusst (vgl. Jonas/Brömer 2002, S. 277-299):

Bewältigungserfahrung: Erfolge erhöhen die Selbstwirksamkeit, wohingegen Misserfolge sie reduzieren. Um die wahrgenommene Selbstwirksamkeit zu erhöhen, ist es sinnvoll, Lernziele zu formulieren und in überprüfbare Teilziele herunter zu brechen oder “Probehandeln” bei eher einfachen Aufgaben durchzuführen und sich dann zu steigern, um das Misserfolgsrisiko zu reduzieren.

Stellvertretende Erfahrung: Fehlt es in Verhaltensbereichen an eigenen Erfahrungen, kann die wahrgenommene Selbstwirksamkeit positiv durch Modellverhalten Anderer, welche als soziale Vergleichsgruppe akzeptiert wird, beeinflusst werden. Vor diesem Hintergrund können im Erfahrungsaustausch und in Mentorenmodellen wichtige Gestaltungsansätze liegen.

Verbale Informationsvermittlung: Wenn eine Person ihre Verhaltensausführung selbst nur schwer einschätzen kann, dann lässt sich die wahrgenommene Selbstwirksamkeit z.B. durch eine konstruktive Feedbackkultur stärken.

Psychologische und affektive Zustände: Stimmung und Gefühle stehen in enger Wechselwirkung mit der wahrgenommenen Selbstwirksamkeit. Zum Beispiel kann sich Stress negativ auf Gefühle und Lernverhalten auswirken.

Die PA wählt als Methode das Rollenspiel um ein Lernfeld für die Auszubildende zu schaffen. Hierbei werden von der PA unbewusst alle vier von Bandura genannten Erfahrungsbereiche angesprochen. Die PA will der Auszubildenden anhand einer Übungssituation aufzeigen, dass sie durchaus im Stande ist, die Aufgaben der Institution wiederzugeben und ihr somit ein positives Gefühl vermitteln. Das bereits bestehende Ziel aus der Kompetenzerwerbsplanung und die Teilziele werden nun durch die aufgetretene Schwierigkeit überarbeitet und neue Teilziele werden formuliert. Auch werden der Auszubildenden durch die PA die von ihr wahrgenommene Selbstwirksamkeit angesprochen, durch konstruktives Feedback. Im Rollenspiel nimmt die PA auch die Rolle der erklärenden Person ein, also eine Art Modelllernen.

 

5.3     Erfahrungswissen – Woran erinnere ich mich, was kenne ich aus ähnlichen Situationen?

  • Die PA war selber einmal in der Rolle der Auszubildenden und kennt das Verhalten, lieber auszuweichen und schwierige Situationen zu umgehen als diese anzugehen
  • Die PA kann sich erinnern, als sie selber neu in der Institution war und kennt die Schwierigkeit und Unsicherheit, den Auftrag der Institution dem/der FragestellerIn und der Situation angepasst zu erklären, zudem weiss sie um dieselben Erfahrungen von anderen Mitarbeitenden
  • Erfahrung im Führen von vorangehenden PA Gesprächen mit dieser Auszubildenden, diesbezüglich ist der PA auch bewusst, dass die Auszubildende einen sehr hohen Anspruch an die eigene Leistung im Ausbildungsbetrieb hat, somit ist auch die Thematisierung der Situation und die Erreichung dieses Kompetenzziels zumutbar
  • Die eigene positive Erfahrung mit Rollenspielen aus der Ausbildung und das damit zusammenhängende Üben/Reflektieren von Situationen in geschütztem Rahmen
  • Erfahrung bezüglich dem Ansprechen von schwierigen Themen/Situationen/Verhalten und die damit gemachten positiven Erfahrungen

5.4      Organisations- und Kontextwissen – Welche Rahmenbedingungen beeinflussen mein Handeln?

  • Wissen um Präsenz/Arbeit im öffentlichen Raum und den dazugehörigen Aufgaben, Anforderungen und Schwierigkeiten
  • Vertraut sein mit der Struktur und dem Auftrag der Institution
  • Ausbildungskonzept und Aufgaben als PA kennen, sowie Anforderungen/Vorgaben der FH berücksichtigen
  • Ausbildungsstand der Auszubildenden kennen, in diesem Fall hat sie bereits viel theoretisches Wissen von Studium und auch etwas praktische Erfahrung (obwohl dies das erste Ausbildungspraktikum ist)

5.5      Fähigkeiten – Was muss ich als professionelle Fachperson können?

  • Wertschätzender und respektvoller Umgang mit Auszubildender
  • Verständnis für Prozessgestaltung und Kompetenzentwicklung
  • Raum geben zum Lernen und Üben
  • Kommunikationsfähigkeit und Fähigkeit zur Gesprächsführung
  • Das Handeln der Auszubildenden beurteilen können
  • Reflexionsprozess gestallten können  
  • Gesprächsleitung übernehmen können
  • Fördern und fordern ohne zu über- oder unterfordern

5.6      Organisationale, infrastrukturelle, zeitliche, materielle Voraussetzungen – Womit kann ich handeln?

  • Es gibt ein Ausbildungskonzept der Institution, welches für die PA und die Auszubildende zugänglich ist
  • Der Arbeitsplan ist der PA Tätigkeit angepasst, so dass die PA und die Auszubildende regelmässig zusammen arbeiten
  • Es finden regelmässig PA-Gespräche innerhalb der Arbeitszeit statt
  • Für die Gespräche stehen der PA und der Auszubildenden genügend Zeit und eine freie Wahl der geeigneten Räumlichkeit (Büro, öffentlicher Raum wie Parkanlage, Restaurant, Aufenthaltsraum) zur Verfügung
  • Die PA ist auf die Unterstützung und das Wohlwollen der anderen Teammitglieder angewiesen, bei Bedarf auch auf deren Rückmeldung zur Arbeit der Auszubildenden

5.7      Wertewissen – Woraufhin richte ich mein Handeln aus? Welches sind die zentralen Werte in dieser Situation, die ich als handelnde Fachperson berücksichtigen will?

  • Respekt und Wertschätzung gegenüber der Auszubildenden als Mensch und Mitarbeiterin
  • Vertrauen und Zutrauen in die Auszubildende, ihre Fähigkeiten und ihre Berufsidentität auszubauen
  • Gerechtigkeit, nicht zu diskriminieren
  • Selbstbestimmung, Autonomie
  • Transparenz und Achtsamkeit
  • Ressourcenorientierung, Lernfelder bieten
  • Erwartungen im Spannungsfeld Hochschule, Praxisausbildungsplatz, PA und Studierende sind geklärt.
  • Kooperationsbereitschaft zwischen Studierende und PA bleibt bestehen (wertschätzend).
  • Arbeitsbündnis ist hergestellt bzw. bleibt bestehen, ist gefestigt.
  • Reflexionsfähigkeit ist gefördert.
  • Prinzipien der personenzentrierten Gesprächsführung sind realisiert.
  • PA nimmt die Verantwortung als Gestaltende/r der Lernprozesse wahr.
  • Verantwortlichkeiten der Beteiligten sind geklärt.
  • PA nimmt ihre/seine Funktion als Überprüfungsinstanz verschiedenster Prozesse wahr.
  • Bedingungen für die Weiterentwicklung der beruflichen Identität (Habitus) sind gegeben.
  • Theorie-Praxis-Relationierung findet statt.
  • Es wird thematisiert, wie Auszubildende Lernanregungen in ihr professionelles Handeln integrieren können.

Die Situation erfüllt viele der Qualitätsstandards. Die strukturellen Rahmenbedingungen wurden eingehalten. Die PA kommt gut organisiert und vorbereitet ins Gespräch und es ist klar wo, wie lange und zu welchen Themen es stattfinden wird. Zudem finden die Gespräche regelmässig statt und der Arbeitsplan ist so gestaltet, dass die PA und Auszubildende regelmässig miteinander arbeiten und beide ausreichend Zeit haben, ihren zusätzlichen Aufgaben in ihren jeweiligen Funktionen – als PA respektive Auszubildende – nachzugehen.

Die PA hat während des ganzen Gespräches die Rolle der Gesprächsführung ausgefüllt und auch ihrer Modellfunktion wurde sie gerecht. Sie hat vorgelebt, dass es wichtig ist, Irritationen/Schwierigkeiten anzusprechen und diese gemeinsam anzugehen. Zudem hat sie in den Rollenspielen eine Art Modellfunktion eingenommen, indem auch sie der Auszubildenden (in der Rolle der Fragestellerin) gezeigt hat, wie sie die Institution den jeweiligen Fragestellenden und der Situation angepasst erklärt. Die Selbstwirksamkeit der Auszubildenden konnte ein wenig gestärkt werden, indem sie durch das Rollenspiel gemerkt hat, dass sie durchaus in der Lage ist die Situation zu meistern, wenn auch in geschütztem Rahmen. Es hätte jedoch noch mehr auf die Ressourcen und das Wissen der Auszubildenden eingegangen werden können. Auch hat die PA beispielsweise nicht aktiv nach den Lernstrategien der Auszubildenden gefragt. So hätte das selbstregulierte Lernen mehr angeregt werden können. Durch die wertschätzende und ehrliche Lernatmosphäre, durch Anerkennung, Lob und transparente Rückmeldungen ist die Kooperationsbereitschaft der Auszubildenden bestehen geblieben. Sie konnte sich auch motivieren beim Rollenspiel mitzumachen obwohl es ihr zu Beginn etwas unangenehm war. Hier konnte die PA mit direktem Ansprechen der gemachten Beobachtung des Zögerns und mit etwas Humor die Situation auflockern und zu einer Weiterentwicklung der Berufsidentität der Auszubildenden und auch der eigenen beitragen.

  • Die PA hätte mehr auf die Lernbiografie der Auszubildenden eingehen können und auch die eigenen Lernstrategien der Auszubildenden erfragen können. So wären ihr beispielsweise andere Methoden als das Rollenspiel mehr gelegen und hätten ihren Lernprozess positiver beeinflussen können. Auch wäre somit das selbstregulierte Lernen mehr angeregt worden.
  • Die PA hätte Theorien oder Methoden aktiv benennen können, um der Auszubildenden den Theorie-Praxis-Transfer aufzuzeigen. Und auch hier, das Wissen der Auszubildenden mehr aktiv abfragen respektive einbeziehen um ihre Ressourcen zu aktivieren.
  • Bei der Gesprächsführung hätte die PA darauf achten können, dass sie den Fokus darauf legt, die Auszubildende jeweils zuerst nach ihrer eigenen Einschätzung z.B. im Kompetenzerwerb zu fragen. Um zu lernen sich selber zu reflektieren.
  • Auch hätte die PA die Auszubildende fragen können, was sie sich in der Situation von mir oder den anderen Teammitgliedern wünscht. Dies um konkret auf die Bedürfnisse der Auszubildenden einzugehen und sie dort zu unterstützen, wo sie selbst den Unterstützungsbedarf sieht. Nach dem Ansatz: Hilfe zur Selbsthilfe.
  • Bosch Aida (2015): Unsicherheit,  Krise und Routine. Zur Rolle der Dinge in der menschlichen Lebenswelt. Erschienen in: Wulf, Christoph/Zirfas, Jörg(Hrsg.) 2015: Unsicherheit. Paragrana, Internationale Zeitschrift für Historische Anthropologie Bd. 24/2015/H1, Berlin/Boston/Peking: De Gruyter, S. 209-220. http://www.soziologie.phil.uni-erlangen.de/system/files/aufsatz-unsicherheit-und-dinge-korr.pdf 14.3.2017
  • Jennert (2008). In Roth, Claudia/Merten, Ueli (Hrsg.) (2014): Praxisausbildung konkret. Am Beispiel des Bachelor in Sozialer Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW. Verlag Barbara Budrich, Opladen Berlin, Toronto.
  • Jonas, K./Brömer, P. (2002): Die sozial-kognitive Theorie nach Bandura. In: Frey, D./Irle, M.(Hrsg.). Theorien der Sozialpsychologie. Bd. 2: Gruppen-, Interaktions- und Lerntheorien. Bern: Hans Huber.
  • Rogers, Carl (2007): Therapeut und Klient. Grundlagen der Gesprächspsychotherapie. 22. Aufl. Frankfurt am Main: Fischer Verlag.

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